07.06.2023, 13:35
(07.06.2023, 11:17)Gast_16 schrieb:(07.06.2023, 06:48)ProbeRi schrieb: Ich kenne ähnliche Berichte von vielen die in der Justiz anfingen durch Fortbildungen mit anderen Proberichtern wobei es da eher um Stress im allgemeinen, Träumen von der Arbeit und weinende Teilnehmer bei Proberichterrunden ging. Dass du deinen Appetit verloren hast, finde ich bedenklich. Ich war anfangs auch erstmal im Praxisschock und wolte direkt weg :D. Bei eigentlich allen wird es besser, ich war nach 3 Monaten ca. gut im Dez drin und dann ging es gut und ich hatte eine gute Work Life Balance. Geträumt habe ich trotzdem regelmäßig von der Arbeit. Allerdings muss man sich die Frage gestatten, ob es einem dann wirklich gefällt, denn normal ist das eigentlich nicht. Und was du schilderst, ist ja noch drastischer.
Ich persönlich habe gemerkt, dass ich die Tätigkeit zwar kann und hinbekomme, aber einfach keinen Spaß habe und es nicht 40 Jahre machen will. Das muss aber jeder für sich selbst rausfinden. Ich habe mich bei meinem Wechsel in die Verwaltung dann dort jedenfalls nicht so gefühlt wie am Anfang in der Justiz.
Nach wenigen Tagen würde ich das Handtuch grundsätzlich nicht werfen. Komm erstmal rein und verdaue den Praxisschock. Ein paar Monate sollte man sich mindestens geben, natürlich nur, wenn es halbwegs erträglich ist bzw. schnell besser wird.
Vielen Dank für deinen Erfahrungsbericht. Das Problem ist glaube, dass ich den Beruf im Vorfeld sehr idealisiert habe und immer wieder gesagt habe ich will das unbedingt, auch aufgrund der sich bietenden Unabhängigkeit. Daher habe ich auch viele Red Flags einfach nicht beachtet. Dies sind genau die, die mich jetzt auch tatsächlich schon stören. Insbesondere die hohe Arbeitsbelastung, dass man regelmäßig mehr arbeitet ohne dafür bezahlt zu werden (inkl. Wochenende) und die fehlende Spezialisierung.
Die andere Sache ist aber eigentlich für mich die viel schwerwiegendere Sache. Ich wollte eigentlich unbedingt ans Arbeitsgericht und nie in die ordentliche Gerichtsbarkeit, weil ich die Inhalte eigentlich nicht mag. Da ersteres nicht ging, wollte ich dem ganzen eine Chance geben und dachte so schlimm wird es nicht. Aber bereits am ersten Tag fand ich es inhaltlich so furchtbar. Ich habe schon gar keine Lust die Akten aufzumachen, weil mich das ganze so gar nicht interessiert. Glaube auch nicht, dass es im Strafrecht besser wird. Ich denke schon, dass ich den Job mit etwas Routine hin bekommen würde. Ich bin mir aber nicht sicher, ob ich das wirklich will oder ob ich nicht eher in der freien Wirtschaft im Arbeitsrecht besser aufgehoben bin.
Ich kenne die Gepflogenheiten bei "euch" nicht, aber in der Arbeitsgerichtsbarkeit wird ohnehin oftmals nur mit einschlägiger Praxiserfahrung im ArbeitsR eingestellt, sodass man es dort versuchen sollte, wenn man den Fachanwalt hinter sich hat. Das mag in deinem Bezirk/BL natürlich anders sein.
Ich denke das Problem der Idealisierung haben viele, da bist du nicht allein :-)
07.06.2023, 21:00
Ich habe auch nach wenigen Wochen den Dienst quittiert (ordentliche Gerichtsbarkeit). Habe das Entlassungsgesuch sowohl beim Justizministerium als auch beim LG-Präsidenten eingereicht. Dem Gesuch wurde innerhalb von zwei Wochen entsprochen, das ging wirklich schnell. "Kündigungsfristen" hast du da nicht.
Eine Anschlussbeschäftigung hatte ich damals noch nicht, da ich ähnlich wie du einfach nur weg wollte...
Eine Anschlussbeschäftigung hatte ich damals noch nicht, da ich ähnlich wie du einfach nur weg wollte...
07.06.2023, 23:05
(07.06.2023, 21:00)TheEagle schrieb: Ich habe auch nach wenigen Wochen den Dienst quittiert (ordentliche Gerichtsbarkeit). Habe das Entlassungsgesuch sowohl beim Justizministerium als auch beim LG-Präsidenten eingereicht. Dem Gesuch wurde innerhalb von zwei Wochen entsprochen, das ging wirklich schnell. "Kündigungsfristen" hast du da nicht.
Eine Anschlussbeschäftigung hatte ich damals noch nicht, da ich ähnlich wie du einfach nur weg wollte...
Was genau war so schlimm, magst du das näher ausführen?

08.06.2023, 00:05
(07.06.2023, 21:00)TheEagle schrieb: Ich habe auch nach wenigen Wochen den Dienst quittiert (ordentliche Gerichtsbarkeit). Habe das Entlassungsgesuch sowohl beim Justizministerium als auch beim LG-Präsidenten eingereicht. Dem Gesuch wurde innerhalb von zwei Wochen entsprochen, das ging wirklich schnell. "Kündigungsfristen" hast du da nicht.
Eine Anschlussbeschäftigung hatte ich damals noch nicht, da ich ähnlich wie du einfach nur weg wollte...
großen Respekt für diesen Mut und Konsequenz!
