04.12.2022, 15:49
Liebe alle,
Ich will absolut nicht sagen, dass wir einen stumpfen Job haben, aber die Routine hat sich doch relativ schnell eingeschlichen. Dabei müsste sich doch jeder im Bereich M&A oder Compliance sich der gleichen Frage ausgesetzt sehen (wenngleich ich diesen Bereich nicht en détail kenne, angeblich soll es aber auch immer die gleiche Fließbandarbeit sein).
Happy to discuss!
ich möchte insbesondere diejenigen in den GK ansprechen, die zum Großteil Fließbandarbeit abfertigen (etwa Litigation in Massenverfahren) oder in einem Bereich tätig sind, wo man mit der eigentlichen Juristerei praktisch nichts mehr zu tun hat (etwa Investigations).
Ist die darin angelegte Verstumpfung der weiteren Karriere abträglich? In meiner jetzigen Kanzlei (GK in FFM) habe ich zwar gute Karriereaussichten, aber ich frage mich, ob die ersten Lehrjahre nicht zu kostbar sind, als sie für solche nicht sonderlich herausfordernden Aufgaben zu verschwenden, auch wenn man dabei hervorragend verdient.
Anders gefragt: Ist man irgendwann für den weiteren Arbeitsmarkt verbraucht?
Ich würde meinen nein: Wir Juristen werden zum Generalissimus ausgebildet, von dem man erwartet, dass er sich zügig in neue Rechtsgebiete und Fragestellungen einarbeitet. Der Dienstherr erwartet von einem Richter ja auch, dass dieser bei Bedarf noch am Freitag Mietrecht macht und am Montag in eine Strafkammer versetzen werden kann, um ein Jahr später ggf. in einer Baurechtskammer enden.
Ich will absolut nicht sagen, dass wir einen stumpfen Job haben, aber die Routine hat sich doch relativ schnell eingeschlichen. Dabei müsste sich doch jeder im Bereich M&A oder Compliance sich der gleichen Frage ausgesetzt sehen (wenngleich ich diesen Bereich nicht en détail kenne, angeblich soll es aber auch immer die gleiche Fließbandarbeit sein).
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04.12.2022, 20:26
(04.12.2022, 15:49)Principal schrieb: Liebe alle,
ich möchte insbesondere diejenigen in den GK ansprechen, die zum Großteil Fließbandarbeit abfertigen (etwa Litigation in Massenverfahren) oder in einem Bereich tätig sind, wo man mit der eigentlichen Juristerei praktisch nichts mehr zu tun hat (etwa Investigations).
Ist die darin angelegte Verstumpfung der weiteren Karriere abträglich? In meiner jetzigen Kanzlei (GK in FFM) habe ich zwar gute Karriereaussichten, aber ich frage mich, ob die ersten Lehrjahre nicht zu kostbar sind, als sie für solche nicht sonderlich herausfordernden Aufgaben zu verschwenden, auch wenn man dabei hervorragend verdient.
Anders gefragt: Ist man irgendwann für den weiteren Arbeitsmarkt verbraucht?
Ich würde meinen nein: Wir Juristen werden zum Generalissimus ausgebildet, von dem man erwartet, dass er sich zügig in neue Rechtsgebiete und Fragestellungen einarbeitet. Der Dienstherr erwartet von einem Richter ja auch, dass dieser bei Bedarf noch am Freitag Mietrecht macht und am Montag in eine Strafkammer versetzen werden kann, um ein Jahr später ggf. in einer Baurechtskammer enden.
Ich will absolut nicht sagen, dass wir einen stumpfen Job haben, aber die Routine hat sich doch relativ schnell eingeschlichen. Dabei müsste sich doch jeder im Bereich M&A oder Compliance sich der gleichen Frage ausgesetzt sehen (wenngleich ich diesen Bereich nicht en détail kenne, angeblich soll es aber auch immer die gleiche Fließbandarbeit sein).
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Machst du so eine triviale Arbeit wie von dir beschrieben?
Ich habe knapp zwei Jahre in einer GK verbracht und bin fachlich trotz vorherigem Schwerpunkt, Diss und Lehrstuhltätigkeit in dem Bereich oft echt ins Schwitzen gekommen. Arbeit war teilweise sehr wissenschaftlich, plus Zeitdruck und gefühlt alle 2 Tage was komplett neues... meine Lernkurve war ziemlich steil, von daher als Lernjahre meines Erachtens bestens geeignet, was man sich sonst damit "antut" weiß ja jeder

04.12.2022, 21:24
Ich fühle mit dem TE.
