07.02.2023, 15:27
Hallo zusammen,
ich hab kürzlich mein 2. Examen mit einer für mich überraschend guten Note abgeschlossen (9,2 Punkte) und bin nun etwas erschlagen von den Möglichkeiten die ich so habe. Eigentlich hat mich der Richterberuf immer gereizt, ich hab mich aber nie wirklich getraut das als richtigen Plan für die Zukunft festzulegen. Mein 1. Examen war mit 8,0 (7,6 staatlich) zwar nicht schlecht, aber doch weit weg von einer realistischen Chance auf die Justiz.
Jetzt hätte ich wohl Chancen, merke aber dass ich ein wenig zögere. Meine Zivilstation war leider enorm von Corona geprägt, gefühlt habe ich also vom "richtigen" Arbeitsalltag in der Justiz wenig mitbekommen. Hier lese ich nun immer wieder die Bezahlung sei so fürchterlich für die Arbeitsbelastung die man als Richter hat. Auch wenn das natürlich von Gericht zu Gericht und auch von Richter zu Richter verschieden ist, wollte ich einmal Fragen was das bei euch KONKRET heißt. Wie viele Akten habt ihr morgens auf dem Tisch? Wie viele Verhandlungen pro Woche? Wie viele Urteile müsst ihr wöchentlich schreiben? Wie viele sonstige Schriftsätze? Was kostet euch sonst noch Zeit?
In meinem Freundes- und Bekanntenkreis hat sich leider niemand für die Justiz entschieden, ich wäre daher für jede Erfahrung dankbar
ich hab kürzlich mein 2. Examen mit einer für mich überraschend guten Note abgeschlossen (9,2 Punkte) und bin nun etwas erschlagen von den Möglichkeiten die ich so habe. Eigentlich hat mich der Richterberuf immer gereizt, ich hab mich aber nie wirklich getraut das als richtigen Plan für die Zukunft festzulegen. Mein 1. Examen war mit 8,0 (7,6 staatlich) zwar nicht schlecht, aber doch weit weg von einer realistischen Chance auf die Justiz.
Jetzt hätte ich wohl Chancen, merke aber dass ich ein wenig zögere. Meine Zivilstation war leider enorm von Corona geprägt, gefühlt habe ich also vom "richtigen" Arbeitsalltag in der Justiz wenig mitbekommen. Hier lese ich nun immer wieder die Bezahlung sei so fürchterlich für die Arbeitsbelastung die man als Richter hat. Auch wenn das natürlich von Gericht zu Gericht und auch von Richter zu Richter verschieden ist, wollte ich einmal Fragen was das bei euch KONKRET heißt. Wie viele Akten habt ihr morgens auf dem Tisch? Wie viele Verhandlungen pro Woche? Wie viele Urteile müsst ihr wöchentlich schreiben? Wie viele sonstige Schriftsätze? Was kostet euch sonst noch Zeit?
In meinem Freundes- und Bekanntenkreis hat sich leider niemand für die Justiz entschieden, ich wäre daher für jede Erfahrung dankbar

Erste Infos zum Bewerbungsverfahren für den Justizdienst findest Du auf den Richter-Infoseiten von Juristenkoffer.de:
https://www.juristenkoffer.de/richter/
Darüber hinaus sollte man sich dann mit dem Karriere-Dossier über die Einstellungschancen und Bewerbungsvoraussetzungen informieren. Optional besteht zudem die Möglichkeit, auf die vielen hunderten Erfahrungsberichte anderer Juristen zuzugreifen, die bereits das Bewerbungsverfahren erfolgreich absolviert haben:
https://www.juristenkoffer.de/richter/karriere-dossier-richter-staatsanwalt-werden.php
https://www.juristenkoffer.de/richter/
Darüber hinaus sollte man sich dann mit dem Karriere-Dossier über die Einstellungschancen und Bewerbungsvoraussetzungen informieren. Optional besteht zudem die Möglichkeit, auf die vielen hunderten Erfahrungsberichte anderer Juristen zuzugreifen, die bereits das Bewerbungsverfahren erfolgreich absolviert haben:
https://www.juristenkoffer.de/richter/karriere-dossier-richter-staatsanwalt-werden.php
07.02.2023, 16:08
Das ist so individuell, dass dir da die Antworten nicht viel helfen werden. Gerade anfangs sind sicherlich viele von morgens bis spät abends im Gericht und arbeiten am Wochenende. Kommt natürlich auch immer drauf an, wie entscheidungsfreudig du bist, ob du effizient arbeitest, wie dein Referat aussieht, usw.
