16.09.2025, 09:19
(15.09.2025, 23:43)Praktiker schrieb:(15.09.2025, 10:01)Greif schrieb:(14.09.2025, 21:58)Praktiker schrieb:(14.09.2025, 17:26)Greif schrieb:(14.09.2025, 08:39)Gast111777 schrieb: Guten Morgen,
ich bin frisch verplante (happy!) Richterin in einem östlichen Bundesland am VG. Auch wenn ich nicht das Gefühl habe, dass ich "zu langsam" arbeite, glaube ich, dass da noch Luft nach oben ist, was die Effizienz angeht. Daher wollte ich hier mal Fragen, ob es Erfahrungsberichte, gerne auch aus andern Gerichtsbarkeiten, gibt hinsichtlich der Vorbereitung von Terminen. Wie geht ihr sowas an? Ich mache es (leider), und das ist glaube ich mein "Fehler", so, dass ich den Tatbestand und die Entscheidungsgründe schon nahezu fertig und sauber geschrieben habe. Allerdings ist es dann oftmals so, dass in 50 % der Fälle sich die Sache in dem Termin unstreitig erledigt, mein Entwurf daher für die Tonne war. Und manchmal, das ist noch absurder, wird die Klage auch zurückgenommen, nachdem die Ladung raus ist. Aber auch da ist der Entwurf meist schon fertig, weil ich erst lade, wenn ich weiß, dass es entscheidungsreif bzw. "ausgeschrieben" ist. Das würde ich in Zukunft gerne alles verhindern, weil es sehr viel Zeit in Anspruch nimmt. Hat da jemand ähnliche Erfahrungen gemacht oder wie genau bereitet ihr im Allgmeinen eure geladenen Sachen (nur ER-Sachen) vor? Über Verbesserungsvorschläge wäre ich sehr dankbar.
Dein von dir selbst erkanntes Problem hat eine so offensichtliche Lösung - Tatbestand und Entscheidungsgründe nicht vorab formulieren -, dass ich geneigt bin, dir Entscheidungsschwäche zu unterstellen. Was hindert dich daran, die Lösung, die sich dir sicherlich auch schon aufgedrängt hat, umzusetzen, warum brauchst du die Zusprache von dir völlig Fremden hier aus dem Forum?
Vermutlich weil die Kollegen am VG arbeiten, wie man am VG (oft) arbeitet?
Das verstehe ich nicht. TE fragt danach, wie sie ihre Effizienz steigern kann und weiß (eigentlich) die Antwort. Wenn die Kollegen ähnlich ineffizient arbeiten sollten wie sie (zurzeit), trägt das Wissen darüber doch nicht zur Lösung des Problems bei.
Es gibt halt einen Gruppenzwang. Wenn man auf bestimmte Weise sozialisiert ist und vermittelt bekommt, nur so könnten Verfahren rechtsstaatlich geführt werden, ist es schwer, sich davon zu lösen. Wenn meine Vermutung falsch ist und alle anderen ohnehin sachgerechter arbeiten, wäre es umso unverständlicher.
Die Vermutung ist richtig. In der Verwaltubgsgerichtsbarkeit ist effizientes Arbeiten sicherlich nicht erfunden worden…
17.09.2025, 08:38
In der Zivilgerichtsbarkeit gab es doch dieses Jahr einen Fall, wo eine Richterin als befangen abgelehnt wurde, weil sie schon vorher den Tatbestand und die Entscheidungsgründe abgefasst hat. Ich finde die Vorgehensweise ehrlich gesagt auch erstaunlich
https://rsw.beck.de/aktuell/daily/meldun...0W%2013/25).
https://rsw.beck.de/aktuell/daily/meldun...0W%2013/25).
17.09.2025, 09:54
(17.09.2025, 08:38)blabla1337 schrieb: In der Zivilgerichtsbarkeit gab es doch dieses Jahr einen Fall, wo eine Richterin als befangen abgelehnt wurde, weil sie schon vorher den Tatbestand und die Entscheidungsgründe abgefasst hat. Ich finde die Vorgehensweise ehrlich gesagt auch erstaunlich
https://rsw.beck.de/aktuell/daily/meldun...0W%2013/25).
