06.05.2021, 22:22
(06.05.2021, 22:05)Gast schrieb:(06.05.2021, 22:03)Gast schrieb: Naja, der Thread-Ersteller glaubt tatsächlich, dass "DIE" oder "WIR" Juristen davon profitieren werden, was ich gelinde gesagt für Humbug halte. Schon aus Ökonometrischer Betrachtung.
Wie gesagt, es kann kein Humbug sein, da bereits LegalTech Startups von Juristen gegründet worden sind, und sie laufen erfolgreich. Die Bilanzen bzw. Umsätze kann man auf northdata nachvollziehen.
Jetzt lieste nochmal den Beitrag des Kollegen/der Kollegin und denkst nochmal über ne Antwort nach.
Zum Thread: auf welche Firmen spielt ihr denn an? Die Verbraucherrechte-People (Flugrechte und sowas) machen doch praktisch keine Anwaltsarbeit, sondern eher Inkasso. Das funktioniert doch nur, weil und wenn es tausende Fälle gibt, die alle genau gleich gestrickt sind. Die dürften bislang auch viel Geschäft neu geschaffen haben, das ohne sie überhaupt keinen Anwalt gesehen hätte!? Ansonsten nehmen solche Anbieter (denklogisch) anderen Anwälten Arbeit weg. Sie machen sie aber billiger, weshalb dem juristischen Markt dadurch Geld entzogen wird. Insgesamt (!) gesehen also eine schlechte Entwicklung.
Aus dem Kanzleialltag kann ich mir das derzeit aber höchstens bei Bankrechtszeug (Darlehen usw) und Verkehrsunfällen vorstellen. Insbesondere bei Verkehrsunfällen sehe ich Potential, weil es rechtlich meist nicht schwierig ist und immer Versicherungen beteiligt sind, oft letztlich sogar auf beiden Seite. Eine günstigere Abwicklung wäre für die natürlich interessant, die könnte dann auch völlig ohne Gerichte ablaufen, wenn man sich auf einen Algorithmus/einen Standard/Anbieter einigt.
Gibts denn sonst irgendwas erfolgsversprechendes in legal tech? Wenn ich mir die Suchfunktionen von beckonline oder - Gott bewahre - Juris anschaue, dann glaube ich noch nicht so ganz an die digitale Revolution in den nächsten 20 Jahren.
Meinem Gefühl nach machen Geld damit grade v.a. Leute, die die Sache hypen und irgendwelche nichtssagenden Seminare geben.
06.05.2021, 22:25

Noch ein Versuch. Wir sitzen hier alle in einem Boot. Ich will niemandem etwas Böses.
Zum Thema: Nicht alle Juristen werden ersetzt, weggefegt, wie auch immer. Aber viele, unter der Prämisse, dass wir weiterhin so stumpfsinnig ausgebildet werden. Viele Juristen fehlt es bereits am grundlegenden Verständnis für IT-Systeme. Merke ich im Übrigen oft in der Datenschutz-Beratung. Das ist einfach zum Fremdschämen was da immer fabuliert wird von ach so großartigen Juristen.
Das Ref könnte im Übrigen ein wunderbarer Ort sein für solch eine Zusatzausbildung im Bereich Legal Tech.
06.05.2021, 22:30
Ist wohl etwas OT, aber: Ergäbe sich aus dem Innehaben beider Studienabschlüsse - Jura und Informatik - wirklich ein beruflich nennenswert verwertbarer Nutzen (von Nischen, d.h. universitärer Forschung o.ä., mal abgesehen)?
06.05.2021, 22:30
Was soll da denn unterrichtet werden? Selbst programmieren? Das ist kein massen-fähiges Modell.
Auch: die alte Mär davon, dass Digitalisierung/Rationalisierung keine Arbeitsplätze kostet.. Gesamtgesellschaftlich ist das sicher so, in der Industrie werden hunderttausende Jobs wegfallen in relativ kurzer Zeit, die kann man schon andernorts wieder aufbauen. Aber nicht mit den Leuten, die da ihre Jobs verloren haben. Das Argument hat die CDU im BW-Wahlkampf btw. auch benutzt. Ist leider absolut realitätsfern, weil der 50-jährige Bandarbeiter bei Mercedes nicht mehr zu dem dringend gesuchten Programmierer wird.
Auch: die alte Mär davon, dass Digitalisierung/Rationalisierung keine Arbeitsplätze kostet.. Gesamtgesellschaftlich ist das sicher so, in der Industrie werden hunderttausende Jobs wegfallen in relativ kurzer Zeit, die kann man schon andernorts wieder aufbauen. Aber nicht mit den Leuten, die da ihre Jobs verloren haben. Das Argument hat die CDU im BW-Wahlkampf btw. auch benutzt. Ist leider absolut realitätsfern, weil der 50-jährige Bandarbeiter bei Mercedes nicht mehr zu dem dringend gesuchten Programmierer wird.
06.05.2021, 22:41
Viel schlimmer ist und bleibt aus meiner Sicht, dass wir kluge Köpfe ausbilden und genau diese klugen Köpfe in den Ministerienspitzen rumhängen und völlig überfordert sind mit der Digitalisierung. Das kann nicht so weiter gehen.
