30.05.2019, 04:16
(29.05.2019, 20:23)Gast Bln schrieb: Hier mal ein kleiner Erfahrungsbericht aus Berlin:
Habe mich im November 2018 unmittelbar nach dem 2 Staatsexamen in Berlin beworben.
Das Gespräch fand dann im März 2019 statt im Gebäude der Senatsverwaltung für Justiz (u.a.) in der Salzburger Str in Berlin-Schöneberg, in welchem auch das GJPA untergebracht ist. Dies dürfte den Berliner Studenten und Referendaren bestens vertraut sein. Kommission 4 Personen, Oberstaatsanwält(Innen) und Richter(Innen). Sitzordnung ähnlich wie mdl. Prüfung. Vor und nach mir waren andere Assessoren dran.
Das Gespräch war etwas unterkühlt und begann damit, dass ich erstmal zu meiner Person vortragen sollte, was mir in der Situation irgendwie nicht so leicht gefallen ist, wahrscheinlich wegen der Aufregung. Dann folgten Fragen zu meiner Ausbildung, dabei wurde ich u.a. auch darauf angesprochen, dass sowohl meine Schulzeit, als auch mein Jura-Studium länger gedauert hätten, als vorgesehen. Wahrscheinlich wollte die Kommission sehen, wie ich auf solche kritische Nachfrage reagiere. Hab versucht trotzdem tapfer zu lächeln.
Dann sollte ich erzählen wo meine Stärken und wo meine Schwächen lägen. Habe versucht irgendetwas unverfängliches zu antworten bzw. meine "Schwäche" als versteckte Stärke zu verkaufen. Meine Antwort war, dass ich mich manchmal selber sehr unter Druck setze um alles perfekt zu machen. :angel: Keine Ahnung, wie das ankam um ehrlich zu sein (Kommission behielt die ganze Zeit Pokerface, bzw. schaute gleichbleibend streng).
Es folgten dann die allseits bekannten Fragen um die sozialen Kompetenzen abzuprüfen. Kurz zusammengefasst:
1) Sie sind Staatsanwalt. Ihre Geschäftsstelle leitet Fax der Polizei (entlastende Beweise) erst zu, nachdem Sie bereits in der Sache einen HB beantragt haben. Was tun Sie jetzt? ("Erstmal Haftentlassung bewirken!") Wie gehen Sie mit der Situation auf der Geschäftsstelle um? Mitarbeiterin wird im persönlichen Gespräch anmaßend, wie reagieren Sie jetzt?
2) Sie sind Richter am AG, ihr Urteil in einer Mietsache wird von der Berufungskammer des LG aufgehoben. Sie haben erneut einen gleichgelagerten Fall zur Entscheidung vorliegen. Entscheiden Sie wieder gleich? Der Kläger verlangt, dass Sie wieder so wie davor entscheiden. Wie begegnen Sie diesem Verlangen? Kläger sagt, er verlässt den Saal nicht, bis Sie sich so entscheiden, wie er es möchte. Was tun Sie nun?
2) Sie sind Richter am Familiengericht. Kurz vor Feierabend spricht persönlich ein Vater vor und berichtet, er habe geteiltes Sorgerecht und die 14jährige Tochter weigere sich, in die Obhut der Mutter zurückzukehren. Er stellt Antrag auf einstweilige Anordnung. Was machen Sie? ("Ins FamFG schauen." - "Rechtliche Erwägungen können Sie jetzt mal außen vor lassen." - Aha. "Mutter anrufen." - "Mutter teilt mit, dass Tochter schwer krank ist und dringend zu ihr nach Hause muss, weil Vater die Therapie nicht durchführt." - "Ich appeliere an Vernunft der Tochter." allg. Heiterkeit.)
Danach wurde mir noch kurz der weitere Ablauf des Wahlverfahrens geschildert und dann war das Gespräch auch schon vorbei, Händeschütteln und Tschüß.