Das ist nochmal etwas anderes. Hier ist der "Entwurf" signiert und verschickt worden.
Dass im Termin ein ausformulierter Entwurf vorliegt (natürlich nicht signiert und verschickt), ist beispielsweise beim OLG sehr üblich und unproblematisch. Nur ist das bei erstinstanzlichen Einzelrichtersachen höchst ineffektiv.
17.09.2025, 10:29
(17.09.2025, 09:54)Praktiker schrieb:(17.09.2025, 08:38)blabla1337 schrieb: In der Zivilgerichtsbarkeit gab es doch dieses Jahr einen Fall, wo eine Richterin als befangen abgelehnt wurde, weil sie schon vorher den Tatbestand und die Entscheidungsgründe abgefasst hat. Ich finde die Vorgehensweise ehrlich gesagt auch erstaunlich
https://rsw.beck.de/aktuell/daily/meldun...0W%2013/25).
Das ist nochmal etwas anderes. Hier ist der "Entwurf" signiert und verschickt worden.
Dass im Termin ein ausformulierter Entwurf vorliegt (natürlich nicht signiert und verschickt), ist beispielsweise beim OLG sehr üblich und unproblematisch. Nur ist das bei erstinstanzlichen Einzelrichtersachen höchst ineffektiv.
Der Vorwurf der Befangenheit gründet doch nicht in dem versehentlichen Verschicken, sondern in dem bloßen Umstand, dass man das Urteil schon vor der Verhandlung ausformuliert hat. Das mag in der Praxis teilweise üblich sein, "unproblematisch" finde ich das aber nicht. Dieses Vorgehen schafft psychologisch einen Ankereffekt, der zum Widerwillen beitragen kann, den bereits formulierten Entwurf doch noch einmal umzuschmeißen, weil sich in der Verhandlung etwas ergeben hat. Man geht dann eben nicht mehr ganz unbefangen an die Sache ran.
17.09.2025, 12:07
(17.09.2025, 10:29)Greif schrieb:(17.09.2025, 09:54)Praktiker schrieb:(17.09.2025, 08:38)blabla1337 schrieb: In der Zivilgerichtsbarkeit gab es doch dieses Jahr einen Fall, wo eine Richterin als befangen abgelehnt wurde, weil sie schon vorher den Tatbestand und die Entscheidungsgründe abgefasst hat. Ich finde die Vorgehensweise ehrlich gesagt auch erstaunlich
https://rsw.beck.de/aktuell/daily/meldun...0W%2013/25).
Das ist nochmal etwas anderes. Hier ist der "Entwurf" signiert und verschickt worden.
Dass im Termin ein ausformulierter Entwurf vorliegt (natürlich nicht signiert und verschickt), ist beispielsweise beim OLG sehr üblich und unproblematisch. Nur ist das bei erstinstanzlichen Einzelrichtersachen höchst ineffektiv.
Der Vorwurf der Befangenheit gründet doch nicht in dem versehentlichen Verschicken, sondern in dem bloßen Umstand, dass man das Urteil schon vor der Verhandlung ausformuliert hat. Das mag in der Praxis teilweise üblich sein, "unproblematisch" finde ich das aber nicht. Dieses Vorgehen schafft psychologisch einen Ankereffekt, der zum Widerwillen beitragen kann, den bereits formulierten Entwurf doch noch einmal umzuschmeißen, weil sich in der Verhandlung etwas ergeben hat. Man geht dann eben nicht mehr ganz unbefangen an die Sache ran.
Nein, im bloßen Ausformulieren gründet der Vorwurf sicherlich nicht, weil das OLG so selbst arbeitet und das bei Obergerichten auch eine sinnvolle Vorbereitung der Vorberatung sein kann - und weil jeder weiß, dass sich solche Entwürfe des Berichterstatters bei entsprechender Entwicklung im Termin noch ins Gegenteil wenden können.
