26.07.2021, 16:31
Ja klar, wenn jemand in der Nacht verhaftet (und dann nicht wieder heim gelassen) wird, ist das i.d.R. zumindest eine Pflichtverteidigersache ggf. mit Haftzuschlag. D.h. wenn man mandatiert/beigeordnet wird, hat man zumindest die Garantie, nicht umsonst zu arbeiten, und evtl. darüber hinaus noch Aussicht auf eine Honorarvereinbarung. Bei vielen Verteidigern geht es ja (erstmal) darum, überhaupt an ein Mandat zu kommen, nicht dass man unbedingt nur darauf schaut, nach Stunden abrechnen zu können.
26.07.2021, 16:43
(26.07.2021, 15:27)omnimodo schrieb:(26.07.2021, 10:01)Gast schrieb: Es gibt auch genug, die das halt auf der Homepage angeben, aber das (Zweit-)Handy dann nur nach Laune auch über Nacht tatsächlich in Hörweite legen.
Eine andere Möglichkeit, die es in manchen Städten gibt, ist, dass es einen allgemeinen Strafverteidiger-Notruf gibt, und dann wechseln sich die örtlichen Kollegen im Wochenturnus ab und übernehmen das Handy/die Nr. Wenn dann jemand Kollegen xy verlangt, kann der jeweilige Kollege das halt aufnehmen und (wenn er kollegial ist) weitergeben.
Das ist sicherlich eine Typfrage. Ich könnte da nicht gut schlafen. Es ist schon sehr wichtig, dass es so was gibt im Strafrecht. Nachts verhaftet werden und bis morgens keinen Rechtsbeistand zu haben ist eben mies und mit Art. 19 IV GG schwer zu vereinbaren.
Ich frage mich, wie sich das kostentechnisch rechnet. Ob man dann ab und zu einen Mandanten mit Honorarvereinbarung an Land zieht und nicht nur kleine Fische, die man nach RVG abrechnen muss...
... wobei man natürlich sagen muss, dass eine Freilassung bis Dienstbeginn am Folgetag kaum je zu erreichen sein wird, weil die Polizei ohne StA/Gericht sich von der beabsichtigten Festnahme nicht wird abbringen lassen. Ein Anrufbeantworter mit dem dringenden Hinweis, keine Angaben zu machen, wäre für die Nacht sicherlich ähnlich effektiv...
27.07.2021, 15:26
Also das Recht auf effektive Verteidigung wird aus Art. 20 GG, ggfl iVm der EMRK, hergeleitet, nicht aus art. 19 Abs. 4. Ungeachtet dessen ordnet das Gericht einen Verteidiger ohnehin meist erst am nächsten Morgen bei, da sind dann viele wieder wach.
27.07.2021, 18:33
Die meisten Strafverteidiger schreiben tatsächlich einfach die eigene Handynummer als Notrufnummer an.
Es gibt allerdings auch Sekretariatsservices mit 24-Stunden-Erreichbarkeit. Die kann man auch so instruieren, dass dann tatsächlich nur wichtige Anrufe (Verhaftung, Durchsuchung etc.) durchgestellt werden, den anderen Anrufern hingegen einfach ein Rückruf angeboten wird.
Oft ist der vom Anruf empfundene Notfall („Da kam ein Brief von der Polizei!!“) nämlich keiner. Die Leute rufen damit aber trotzdem morgens um 2 damit an…
Es gibt allerdings auch Sekretariatsservices mit 24-Stunden-Erreichbarkeit. Die kann man auch so instruieren, dass dann tatsächlich nur wichtige Anrufe (Verhaftung, Durchsuchung etc.) durchgestellt werden, den anderen Anrufern hingegen einfach ein Rückruf angeboten wird.
Oft ist der vom Anruf empfundene Notfall („Da kam ein Brief von der Polizei!!“) nämlich keiner. Die Leute rufen damit aber trotzdem morgens um 2 damit an…
27.07.2021, 18:49
(27.07.2021, 18:33)Gast schrieb: Oft ist der vom Anruf empfundene Notfall („Da kam ein Brief von der Polizei!!“) nämlich keiner. Die Leute rufen damit aber trotzdem morgens um 2 damit an…
Vermuten würde ich genau das eigentlich auch. In meinem persönlichen Umfeld hat man es für einen Notfall gehalten, dass da ein Anhörungsschreiben vom Jobcenter kam... Wenn der am Freitagabend gefunden wird, dann warten manche Menschen damt ganz bestimmt nicht bis zum Montagmorgen.
Kannst du das mit den vermeintlichen Notfällen und den Anrufen um 2 Uhr denn aus der Praxis bestätigen? Wie gesagt, meine Vermutung würde auch genau dahin gehen. Deswegen frage ich mich, wie man sich als Anwalt gegen sowas schützt oder wie oft das dann vorkommt.
27.07.2021, 19:11
(27.07.2021, 18:49)Gast schrieb:(27.07.2021, 18:33)Gast schrieb: Oft ist der vom Anruf empfundene Notfall („Da kam ein Brief von der Polizei!!“) nämlich keiner. Die Leute rufen damit aber trotzdem morgens um 2 damit an…
Vermuten würde ich genau das eigentlich auch. In meinem persönlichen Umfeld hat man es für einen Notfall gehalten, dass da ein Anhörungsschreiben vom Jobcenter kam... Wenn der am Freitagabend gefunden wird, dann warten manche Menschen damt ganz bestimmt nicht bis zum Montagmorgen.
Kannst du das mit den vermeintlichen Notfällen und den Anrufen um 2 Uhr denn aus der Praxis bestätigen? Wie gesagt, meine Vermutung würde auch genau dahin gehen. Deswegen frage ich mich, wie man sich als Anwalt gegen sowas schützt oder wie oft das dann vorkommt.
Wir machen hier recht viel Migrationsrecht und die Leute denken eigentlich immer, dass das Anhörungsschreiben schon eine Antragsablehnung etc. ist. Sind dann auch super aufgeregt und rufen zu jeder Uhrzeit an. Wir kriegen hier auch ein Haufen E-Mails zwischen 0 Uhr und 6 Uhr morgens. Ich nehme an, dass die Leute einfach nicht schlafen können (vor Angst, Aufregung usw.) und dann nachts mit googeln etc. anfangen.
Unser Sekretariatsservice geht bis 22 Uhr, sodass Anrufe in der Nacht tatsächlich nicht vorkommen. Theoretisch könnte man den für wenig Geld auf 24/7 umstellen, aber ich glaube nicht, dass sich das lohnt. Wie gesagt, viele Leute schreiben dann auch E-Mails.
Wir kooperieren aber auch mit einer Strafverteidiger-Kanzlei und die Kollegen dort berichten auch, dass eben viele „Notfälle“ objektiv keine sind. Allerdings gibt es da wohl auch gar nicht mal so viele Anrufe zu unmöglicher Zeit. Außer dem Sekretariatsservice fällt mir auch kein guter Schutz ein. Hinweise auf der Website dürften nichts bringen.