Habe bisher sehr wenig fachlich, dafür aber viel Orga und Projektmanagement gelernt.
Die Frage ist, was man danach machen will. Mit meine Orgaskills wäre ich vielleicht in einem Konzern gut aufgehoben, aber in einer auf mein Rechtsgebiet spezialisierten Boutique würde ich krass abschmieren.
Habe bisher sehr wenig fachlich, dafür aber viel Orga und Projektmanagement gelernt.
Die Frage ist, was man danach machen will. Mit meine Orgaskills wäre ich vielleicht in einem Konzern gut aufgehoben, aber in einer auf mein Rechtsgebiet spezialisierten Boutique würde ich krass abschmieren.
05.12.2022, 10:19
(04.12.2022, 15:49)Principal schrieb: Liebe alle,
ich möchte insbesondere diejenigen in den GK ansprechen, die zum Großteil Fließbandarbeit abfertigen (etwa Litigation in Massenverfahren) oder in einem Bereich tätig sind, wo man mit der eigentlichen Juristerei praktisch nichts mehr zu tun hat (etwa Investigations).
Ist die darin angelegte Verstumpfung der weiteren Karriere abträglich? In meiner jetzigen Kanzlei (GK in FFM) habe ich zwar gute Karriereaussichten, aber ich frage mich, ob die ersten Lehrjahre nicht zu kostbar sind, als sie für solche nicht sonderlich herausfordernden Aufgaben zu verschwenden, auch wenn man dabei hervorragend verdient.
Anders gefragt: Ist man irgendwann für den weiteren Arbeitsmarkt verbraucht?
Ich würde meinen nein: Wir Juristen werden zum Generalissimus ausgebildet, von dem man erwartet, dass er sich zügig in neue Rechtsgebiete und Fragestellungen einarbeitet. Der Dienstherr erwartet von einem Richter ja auch, dass dieser bei Bedarf noch am Freitag Mietrecht macht und am Montag in eine Strafkammer versetzen werden kann, um ein Jahr später ggf. in einer Baurechtskammer enden.
Ich will absolut nicht sagen, dass wir einen stumpfen Job haben, aber die Routine hat sich doch relativ schnell eingeschlichen. Dabei müsste sich doch jeder im Bereich M&A oder Compliance sich der gleichen Frage ausgesetzt sehen (wenngleich ich diesen Bereich nicht en détail kenne, angeblich soll es aber auch immer die gleiche Fließbandarbeit sein).
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Ich habe meinen Berufsanfang u.a. im M&A/Corporate/CM in einer GK verbracht - aber das war alles andere als Fließbandarbeit. Klar, das grundsätzliche Vorgehen bei einer DD z.B. ist immer das Gleiche, aber jede Gesellschaft ist anders, manche Dinge wiederholen sich, aber eben nicht alle. Je senioriger Du wirst, desto mehr DD kannst Du auch machen und dann steigert man sich natürlich auch immer mehr bis hin zur DD-Leitung, bei dem ich z.B. zuletzt über ein Dutzend Teams aus unterschiedlichen Ländern handhaben musste. Eine gewisse Routine kommt dann zumindest was die Orga betrifft (irgendwann macht man auch keine DD selbst, sondern ist halt als DD-Leitung für den Report verantwortlich, d.h. Du musst die Inhalte kennen, verstehen und dem Mandanten erklären können - natürlich auch für Dich fremde Sachgebiete). Hier im Forum wird oft gesagt, dass DD total lächerlich und easy ist - m.E. kommt das aber nur von Leuten, die wenig wirkliche Erfahrung damit haben (klar lässt man WiMis, Refs etc. die nicht die Klopper in der DD machen).
Für mich waren das sehr wertvolle Jahre - ich habe in ein Unternehmen gewechselt und viele Dinge, die ich aus den DDen kenne, begegnen mir hier immer wieder und ich weiß, wie man damit umgehen kann. Manche Dinge in der GK sind sicherlich stumpfsinnige Arbeit, aber das hat man überall. Allein die Orgaskills, die man sich aneignen muss, wenn man u.a. DD's leitet, helfen mir sehr in der Praxis. Inhaltlich kann ich aber auch gut von meiner bisherigen Berufserfahrung zehren.
Wenn Du mit Masseverfahren sowas wie Diesel und Klagen im Baukastenverfahren meinst, kann ich nur berichten, dass es in den GKen, in denen ich war, wirklich selten vor kam und man eher "ganz normale" Verfahren hatte und entsprechend da auch bei den Kollegen keine Verstumpfung aufkam.