Zitat: "Durch die versehentliche Übersendung des Urteilsentwurfs kann aus Sicht einer vernünftig denkenden Partei in der Rolle der Beklagten zu 2) zu Recht die Besorgnis hervorgerufen werden, die abgelehnte Richterin sei ihr gegenüber voreingenommen, weil sie sich bereits entschlossen habe, der Klage stattzugeben, wie aus dem (entworfenen) Urteilstenor zu entnehmen ist. [...] Es kommt hinzu, dass die abgelehnte Richterin als Einzelrichterin tätig war, so dass dem Urteilsentwurf auch nicht nur die Funktion eines kammerinternen verfahrensbegleitenden Vorschlags hätte zukommen können."
Nur ist es in ausgeschriebenen Verfahren in zweiter Instanz eben der große Ausnahmefall, dass der Termin Neues hervorbringt, und deshalb das Ausformulieren auch vom Aufwand her vertretbar. Beim Landgericht geht man eher mit Stichworten in die Kammerberatung, ich sage nur Aktenvortrag. Und als Einzelrichter reicht das allemal.
17.09.2025, 12:26
(17.09.2025, 12:07)Praktiker schrieb:(17.09.2025, 10:29)Greif schrieb:(17.09.2025, 09:54)Praktiker schrieb:(17.09.2025, 08:38)blabla1337 schrieb: In der Zivilgerichtsbarkeit gab es doch dieses Jahr einen Fall, wo eine Richterin als befangen abgelehnt wurde, weil sie schon vorher den Tatbestand und die Entscheidungsgründe abgefasst hat. Ich finde die Vorgehensweise ehrlich gesagt auch erstaunlich
https://rsw.beck.de/aktuell/daily/meldun...0W%2013/25).
Das ist nochmal etwas anderes. Hier ist der "Entwurf" signiert und verschickt worden.
Dass im Termin ein ausformulierter Entwurf vorliegt (natürlich nicht signiert und verschickt), ist beispielsweise beim OLG sehr üblich und unproblematisch. Nur ist das bei erstinstanzlichen Einzelrichtersachen höchst ineffektiv.
Der Vorwurf der Befangenheit gründet doch nicht in dem versehentlichen Verschicken, sondern in dem bloßen Umstand, dass man das Urteil schon vor der Verhandlung ausformuliert hat. Das mag in der Praxis teilweise üblich sein, "unproblematisch" finde ich das aber nicht. Dieses Vorgehen schafft psychologisch einen Ankereffekt, der zum Widerwillen beitragen kann, den bereits formulierten Entwurf doch noch einmal umzuschmeißen, weil sich in der Verhandlung etwas ergeben hat. Man geht dann eben nicht mehr ganz unbefangen an die Sache ran.
Nein, im bloßen Ausformulieren gründet der Vorwurf sicherlich nicht, weil das OLG so selbst arbeitet und das bei Obergerichten auch eine sinnvolle Vorbereitung der Vorberatung sein kann - und weil jeder weiß, dass sich solche Entwürfe des Berichterstatters bei entsprechender Entwicklung im Termin noch ins Gegenteil wenden können.
Zitat: "Durch die versehentliche Übersendung des Urteilsentwurfs kann aus Sicht einer vernünftig denkenden Partei in der Rolle der Beklagten zu 2) zu Recht die Besorgnis hervorgerufen werden, die abgelehnte Richterin sei ihr gegenüber voreingenommen, weil sie sich bereits entschlossen habe, der Klage stattzugeben, wie aus dem (entworfenen) Urteilstenor zu entnehmen ist. [...] Es kommt hinzu, dass die abgelehnte Richterin als Einzelrichterin tätig war, so dass dem Urteilsentwurf auch nicht nur die Funktion eines kammerinternen verfahrensbegleitenden Vorschlags hätte zukommen können."
Nur ist es in ausgeschriebenen Verfahren in zweiter Instanz eben der große Ausnahmefall, dass der Termin Neues hervorbringt, und deshalb das Ausformulieren auch vom Aufwand her vertretbar. Beim Landgericht geht man eher mit Stichworten in die Kammerberatung, ich sage nur Aktenvortrag. Und als Einzelrichter reicht das allemal.