Anfang April habe ich telefonisch die Zusage bekommen, dass die Kommission mich zum Richterwahlausschuss vorschlagen werde.
Insgesamt war erträglich, ich habe mich nicht wirklich vorbereitet (keine Protokolle nur Hörensagen) und war trotzdem in der Lage, im Gespräch adäquat zu reagieren. Wer sich für eine Beschäftigung in der Justiz interessiert, sollte sich auf jeden Fall bewerben.
Vielen Dank für deinen Erfahrungsbericht! Auf der Seite der Justizverwaltung steht ja dass es momentan sehr verstärkt zu Abordnungen und Ernennungen in der Strafjustiz kommt. Wurde das im Gespräch thematisiert? Ich denke im Moment auch über eine Bewerbung nach, könnte mir auch grundsätzlich vorstellen 1-2 Jahre StA/Strafrichter "abzusitzen", möchte perspektivisch aber definitiv Zivilrichter werden. Kannst du da eine Einschätzung abgeben wie offen Berlin für solche "Extrawünsche" ist? Danke!
30.05.2019, 16:39
Gar nicht. Man kommt da hin wo Bedarf besteht. Auf die Frage wo deine Präferenz ist kannst du natürlich Zivilrecht sagen, aber ungefragt eher nicht.
30.05.2019, 18:57
Selbstverständlich kann man Präferenzen nennen, die Frage ist nur, inwiefern diesen gefolgt wird. Früher war das Ziel, dass bereits Assessoren eine gewisse Verwendungsbreite unter Beweis stellen, weswegen idR mindestens zwei Gerichtsbarkeiten im Rahmen der dreijährigen Assessorenzeit zu absolvieren waren. Letztes Jahr gab es aber auch sog. Strafrechtskampagnen, für die man sich gezielt bewerben konnte. Dort sollen in der Assessorenzeit nur strafrechtliche Stationen (LG, AG, StA) belegt werden und auch eine Lebenszeiternennung im Strafbereich ist erwünscht.
Wer in die Justiz möchte, muss bereit sein, dem Bedarf ein Stück weit zu folgen. Dieser ist sehr volatil und natürlich aus von der Gesetzgebung (Hartz IV, StPO-Reform) und besonderen Ereignissen (Flüchtlingskrise) abhängig.
Momentan besteht ein erhöhter Bedarf in Berlin im Straf- und teilweise Verwaltungsbereich, wohingegen der Zivilbereich (Ausnahme so schmucke Spezialisierungen wie Bank, Notar und Arzthaftung :s ) und auch das Sozialgericht recht gut besetzt sind. Wie genau der Bedarf in wenigen Jahren (wenn als also Deine Lebenszeiternennung anstehen würde) aussieht, kann heute keiner sicher sagen. Ich gehe aber davon aus, dass es in Anbetracht der Pensionierungswelle interessante Möglichkeiten in vielen Bereichen geben wird.
Viel Erfolg beim Bewerben
Wer in die Justiz möchte, muss bereit sein, dem Bedarf ein Stück weit zu folgen. Dieser ist sehr volatil und natürlich aus von der Gesetzgebung (Hartz IV, StPO-Reform) und besonderen Ereignissen (Flüchtlingskrise) abhängig.
Momentan besteht ein erhöhter Bedarf in Berlin im Straf- und teilweise Verwaltungsbereich, wohingegen der Zivilbereich (Ausnahme so schmucke Spezialisierungen wie Bank, Notar und Arzthaftung :s ) und auch das Sozialgericht recht gut besetzt sind. Wie genau der Bedarf in wenigen Jahren (wenn als also Deine Lebenszeiternennung anstehen würde) aussieht, kann heute keiner sicher sagen. Ich gehe aber davon aus, dass es in Anbetracht der Pensionierungswelle interessante Möglichkeiten in vielen Bereichen geben wird.