05.12.2022, 10:48
(04.12.2022, 15:49)Principal schrieb:Der Dienstherr erwartet von einem Richter ja auch, dass dieser bei Bedarf noch am Freitag Mietrecht macht und am Montag in eine Strafkammer versetzen werden kann, um ein Jahr später ggf. in einer Baurechtskammer enden.
Ja, der Dienstherr erwartet es aber über die Qualität wird dann nicht diskutiert. Das sieht in einer Kanzlei/Unternehmen anders aus; wenn du da ab morgen Grütze lieferst, weil du keine Ahnung hast, bekommst du ein Problem.
Inhaltlich sehe ich in der GK weniger eine Verstumpfung. Ich sehe vielmehr die Gefahr in der GK darin, dass man nicht lernt Verantwortung zu übernehmen. Klar, man bekommt seine Teilaufgaben und kann die (teilweise) eigenverantwortlich machen aber es kommt auch oft vor, dass Associates nur in ihrem eigenen Team arbeiten und kommunizieren. Während in der Wirtschaft Leute mit Anfang 30 schon Teams haben oder über ein Millionen-Budget verfügen und entscheiden, schickt der Associate die Email noch vorab an den Partner (oder schreibt sie nur für den Partner vor), hat null Personalverantwortung und auch keine Budgetverantwortung.
Dadurch besteht die Gefahr, dass man ein Spezialist im Elfenbeinturm wird.
05.12.2022, 13:23
(05.12.2022, 10:48)Patenter Gast schrieb:(04.12.2022, 15:49)Principal schrieb:Der Dienstherr erwartet von einem Richter ja auch, dass dieser bei Bedarf noch am Freitag Mietrecht macht und am Montag in eine Strafkammer versetzen werden kann, um ein Jahr später ggf. in einer Baurechtskammer enden.
Ja, der Dienstherr erwartet es aber über die Qualität wird dann nicht diskutiert. Das sieht in einer Kanzlei/Unternehmen anders aus; wenn du da ab morgen Grütze lieferst, weil du keine Ahnung hast, bekommst du ein Problem.
Inhaltlich sehe ich in der GK weniger eine Verstumpfung. Ich sehe vielmehr die Gefahr in der GK darin, dass man nicht lernt Verantwortung zu übernehmen. Klar, man bekommt seine Teilaufgaben und kann die (teilweise) eigenverantwortlich machen aber es kommt auch oft vor, dass Associates nur in ihrem eigenen Team arbeiten und kommunizieren. Während in der Wirtschaft Leute mit Anfang 30 schon Teams haben oder über ein Millionen-Budget verfügen und entscheiden, schickt der Associate die Email noch vorab an den Partner (oder schreibt sie nur für den Partner vor), hat null Personalverantwortung und auch keine Budgetverantwortung.
Dadurch besteht die Gefahr, dass man ein Spezialist im Elfenbeinturm wird.
+1 - definitiv kann die Arbeitsweise in GKen in Diskrepanz zu dem stehen, was insb. in Unternehmen gefordert wird.
Mir persönlich fiel es am Anfang (u.a. auch weil es einfach null Onboarding gab - also wirklich null) schon nicht so leicht, plötzlich alles alleine entscheiden zu müssen und z.B. einen Vertrag über 20 Mio im Alleingang zu erstellen/verhandeln. In der GK ist man eher "perfektionistisch" unterwegs und alles wird 10 Mal geprüft, bevor es endlich raus geht - das lässt sich im Tagesgeschäft im Unternehmen aber absolut nicht bewerkstelligen. Das ist auch alles eine Gewöhnungssache - ich schicke jetzt Produkte raus, die ich in der GK allein des Formats wegen so niemals versendet hätte und drücke auch hier und da bei Formulierungen ein Auge zu (solange sie juristisch haltbar sind natürlich), sonst kriegt man seine Sachen nicht in den Griff. Nicht nur in meiner "aktuellen" Rechtsabteilung hat man da schon schlechte Erfahrungen mit Anwälten aus GKen gemacht und z.B. ich wurde sehr kritisch im Bewerbungsverfahren genau nach solchen Punkten gefragt. Deswegen kann ich auch nicht bestätigen, dass Unternehmen grundsätzlich Leute aus GKen ohne vorherige Erfahrung im Unternehmen "mit Kusshand" nehmen.
06.12.2022, 11:31
(05.12.2022, 13:23)Ex-GK schrieb:(05.12.2022, 10:48)Patenter Gast schrieb:(04.12.2022, 15:49)Principal schrieb:Der Dienstherr erwartet von einem Richter ja auch, dass dieser bei Bedarf noch am Freitag Mietrecht macht und am Montag in eine Strafkammer versetzen werden kann, um ein Jahr später ggf. in einer Baurechtskammer enden.