Aus dem Zitat ergibt sich doch, dass der Umstand der Vorformulierung als solcher das Besorgnis der Befangenheit hervorgerufen hat (".. weil sie sich bereits entschlossen habe, der Klage stattzugeben, wie aus dem (entworfenen) Urteilstenor zu entnehmen ist."). Die Unterscheidung zwischen Einzelrichter und Kollegium mag angehen, generell finde ich eine Vorformulierung vor der Verhandlung aber kritikwürdig. "In der Praxis so üblich" ist kein rechtliches Argument.
Wer Richter auf Probe bzw. Staatsanwalt werden möchte, sollte sich mit dem Karriere-Dossier über die Einstellungschancen und Bewerbungsvoraussetzungen informieren. Das Karriere-Dossier ist als Print-Buch sowie als E-Book für alle 16 Bundesländer erhältlich:
https://www.juristenkoffer.de/richter/karriere-dossier-richter-staatsanwalt-werden.php
Und zur Vorbereitung auf das alles entscheidende Vorstellungsgespräch sollte man auf die vielen hunderten Erfahrungsberichte anderer Juristen zugreifen, die bereits das Bewerbungsverfahren erfolgreich absolviert haben.
https://www.juristenkoffer.de/richter/karriere-dossier-richter-staatsanwalt-werden.php
Und zur Vorbereitung auf das alles entscheidende Vorstellungsgespräch sollte man auf die vielen hunderten Erfahrungsberichte anderer Juristen zugreifen, die bereits das Bewerbungsverfahren erfolgreich absolviert haben.
17.09.2025, 12:37
(17.09.2025, 12:26)Greif schrieb:(17.09.2025, 12:07)Praktiker schrieb:(17.09.2025, 10:29)Greif schrieb:(17.09.2025, 09:54)Praktiker schrieb:(17.09.2025, 08:38)blabla1337 schrieb: In der Zivilgerichtsbarkeit gab es doch dieses Jahr einen Fall, wo eine Richterin als befangen abgelehnt wurde, weil sie schon vorher den Tatbestand und die Entscheidungsgründe abgefasst hat. Ich finde die Vorgehensweise ehrlich gesagt auch erstaunlich
https://rsw.beck.de/aktuell/daily/meldun...0W%2013/25).
Das ist nochmal etwas anderes. Hier ist der "Entwurf" signiert und verschickt worden.
Dass im Termin ein ausformulierter Entwurf vorliegt (natürlich nicht signiert und verschickt), ist beispielsweise beim OLG sehr üblich und unproblematisch. Nur ist das bei erstinstanzlichen Einzelrichtersachen höchst ineffektiv.
Der Vorwurf der Befangenheit gründet doch nicht in dem versehentlichen Verschicken, sondern in dem bloßen Umstand, dass man das Urteil schon vor der Verhandlung ausformuliert hat. Das mag in der Praxis teilweise üblich sein, "unproblematisch" finde ich das aber nicht. Dieses Vorgehen schafft psychologisch einen Ankereffekt, der zum Widerwillen beitragen kann, den bereits formulierten Entwurf doch noch einmal umzuschmeißen, weil sich in der Verhandlung etwas ergeben hat. Man geht dann eben nicht mehr ganz unbefangen an die Sache ran.
Nein, im bloßen Ausformulieren gründet der Vorwurf sicherlich nicht, weil das OLG so selbst arbeitet und das bei Obergerichten auch eine sinnvolle Vorbereitung der Vorberatung sein kann - und weil jeder weiß, dass sich solche Entwürfe des Berichterstatters bei entsprechender Entwicklung im Termin noch ins Gegenteil wenden können.
Zitat: "Durch die versehentliche Übersendung des Urteilsentwurfs kann aus Sicht einer vernünftig denkenden Partei in der Rolle der Beklagten zu 2) zu Recht die Besorgnis hervorgerufen werden, die abgelehnte Richterin sei ihr gegenüber voreingenommen, weil sie sich bereits entschlossen habe, der Klage stattzugeben, wie aus dem (entworfenen) Urteilstenor zu entnehmen ist. [...] Es kommt hinzu, dass die abgelehnte Richterin als Einzelrichterin tätig war, so dass dem Urteilsentwurf auch nicht nur die Funktion eines kammerinternen verfahrensbegleitenden Vorschlags hätte zukommen können."