Viel Erfolg beim Bewerben
01.06.2019, 04:09
Vielen Dank für die Infos! :)
04.06.2019, 18:04
@pasta:
Du kannst bei der Bewerbung im Bogen Spezialkenntnisse angeben. Wäre dann wahrscheinlich gut, wenn du die auch durch entsprechende Belege (etwa Wahlstation beim AG in Abt. für Zivilsachen o.ä.) belegen kannst :sleepy: .
Wahrscheinlich besteht derzeit die Möglichkeit Ri in Zivilsachen zu werden eher in anderen Bundesländern, v.a. in NRW und absehbar auch in den neuen Bundesländern. gruß und viel Erfolg beim Bewerben
Du kannst bei der Bewerbung im Bogen Spezialkenntnisse angeben. Wäre dann wahrscheinlich gut, wenn du die auch durch entsprechende Belege (etwa Wahlstation beim AG in Abt. für Zivilsachen o.ä.) belegen kannst :sleepy: .
Wahrscheinlich besteht derzeit die Möglichkeit Ri in Zivilsachen zu werden eher in anderen Bundesländern, v.a. in NRW und absehbar auch in den neuen Bundesländern. gruß und viel Erfolg beim Bewerben
11.06.2019, 23:23
Ich arbeite zur Zeit als Support Lawyer und habe in beiden Examina ca. 7,5. Meint ihr ich habe eine Chance in der brandenburgischen Justiz? Danke für die Antworten.
Erste Infos zum Bewerbungsverfahren für den Justizdienst findest Du auf den Richter-Infoseiten von Juristenkoffer.de:
https://www.juristenkoffer.de/richter/
Darüber hinaus sollte man sich dann mit dem Karriere-Dossier über die Einstellungschancen und Bewerbungsvoraussetzungen informieren. Optional besteht zudem die Möglichkeit, auf die vielen hunderten Erfahrungsberichte anderer Juristen zuzugreifen, die bereits das Bewerbungsverfahren erfolgreich absolviert haben:
https://www.juristenkoffer.de/richter/karriere-dossier-richter-staatsanwalt-werden.php
https://www.juristenkoffer.de/richter/
Darüber hinaus sollte man sich dann mit dem Karriere-Dossier über die Einstellungschancen und Bewerbungsvoraussetzungen informieren. Optional besteht zudem die Möglichkeit, auf die vielen hunderten Erfahrungsberichte anderer Juristen zuzugreifen, die bereits das Bewerbungsverfahren erfolgreich absolviert haben:
https://www.juristenkoffer.de/richter/karriere-dossier-richter-staatsanwalt-werden.php
01.11.2019, 15:55
Habe vor einiger Zeit eine Zusage erhalten. Ich danke allen für die Hilfe.
Wollte nur noch anmerken, meine Note war relativ niedrig. Also, lasst nichts unversucht.
Wollte nur noch anmerken, meine Note war relativ niedrig. Also, lasst nichts unversucht.
01.11.2019, 18:06
das ist super!
Magst du vielleicht deinen gesprächsverlauf kurz wiedergeben?
Magst du vielleicht deinen gesprächsverlauf kurz wiedergeben?
01.11.2019, 18:09
Darf ich fragen, wie "niedrig" deine Noten waren und ob du sonstige Erfahrungen nachweisen konntest?
04.11.2019, 14:58
(01.11.2019, 15:55)niedereggermarzipan schrieb: Habe vor einiger Zeit eine Zusage erhalten. Ich danke allen für die Hilfe.
Wollte nur noch anmerken, meine Note war relativ niedrig. Also, lasst nichts unversucht.
Herzlichen Glückwunsch!
Hast du die Zusage für Berlin oder Brandenburg? In Berlin höre ich nämlich oft dass trotz der offiziellen Anforderungen (7 im Ersten und 8 im Zweiten Examen) inoffiziell am Doppel-VB festgehalten wird, da es für Berlin wohl viele Bewerber gäbe. Wäre ja sehr interessant, wenn dieses inoffizielle Gerücht nun nach und nach widerlegt werden würde.