Ja, der Dienstherr erwartet es aber über die Qualität wird dann nicht diskutiert. Das sieht in einer Kanzlei/Unternehmen anders aus; wenn du da ab morgen Grütze lieferst, weil du keine Ahnung hast, bekommst du ein Problem.
Inhaltlich sehe ich in der GK weniger eine Verstumpfung. Ich sehe vielmehr die Gefahr in der GK darin, dass man nicht lernt Verantwortung zu übernehmen. Klar, man bekommt seine Teilaufgaben und kann die (teilweise) eigenverantwortlich machen aber es kommt auch oft vor, dass Associates nur in ihrem eigenen Team arbeiten und kommunizieren. Während in der Wirtschaft Leute mit Anfang 30 schon Teams haben oder über ein Millionen-Budget verfügen und entscheiden, schickt der Associate die Email noch vorab an den Partner (oder schreibt sie nur für den Partner vor), hat null Personalverantwortung und auch keine Budgetverantwortung.
Dadurch besteht die Gefahr, dass man ein Spezialist im Elfenbeinturm wird.
+1 - definitiv kann die Arbeitsweise in GKen in Diskrepanz zu dem stehen, was insb. in Unternehmen gefordert wird.
Mir persönlich fiel es am Anfang (u.a. auch weil es einfach null Onboarding gab - also wirklich null) schon nicht so leicht, plötzlich alles alleine entscheiden zu müssen und z.B. einen Vertrag über 20 Mio im Alleingang zu erstellen/verhandeln. In der GK ist man eher "perfektionistisch" unterwegs und alles wird 10 Mal geprüft, bevor es endlich raus geht - das lässt sich im Tagesgeschäft im Unternehmen aber absolut nicht bewerkstelligen. Das ist auch alles eine Gewöhnungssache - ich schicke jetzt Produkte raus, die ich in der GK allein des Formats wegen so niemals versendet hätte und drücke auch hier und da bei Formulierungen ein Auge zu (solange sie juristisch haltbar sind natürlich), sonst kriegt man seine Sachen nicht in den Griff. Nicht nur in meiner "aktuellen" Rechtsabteilung hat man da schon schlechte Erfahrungen mit Anwälten aus GKen gemacht und z.B. ich wurde sehr kritisch im Bewerbungsverfahren genau nach solchen Punkten gefragt. Deswegen kann ich auch nicht bestätigen, dass Unternehmen grundsätzlich Leute aus GKen ohne vorherige Erfahrung im Unternehmen "mit Kusshand" nehmen.
Das kann ich aus zwei Secondments die ich in Rechtsabteilungen von großen Unternehmen während meiner GK-Zeit gemacht habe grundsätzlich bestätigen. In der Rechtsabteilung wirst Du mit allen möglichen Sachen bombardiert und versuchst die abzuwehren ("da ist Compliance zuständig und nicht Legal"), während Du in der Kanzlei um jeden Auftrag buhlst und den dann zu 110% perfekt ablieferst (die Bezahlung nach Stunden ist ja auch nicht besonders effizienzfördernd). Das ist schon eine krasse Umstellung.
06.12.2022, 23:08
Ich war auch ein paar Jahre in der GK bevor ich ins Unternehmen gewechselt bin. Die Arbeit im Bereich Corporate/M&A in der Kanzlei empfand ich durchaus als eher stumpf. Regelmäßig ging es darum vergleichsweise einfache Themen formal perfekt abzuliefern und man saß eben bis um 22:00 Uhr um auch den letzten Kommafehler aus dem Dokument zu merzen. Das interessiert im Unternehmen niemanden. Die Schlagzahl ist viel höher, Zeit Dokumente zehnmal zu lesen hat man nicht. Man muss ständig priorisieren und Kompromisse finden und eingehen. Das macht einerseits Spaß, kann aber auch ziemlich nervig sein. Ambivalenzen muss man als Jurist im Unternehmen ertragen können. In der Kanzlei ist das rein rechtliche das einzig wichtige, im Unternehmen bei Verhandlungen mit Lieferanten und Kunden ist das nur ein Aspekt und es geht häufig darum, wenigstens die größten Risiken auszuräumen und die wichtigsten Interessen durchzusetzen. Das kann man in der Kanzlei schon deshalb nicht, weil man an seinen Mandanten nicht so nah dran ist. Und weil man einem Kollegen eher sagen, dass man komplett unter Wasser ist und sein Thema nicht so wichtig ist, als bei einem Mandanten.