Nur ist es in ausgeschriebenen Verfahren in zweiter Instanz eben der große Ausnahmefall, dass der Termin Neues hervorbringt, und deshalb das Ausformulieren auch vom Aufwand her vertretbar. Beim Landgericht geht man eher mit Stichworten in die Kammerberatung, ich sage nur Aktenvortrag. Und als Einzelrichter reicht das allemal.
Aus dem Zitat ergibt sich doch, dass der Umstand der Vorformulierung als solcher das Besorgnis der Befangenheit hervorgerufen hat (".. weil sie sich bereits entschlossen habe, der Klage stattzugeben, wie aus dem (entworfenen) Urteilstenor zu entnehmen ist."). Die Unterscheidung zwischen Einzelrichter und Kollegium mag angehen, generell finde ich eine Vorformulierung vor der Verhandlung aber kritikwürdig. "In der Praxis so üblich" ist kein rechtliches Argument.
In der Verwaltungs- und Finanzgerichtsbarkeit ist es bei Kammer- bzw. Senatssachen üblich und auch sinnvoll, da es in der Regel ohnehin um Rechtsfragen geht. Ich habe es noch nie erlebt, dass dann in der mV DAS Argument aufgekommen wäre, auf das bis dato niemand gekommen ist und das alles ändert. Es ist, gerade im Gegenteil, sogar häufig so, dass das Gericht die rechtlichen Probleme ganz woanders sieht als die Beteiligten. Und gerade in solchen Fällen ist es in einem Kollegialspruchkörper sinnvoll, alles ausformuliert und damit auch nochmal gründlich durchdacht zu haben.
17.09.2025, 12:45
(17.09.2025, 12:37)Pontifex Maximus schrieb:(17.09.2025, 12:26)Greif schrieb:(17.09.2025, 12:07)Praktiker schrieb:(17.09.2025, 10:29)Greif schrieb:(17.09.2025, 09:54)Praktiker schrieb: Das ist nochmal etwas anderes. Hier ist der "Entwurf" signiert und verschickt worden.
Dass im Termin ein ausformulierter Entwurf vorliegt (natürlich nicht signiert und verschickt), ist beispielsweise beim OLG sehr üblich und unproblematisch. Nur ist das bei erstinstanzlichen Einzelrichtersachen höchst ineffektiv.
Der Vorwurf der Befangenheit gründet doch nicht in dem versehentlichen Verschicken, sondern in dem bloßen Umstand, dass man das Urteil schon vor der Verhandlung ausformuliert hat. Das mag in der Praxis teilweise üblich sein, "unproblematisch" finde ich das aber nicht. Dieses Vorgehen schafft psychologisch einen Ankereffekt, der zum Widerwillen beitragen kann, den bereits formulierten Entwurf doch noch einmal umzuschmeißen, weil sich in der Verhandlung etwas ergeben hat. Man geht dann eben nicht mehr ganz unbefangen an die Sache ran.
Nein, im bloßen Ausformulieren gründet der Vorwurf sicherlich nicht, weil das OLG so selbst arbeitet und das bei Obergerichten auch eine sinnvolle Vorbereitung der Vorberatung sein kann - und weil jeder weiß, dass sich solche Entwürfe des Berichterstatters bei entsprechender Entwicklung im Termin noch ins Gegenteil wenden können.
Zitat: "Durch die versehentliche Übersendung des Urteilsentwurfs kann aus Sicht einer vernünftig denkenden Partei in der Rolle der Beklagten zu 2) zu Recht die Besorgnis hervorgerufen werden, die abgelehnte Richterin sei ihr gegenüber voreingenommen, weil sie sich bereits entschlossen habe, der Klage stattzugeben, wie aus dem (entworfenen) Urteilstenor zu entnehmen ist. [...] Es kommt hinzu, dass die abgelehnte Richterin als Einzelrichterin tätig war, so dass dem Urteilsentwurf auch nicht nur die Funktion eines kammerinternen verfahrensbegleitenden Vorschlags hätte zukommen können."