08.06.2023, 13:29
(07.06.2023, 21:00)TheEagle schrieb: Ich habe auch nach wenigen Wochen den Dienst quittiert (ordentliche Gerichtsbarkeit). Habe das Entlassungsgesuch sowohl beim Justizministerium als auch beim LG-Präsidenten eingereicht. Dem Gesuch wurde innerhalb von zwei Wochen entsprochen, das ging wirklich schnell. "Kündigungsfristen" hast du da nicht.
Eine Anschlussbeschäftigung hatte ich damals noch nicht, da ich ähnlich wie du einfach nur weg wollte...
Was genau waren bei dir die Beweggründe wenn ich fragen darf? Hast du es letztlich irgendwann bereut es nicht noch länger versucht zu haben? Einen Weg zurück irgendwann gibt es ja dann nicht mehr.
08.06.2023, 17:29
Die Gründe waren ähnliche wie beim Threadersteller: ich hatte die Justiz total idealisiert und als ich dann eingetreten bin war es Schock pur. Die Zustände, insbesondere die Arbeitsbelastung, aber auch die Stimmung haben mir die Schuhe ausgezogen.
Hinzu kam: ich wollte ursprünglich immer zur StA bzw. in die Strafjustiz. Natürlich hat man mich ans LG Zivilsachen geschickt. Darauf hatte ich auch einfach keine Lust und dementsprechend nicht den Willen, mich da durchzubeißen.
Bereut habe ich die Entscheidung nie. Es war eher ein bisschen die Trauer, dass die Justiz nicht das war, zu dem ich sie - gedanklich - gemacht hatte.
Hinzu kam: ich wollte ursprünglich immer zur StA bzw. in die Strafjustiz. Natürlich hat man mich ans LG Zivilsachen geschickt. Darauf hatte ich auch einfach keine Lust und dementsprechend nicht den Willen, mich da durchzubeißen.
Bereut habe ich die Entscheidung nie. Es war eher ein bisschen die Trauer, dass die Justiz nicht das war, zu dem ich sie - gedanklich - gemacht hatte.
Erste Infos zum Bewerbungsverfahren für den Justizdienst findest Du auf den Richter-Infoseiten von Juristenkoffer.de:
https://www.juristenkoffer.de/richter/
Darüber hinaus sollte man sich dann mit dem Karriere-Dossier über die Einstellungschancen und Bewerbungsvoraussetzungen informieren. Optional besteht zudem die Möglichkeit, auf die vielen hunderten Erfahrungsberichte anderer Juristen zuzugreifen, die bereits das Bewerbungsverfahren erfolgreich absolviert haben:
https://www.juristenkoffer.de/richter/karriere-dossier-richter-staatsanwalt-werden.php
https://www.juristenkoffer.de/richter/
Darüber hinaus sollte man sich dann mit dem Karriere-Dossier über die Einstellungschancen und Bewerbungsvoraussetzungen informieren. Optional besteht zudem die Möglichkeit, auf die vielen hunderten Erfahrungsberichte anderer Juristen zuzugreifen, die bereits das Bewerbungsverfahren erfolgreich absolviert haben:
https://www.juristenkoffer.de/richter/karriere-dossier-richter-staatsanwalt-werden.php
09.06.2023, 23:44
Falls das echt sein sollte (was ich kaum glaube): Hör auf zu jammern und reiß dich zusammen. Das juristische Berufsleben besteht halt zu 90 % aus dicken, langweiligen Akten. Augen auf bei der Berufswahl.
10.06.2023, 00:19
(09.06.2023, 23:44)Lucille schrieb: Falls das echt sein sollte (was ich kaum glaube): Hör auf zu jammern und reiß dich zusammen. Das juristische Berufsleben besteht halt zu 90 % aus dicken, langweiligen Akten. Augen auf bei der Berufswahl.
Bei mir sind es 5% meine Sachen, die ich für langweilig halte. Auf den Rest freue ich mich eigentlich täglich. Insoweit kann ich Dir nur hinsichtlich Deinem letzten Satz zustimmen.
Im Übrigen kannst Du Dich dann auch bitte wieder verpissen.
10.06.2023, 08:57
(09.06.2023, 23:44)Lucille schrieb: Falls das echt sein sollte (was ich kaum glaube): Hör auf zu jammern und reiß dich zusammen. Das juristische Berufsleben besteht halt zu 90 % aus dicken, langweiligen Akten. Augen auf bei der Berufswahl.
Du kannst ja glauben was du willst. Ich bin allerdings der Meinung, dass das Leben zu kurz und die juristische Ausbildung zu lange ist, um am Ende in einem Job hängen zu bleiben der einem von Tag 1 als furchtbar erscheint. Im übrigen bin ich auch der Auffassung, dass es durchaus auch spannende juristische Jobs gibt die einem mehr liegen und abwechslungsreicher sind. Ich hätte auch gerne vorher gewusst, dass mir die Arbeit bei Gericht so absolut gar keinen Spaß macht, dann hätte ich mir diese doofe Situation ersparen können. Leider bekommt man im Referendariat einfach eine andere Vorstellung vermittelt.
10.06.2023, 09:16
Wie lief denn deine Zivilstation ab, dass selbst unter Berücksichtigung der in jedem Beruf auftretenden Startschwierigkeiten (Arbeitslast, ggf. Überforderung, etc) die Lücke zwischen Erwartung und Realität so riesig ist? Dass Proberichter anfangs eher jenseits der 50 Stunden arbeiten und auch mal Gürteltiere in die Angängerbüros reingefahren werden ist doch eigentlich bekannt. Mir fällt es daher irgendwie etwas schwer, mir vorzustellen, was da noch dazu kommen muss, dass man so krass überrascht ist. Magst du das einmal ausführen?