06.05.2021, 22:43
(06.05.2021, 22:30)Anonyma schrieb: Ist wohl etwas OT, aber: Ergäbe sich aus dem Innehaben beider Studienabschlüsse - Jura und Informatik - wirklich ein beruflich nennenswert verwertbarer Nutzen (von Nischen, d.h. universitärer Forschung o.ä., mal abgesehen)?
Nein, würde ich von abraten. Eher Grundlagen erlernen, Interesse zeigen, sich informieren und Interdisziplinarität schärfen.
...ODER wahlweise eine Informatikerin heiraten, like me

06.05.2021, 23:05
Okay, wie nimmt dieses Legaltech Akteneinsicht in die 2900-seitige Akte und schreibt für mich die Revisionsbegründung?
06.05.2021, 23:29
06.05.2021, 23:51
(06.05.2021, 22:12)Gast schrieb: Und zum Abschluss: Das macht mir keine Freude und ich geil mich auch nicht daran auf. Mache lediglich darauf aufmerksam! Teilweise echt erschreckend, wie schlecht gebildet meine Kollegen im Ref sind hinsichtlich der digitalen Entwicklung, respektive der anstehenden Algorithmisierung. Verstehe nicht wie das tatenlos mit angesehen wird.
Sagt wer? Habe mich durchaus einigermaßen vertieft mit der Thematik auseinandergesetz und mir tatsächlich auch Gedanken hinsichtlich einer Legal Tech Gründung gemacht. Sobald man da aber etwas in die Materie einsteigt, wird man schnell ernüchtert feststellen, dass Legal Tech auf absehbare Zeit einfach die Digitalisierung von Massengeschäften bedeuten wird.
Einen Algorithmus, der tatsächlich juristische Sachverhalte auf Einzelfallbasis durchdringt, bearbeitet und löst gibt es nicht und wird es so schnell nicht geben. Dafür müsste man den Algos nämlich beibringen, selbstständig zu argumentieren, abzuwägen und zu taktieren. Das mag auf einem festgelegten Spielfeld mit einer begrenzten Anzahl an Handlungsmöglichkeiten, wie zB beim Schach funktionieren. Im realen Leben, wo Spielfeld und Möglichkeiten eben nicht vorhersehbar und begrenzt sind, funktioniert es nicht. Wie soll ein Algorithmus entscheiden, ob ein nachbarlicher Belang in der Abwägung ausreichend berücksichtigt wurde? Ob ein bestimmtest Handeln gegen das Anstandsdenken aller billig und gerecht Denkender verstößt? Was der wahre Wille des Erblassers war?
Wie gesagt, schematische Massengeschäfte werden in nicht all zu ferner Zukunft von der IT übernommen werden, keine Frage. Sobald aber die ausgetretenen Pfade der Ja/Nein-Abfragen verlassen werden, wird auch längerfristig noch ein echter Jurist in die Akte schauen müssen.
06.05.2021, 23:57
(06.05.2021, 22:19)Gast schrieb:(06.05.2021, 22:12)Gast schrieb: Wie gesagt, das sind keine richtigen Legal Tech Start Ups, sondern gut organisierte Inkassos.
Und wie gesagt, die meisten Juristen werden durch künftige Legal Tech Unternehmen in Leidenschaft gezogen. Wenn die Bundesreg. den Weg frei macht und den Markt öffnet, was ich nicht hoffe, werden die Juristen in ihrer "Gesamtheit" weggefegt.
Und zum Abschluss: Das macht mir keine Freude und ich geil mich auch nicht daran auf. Mache lediglich darauf aufmerksam! Teilweise echt erschreckend, wie schlecht gebildet meine Kollegen im Ref sind hinsichtlich der digitalen Entwicklung, respektive der anstehenden Algorithmisierung. Verstehe nicht wie das tatenlos mit angesehen wird.
Du stellst es aber wieder so pessimistisch dar. Die Menschen müssend endlich begreifen, dass kein Job auf der Welt ,,weggefegt'' wird. Das ist immer noch ein Mythos - eingeworfen von Itlern, die sich daran aufgeilen. Es werden nämlich gleichzeitig neue Jobs kreiert, und die Menschen die bsp. einen Job ,,weggefegt'' bekommen haben, können sich weiterentwickeln. So auch bei Juristen. Man bleibt nicht jahrelang stehen, sondern muss mit dem Strom fließen. Sobald Legaltecht völlig eingetreten ist, haben auch Juristen mehr Möglichkeiten. +
Es wird immer so dargestellt, als bräuchte man nur Informatiker. JA UND WOHER beziehen die Itler ihr juristisches Wissen????? Allein programmieren hilft nicht ohne Inhalt.
Ich bin mal so frei: wie alt bist du und an welcher Stelle deiner Karriere stehst du?
Du klingst auch in der Art und Weise der Reaktion wie ein aufgedrehter Referendar, der vllt 2-3 std zu viel YouTube intus hat :-p