21.11.2024, 12:34
Hallo,
ich bin Proberichterin am VG und mir läuft mein Dezernat ein wenig mit Asyl zu. Zwar sind das keine schwierigen Fälle, aber eben viele. Daher die Frage an die Richter am VG hier: Habt ihr eine gute Strategie oder Tipps, um die Flut an Asylverfahren in den Griff zu bekommen? Insbesondere Tipps für die Verhandlungen? Bei mir ufern die Anhörungen nämlich immer aus, weil ich die Kläger nicht verstehe (sondern erst nach Übersetzung) und die Kläger dann teilweise Dinge erzählen, die nicht flüchtlingsrelevant sind. Wäre für jede Hilfe dankbar :)
ich bin Proberichterin am VG und mir läuft mein Dezernat ein wenig mit Asyl zu. Zwar sind das keine schwierigen Fälle, aber eben viele. Daher die Frage an die Richter am VG hier: Habt ihr eine gute Strategie oder Tipps, um die Flut an Asylverfahren in den Griff zu bekommen? Insbesondere Tipps für die Verhandlungen? Bei mir ufern die Anhörungen nämlich immer aus, weil ich die Kläger nicht verstehe (sondern erst nach Übersetzung) und die Kläger dann teilweise Dinge erzählen, die nicht flüchtlingsrelevant sind. Wäre für jede Hilfe dankbar :)
Wer Richter auf Probe bzw. Staatsanwalt werden möchte, sollte sich mit dem Karriere-Dossier über die Einstellungschancen und Bewerbungsvoraussetzungen informieren. Das Karriere-Dossier ist als Print-Buch sowie als E-Book für alle 16 Bundesländer erhältlich:
https://www.juristenkoffer.de/richter/karriere-dossier-richter-staatsanwalt-werden.php
Und zur Vorbereitung auf das alles entscheidende Vorstellungsgespräch sollte man auf die vielen hunderten Erfahrungsberichte anderer Juristen zugreifen, die bereits das Bewerbungsverfahren erfolgreich absolviert haben.
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Und zur Vorbereitung auf das alles entscheidende Vorstellungsgespräch sollte man auf die vielen hunderten Erfahrungsberichte anderer Juristen zugreifen, die bereits das Bewerbungsverfahren erfolgreich absolviert haben.
21.11.2024, 12:50
Auch auf die Gefahr hin, dass es hier wieder ein riesige Diskussion gibt: mMn nach gehört es zu einer stringenten Verhandlungsführung in Asylsachen dazu, für die Entscheidung nicht relevante Sachen sofort abzubinden. Man kann und sollte das natürlich freundlich machen (sofort unterbrechen und zB sagen "Auch wenn es ihnen ein Anliegen ist, kommt es darauf hier und heute nicht an. Wir sprechen heute nur darüber, was ihnen in im Heimatland geschehen ist und sie zur Flucht bewogen hat"), ist als Asylrichter ansonsten aber sicher kein allgemeiner Kummerkasten. Und auch bei den möglicherweise relevanten Schilderungen kann man die Leute anhalten, zum Punkt zu kommen und nicht auszuschweifen. Für alles, was nichts mit dem Prozess zu tun hat, gilt das sowieso. Die Kläger kommen ja zB häufig mit irgendwelchen ausländerrechtlichen Fragen oder so um die Ecke. Unabhängig davon, dass man ohnehin keine Rechtsberatung machen darf, sind dafür die Anwälte zuständig (bzw wären zu fragen, wenn sie keinen haben).
21.11.2024, 15:17
(21.11.2024, 12:34)ReffiNRW75 schrieb: Hallo,
ich bin Proberichterin am VG und mir läuft mein Dezernat ein wenig mit Asyl zu. Zwar sind das keine schwierigen Fälle, aber eben viele. Daher die Frage an die Richter am VG hier: Habt ihr eine gute Strategie oder Tipps, um die Flut an Asylverfahren in den Griff zu bekommen? Insbesondere Tipps für die Verhandlungen? Bei mir ufern die Anhörungen nämlich immer aus, weil ich die Kläger nicht verstehe (sondern erst nach Übersetzung) und die Kläger dann teilweise Dinge erzählen, die nicht flüchtlingsrelevant sind. Wäre für jede Hilfe dankbar :)
Ich kenne mich natürlich mit eurer Situation vor Ort nicht aus, aber hier arbeiten wir sehr spezialisiert bezüglich der Herkunftsländer. Dadurch habe ich absolut bevorzugte Dolmetscher, die ich immer heranziehe. Sonst kommt nur Murks heraus und es dauert viel länger.
Ansonsten: immer am Ball bleiben und auch unterbrechen, wenn das Geschildete für keine Tatbestandsvoraussetzung der Prüfungspunkte maßgeblich ist. Vor allem keine reine Wiederholung des Vortrags beim Bundesamt oder der Klagebegründung anhören, wenn der Wahrheitsgehalt nicht mal wirklich zweifelhaft ist. Du musst dir nicht die komplette Geschichte noch mal anhören, du kannst auch konkrete Nachfragen stellen (bitte aber Fortbildungen usw. zu Vernehmungstechnik besuchen, die bei euch hoffentlich angeboten werden).