Wenn dich der Job reizt, probier es doch einfach aus. Gehen kannst du immer noch wieder
Wenn dich der Job reizt, probier es doch einfach aus. Gehen kannst du immer noch wieder
07.02.2023, 17:57
Der Berufsalltag eines Richters unterscheidet sich ganz erheblich in Abhängigkeit von Gerichtsbarkeit, Bundesland, Zustand des übernommenen Referats und eigener Erfahrung. Du wirst - sofern Du Dich für die Justiz entscheidest - mit ganz individuellen Problemen, Chancen und Herausforderungen konfrontiert sehen, die man kaum antizipieren kann.
Ich persönlich bin damals - ohne mich vorher en detail informiert zu haben - ins kalte Wasser gesprungen und habe es nicht bereut. Über das Berufsbild des Richters gibt es m.E. in Hülle und Fülle im Internet Informationen. Vielleicht bietet es sich auch an, mit seinen Ausbildungsrichtern oder -staatsanwälten Kontakt aufzunehmen und dort mal nachzufragen. An Deiner Stelle würde ich es einfach mal drauf ankommen lassen und schauen, wie es Dir gefällt. Zu viele Ratschläge in die eine oder andere Richtung verwirren vermutlich eher, als dass sie Dir wirklich nützen.
Ich persönlich bin damals - ohne mich vorher en detail informiert zu haben - ins kalte Wasser gesprungen und habe es nicht bereut. Über das Berufsbild des Richters gibt es m.E. in Hülle und Fülle im Internet Informationen. Vielleicht bietet es sich auch an, mit seinen Ausbildungsrichtern oder -staatsanwälten Kontakt aufzunehmen und dort mal nachzufragen. An Deiner Stelle würde ich es einfach mal drauf ankommen lassen und schauen, wie es Dir gefällt. Zu viele Ratschläge in die eine oder andere Richtung verwirren vermutlich eher, als dass sie Dir wirklich nützen.
07.02.2023, 21:08
Man kann sich durch dieses Forum schon sehr verrückt machen, das stimmt. Allerdings hat sich bei mir so ziemlich alles bewahrheitet, was hier im Forum geschrieben wird. Ich bin Richter auf Probe und derzeit in einer Zivilkammer. Ich muss im Schnitt 55-60h in der Woche arbeiten, Wochenendarbeit incl. Das ist bei uns aber "normal"- geht den meisten Proberichtern so. Man muss es mögen. Ich blicke in den Terminkalender und sehe, dass die Woche noch drei Urteile, 4 Voten 5 Verhandlungen anstehen. Da kann einem der Schweiß runter laufen oder man denkt sich "Papier ist geduldig". Letzteres muss leider der Fall sein, sonst geht man hier sang und klanglos unter. Und wer auch nur annähernd glaubt, dass man in der Justiz "Jura" machen kann, der wird böses Erwachen erleben. Man hat so gut wie gar keine Zeit sich auch nur annähernd mit einem Fall zu beschäftigen. Ich habe 300 laufende Verfahren zzgl. Neuzugänge. Ich habe einen täglichen Zutrag von 20-30 Akten, teilweise Gürteltiere. Wer soll das jemals nach BESTEN Wissen und Gewissen entscheiden?
07.02.2023, 21:58
Ich kann mich den Vorschreibern dahingehend anschließen, dass das sehr individuell ist und von vielen Parametern abhängt.
Ich bin derzeit in einer Zivilkammer als Proberichter tätig und komme eigentlich gut klar. Arbeite im Schnitt 8,5-9 Stunden am Tag, am Wochenende nur hin und wieder mal ein bisschen. Ich habe einen Sitzungstag mit Einzelrichtersachen (meist 2-3) und oft noch einen Kammertag, an dem aber nicht immer nur eigene Sachen verhandelt werden.
Ich kann auch absolut nicht bestätigen, dass man nicht juristisch arbeiten würde. Ich habe schon auch mal Zeit dafür, eine Rechtsfrage intensiv zu erörtern. Urteile schreibe ich nicht jede Woche, da ich recht viel durch Vergleich erledigen kann.
Im Fach liegen jeden Tag ca. 15-20 Akten, wobei manche in zehn Sekunden wieder abgearbeitet sind, manche ganze Tage brauchen.
Fazit: Es ist sehr, sehr verschieden und kommt auf Gericht, Dezernat, Rechtsgebiet und deine eigene Arbeitseinstellung an.