Nur ist es in ausgeschriebenen Verfahren in zweiter Instanz eben der große Ausnahmefall, dass der Termin Neues hervorbringt, und deshalb das Ausformulieren auch vom Aufwand her vertretbar. Beim Landgericht geht man eher mit Stichworten in die Kammerberatung, ich sage nur Aktenvortrag. Und als Einzelrichter reicht das allemal.
Aus dem Zitat ergibt sich doch, dass der Umstand der Vorformulierung als solcher das Besorgnis der Befangenheit hervorgerufen hat (".. weil sie sich bereits entschlossen habe, der Klage stattzugeben, wie aus dem (entworfenen) Urteilstenor zu entnehmen ist."). Die Unterscheidung zwischen Einzelrichter und Kollegium mag angehen, generell finde ich eine Vorformulierung vor der Verhandlung aber kritikwürdig. "In der Praxis so üblich" ist kein rechtliches Argument.
In der Verwaltungs- und Finanzgerichtsbarkeit ist es bei Kammer- bzw. Senatssachen üblich und auch sinnvoll, da es in der Regel ohnehin um Rechtsfragen geht. Ich habe es noch nie erlebt, dass dann in der mV DAS Argument aufgekommen wäre, auf das bis dato niemand gekommen ist und das alles ändert. Es ist, gerade im Gegenteil, sogar häufig so, dass das Gericht die rechtlichen Probleme ganz woanders sieht als die Beteiligten. Und gerade in solchen Fällen ist es in einem Kollegialspruchkörper sinnvoll, alles ausformuliert und damit auch nochmal gründlich durchdacht zu haben.
Ich bestreite nicht, dass das Vorformulieren praktisch einen Sinn hat - sonst würde es ja niemand machen. Nur weil es praktisch, üblich und sinnvoll ist, heißt das aber nicht, dass es nicht zugleich - aus anderen Gründen (hier: Befangenheit) - rechtsstaatlich kritikwürdig sein kann.
Im Gegenteil ist es doch grade der Regelfall, dass Befangenheit begründendes Verhalten aus Praktikabilität vorgenommen wird (Richter und Staatsanwalt beschnacken kurz in der Kantine, wie es weitergeht usw.).
17.09.2025, 13:03
Um es noch etwas zu verdeutlichen: Für die Abstimmung ist sogar gesetzlich vorgesehen, dass der Berichterstatter zuerst stimmt (197 GVG). Der Ablauf der Beratung im Übrigen ist dem Gericht überlassen (194 GVG). Dass der Berichterstatter einen Aktenvortrag samt Entscheidungsvorschlag hält, ist sogar Ausbildungs- und Prüfungsgegenstand. Dass es ausformulierte Entscheidungsentwürfe in Vorbereitung auf den Termin gibt, ist vor diesem Hintergrund keine in der Praxis eingerissene Unsitte, die bedenklich wäre, sondern lege artis und begründet daher keinesfalls den Vorwurf der Befangenheit. Das sieht, wie zitiert, im konkreten Fall auch das OLG so. Warum sollte denn ein mündlicher Aktenvortrag OK sein, ein ausformuliertes Votum aber Zweifel an der Unparteilichkeit wecken? Das ist nur dann der Fall, wenn es gerade nicht mehr den Eindruck eines Vorschlags erweckt, sondern einer Vorfestlegung.Hier durch Unterzeichnen und Übersenden.
Nur ist diese ausführliche Vorbereitung in vielen Fällen übertrieben aufwändig und in Einzelrichtersachen geradezu groteske Ressourcenverschwendung. Und darum ging es ja vor allem. Wer es darüber hinaus auch rechtsstaatlich bedenklich findet, seine Gedanken niederzuschreiben, lässt es halt auch aus diesem Grund sein. Spätestens in der Erprobungsabordnung kann es allerdings schwierig werden.
Nur ist diese ausführliche Vorbereitung in vielen Fällen übertrieben aufwändig und in Einzelrichtersachen geradezu groteske Ressourcenverschwendung. Und darum ging es ja vor allem. Wer es darüber hinaus auch rechtsstaatlich bedenklich findet, seine Gedanken niederzuschreiben, lässt es halt auch aus diesem Grund sein. Spätestens in der Erprobungsabordnung kann es allerdings schwierig werden.