Wenn du mit verschiedenen Herkunftsländern zu tun hast: Pakete bilden und an einem Tag bzw. in einem Monat nur bestimmte Länder und möglichst auch Themen abarbeiten.
Mach am Anfang auch bitte nicht den Fehler, die Fälle per se für "einfach" zu halten. Das sind sie häufig nicht mal rechtlich. Und auf Tatsachenebene auch nicht. Was ich teilweise bei juris von Kollegen finde, ist leider abenteuerlich (Textbausteine aus 2021 verwendet, die durch neuere EuGH Rechtsprechung oder BVerwG völlig überholt sind, Tatsachengrundlage von vor 2 Jahren obwohl es erhebliche Änderungen gab etc.).
21.11.2024, 19:46
(21.11.2024, 12:50)Pontifex Maximus schrieb: Auch auf die Gefahr hin, dass es hier wieder ein riesige Diskussion gibt: mMn nach gehört es zu einer stringenten Verhandlungsführung in Asylsachen dazu, für die Entscheidung nicht relevante Sachen sofort abzubinden. Man kann und sollte das natürlich freundlich machen (sofort unterbrechen und zB sagen "Auch wenn es ihnen ein Anliegen ist, kommt es darauf hier und heute nicht an. Wir sprechen heute nur darüber, was ihnen in im Heimatland geschehen ist und sie zur Flucht bewogen hat"), ist als Asylrichter ansonsten aber sicher kein allgemeiner Kummerkasten. Und auch bei den möglicherweise relevanten Schilderungen kann man die Leute anhalten, zum Punkt zu kommen und nicht auszuschweifen. Für alles, was nichts mit dem Prozess zu tun hat, gilt das sowieso. Die Kläger kommen ja zB häufig mit irgendwelchen ausländerrechtlichen Fragen oder so um die Ecke. Unabhängig davon, dass man ohnehin keine Rechtsberatung machen darf, sind dafür die Anwälte zuständig (bzw wären zu fragen, wenn sie keinen haben).+ 1
Du überprüfst ja nur den Bescheid auf seine Rechtmäßigkeit und musst kein 2. Verwaltungsverfahren durchführen.
Ich fange immer mit dem Satz an, dass ich ja die BAMF-Akte kenne und v.a. das Anhörungsprotokoll gelesen hätte. D.h. bitte ich, nur Neues zu ergänzen bzw Falsches zu korrigieren. Wenn die Kläger dann doch nochmal alles erzählen wollen, unterbreche ich freundlich und sage, dass ich das alles schon gelesen hätte. Wurde bis jetzt immer akzeptiert. Dann stelle ich noch meine Fragen bzw der RA seine und dann kommen wir zu den Anträgen, selten auch zu den Beweisanträgen.
IdR setze ich in den Ladungen auch eine 87b-Frist.
21.11.2024, 22:33
Aber wie sieht denn dann konkret deine Anhörung aus? Ich habe es bis jetzt immer so gemacht, dass der Kläger seine Fluchtgründe einfach nochmal schildert und ich dann nachfragen stelle. Nur so kann ich ja auch schauen, ob er sich in Widersprüche zu seinen Angaben beim Bundesamt verstrickt. Oder stellt du wirklich einfach im Rahmen der Anhörung nur gezielte Nachfragen zu einzelnen Punkten?
21.11.2024, 22:50
Letzteres. Ich spreche nur die Punkte an, die ich für zweifelhaft halte. Ansonsten wirst du nie fertig.
22.11.2024, 07:54
22.11.2024, 09:55
Man muss sich halt bewusst machen, dass die Kläger schon ausführlich durch das BAMF (meist mehrere Stunden) angehört wurden und man hier kein 2. Verwaltungsverfahren durchführt. Und dass Art. 19 IV GG nicht bedeutet, dass Kläger schon Bekanntes endlos wiederholen dürfen. Ansonsten landet man je nach Anwalt auch mal in der Filibuster-Falle (obstruktive Endlosrede), wie es einigen jüngeren Kollegen von mir schon passiert ist…Und dann kommt der Anwalt nach 4h Zermürbungstaktik mit seinen Beweisanträgen um die Ecke und produziert Verfahrensfehler. Nicht der Normalfall und auch nicht seriös, aber letztlich auch eine Folge zu nachgiebiger Verhandlungsführung. Im Regelfall verschwendest du durch zu langes Redenlassen einfach viel Zeit. Dem kannst du zuvorkommen, indem du direkt mit deinen Fragen zu den wackeligen bzw unklaren Punkten anfängst. Wie gesagt, das gab bei mir in fast 10 Jahren noch nie Probleme, auch bei schwierigen Anwälten.