Ich bin derzeit in einer Zivilkammer als Proberichter tätig und komme eigentlich gut klar. Arbeite im Schnitt 8,5-9 Stunden am Tag, am Wochenende nur hin und wieder mal ein bisschen. Ich habe einen Sitzungstag mit Einzelrichtersachen (meist 2-3) und oft noch einen Kammertag, an dem aber nicht immer nur eigene Sachen verhandelt werden.
Ich kann auch absolut nicht bestätigen, dass man nicht juristisch arbeiten würde. Ich habe schon auch mal Zeit dafür, eine Rechtsfrage intensiv zu erörtern. Urteile schreibe ich nicht jede Woche, da ich recht viel durch Vergleich erledigen kann.
Im Fach liegen jeden Tag ca. 15-20 Akten, wobei manche in zehn Sekunden wieder abgearbeitet sind, manche ganze Tage brauchen.
Fazit: Es ist sehr, sehr verschieden und kommt auf Gericht, Dezernat, Rechtsgebiet und deine eigene Arbeitseinstellung an.
07.02.2023, 23:43
Am WE sollte man als Richter nicht arbeiten.
08.02.2023, 08:08
Vielen Dank für die Einblicke! Es hilft mir auf jeden Fall nochmal ein paar Zahlen zu hören.
Von der Arbeitsweise her halte ich mich persönlich für relativ schnell und effektiv, aber das denken sicherlich eine Menge Leute von sich, werde ich dann sehen ob es sich bewahrheitet. Anfangs würde ich auch erwarten dass man mal 50h+ dransitzt, aber als jahrelangen Dauerzustand möchte ich das definitiv nicht.
Von der Arbeitsweise her halte ich mich persönlich für relativ schnell und effektiv, aber das denken sicherlich eine Menge Leute von sich, werde ich dann sehen ob es sich bewahrheitet. Anfangs würde ich auch erwarten dass man mal 50h+ dransitzt, aber als jahrelangen Dauerzustand möchte ich das definitiv nicht.
08.02.2023, 17:45
08.02.2023, 17:57
(08.02.2023, 17:45)ProbeRi schrieb:(07.02.2023, 23:43)omnimodo schrieb: Am WE sollte man als Richter nicht arbeiten.
Tun aber sehr viele
Was mich ersnthaft interessiert:
Was hält einen eigentlich davon ab nur in der Zeit zu arbeiten die zulässig ist und vom Dienstherrn gefordert werden darf? (42,5 Stunden?)
Innerhalb dieser Zeit wird diszipliniert und zügig gearbeitet. Danach lässt man den Stift fallen. Wenn die Akten dann über den Kopf wachsen ist das doch das Problem des Dienstherrn der für adäquate Personaldecke zu sorgen hat und nicht die des, pflichtbewussten, Staatsdieners.
Ich verstehe nicht warum in der Justiz offenbar die Vorstellung vorherrscht man müsse die Defizite des Systems durch Selbstausbeutung kompensieren. Das funktioniert ohnehin nicht, warum es also versuchen?
08.02.2023, 19:25
(08.02.2023, 17:57)wacaffe schrieb:(08.02.2023, 17:45)ProbeRi schrieb:(07.02.2023, 23:43)omnimodo schrieb: Am WE sollte man als Richter nicht arbeiten.
Tun aber sehr viele
Was mich ersnthaft interessiert:
Was hält einen eigentlich davon ab nur in der Zeit zu arbeiten die zulässig ist und vom Dienstherrn gefordert werden darf? (42,5 Stunden?)
Innerhalb dieser Zeit wird diszipliniert und zügig gearbeitet. Danach lässt man den Stift fallen. Wenn die Akten dann über den Kopf wachsen ist das doch das Problem des Dienstherrn der für adäquate Personaldecke zu sorgen hat und nicht die des, pflichtbewussten, Staatsdieners.
Ich verstehe nicht warum in der Justiz offenbar die Vorstellung vorherrscht man müsse die Defizite des Systems durch Selbstausbeutung kompensieren. Das funktioniert ohnehin nicht, warum es also versuchen?
Weil einem das Dezernat dann komplett absäuft. Die obige Vorgehensweise lässt sich leicht vorschlagen, wenn man dann in der Situation ist, ist der Druck trotzdem da. Angeklagte in U-Haft, Eildienste, Neueingänge, Urteilsfristen etc pp. Wenn man beurteilt wird, ist es auch nicht so toll, wenn das Dezernat abgesoffen ist.
Wenn man mal bei den Staatsanwälten ins Büro guckt und da 4 Stapel Akten liegen, ist das sicherlich auch schwer zu ignorieren und übt Druck aus.