24.09.2022, 01:35
(23.09.2022, 22:10)Gast schrieb: Das stimmt. Ich finde auch, dass immer übersehen wird, dass andere das Geld ranschaffen können!
Früher war es mal Anspruch der Justiz (wie generell im gehobenen Staatsdienst), eine Familie ernähren zu können. Mit der schon angesprochenen "Proletarisierung" der Justiz (eine Einschätzung die ich teilen würde) scheint das aber zunehmend in Vergessenheit zu geraten.
Dass inzwischen 2/3 aller neuen Stellen weiblich besetzt werden, zeigt diesen Umstand auch recht deutlich auf. Die Justiz verkommt zum Zuverdienst.
24.09.2022, 07:02
(24.09.2022, 01:35)Gast schrieb:(23.09.2022, 22:10)Gast schrieb: Das stimmt. Ich finde auch, dass immer übersehen wird, dass andere das Geld ranschaffen können!
Früher war es mal Anspruch der Justiz (wie generell im gehobenen Staatsdienst), eine Familie ernähren zu können. Mit der schon angesprochenen "Proletarisierung" der Justiz (eine Einschätzung die ich teilen würde) scheint das aber zunehmend in Vergessenheit zu geraten.
Dass inzwischen 2/3 aller neuen Stellen weiblich besetzt werden, zeigt diesen Umstand auch recht deutlich auf. Die Justiz verkommt zum Zuverdienst.
Ich glaube, dass auch der Anspruch, mit einem Gehalt eine ganze Familie zu ernähren aus der Zeit gefallen ist. Es ist meines Erachtens richtig und wichtig, dass sowohl der Mann als auch die Frau zum Unterhalt der Familie beitragen. Auch im Hinblick auf eine mögliche Scheidung - die Rate ist ja nicht gerade niedrig - ist es nicht ratsam jahrelang keiner beruflichen Tätigkeit nachzugehen, zumal gerade Frauen ja durch häufige Teilzeitarbeit ohnehin armutsgefährdet sind. Spätestens mit Renteneintritt kommt dann das böse erwachsen. Sich nur darauf zu verlassen, dass die Beziehung/Ehe dauerhaft besteht, ist völlig naiv und spielt ja auch nicht die gesellschaftliche Realität dar
24.09.2022, 08:37
Natürlich kann man mit einmal R1 plus Familienzuschlag vielerorts allein eine Familie ernähren. Ob das sinnvoll ist, ist Privatsache der beteiligten Eheleute und durch geeignete Abreden auch für den Elternteil absicherbar, der die Arbeit zu Hause übernimmt, man muss nur drüber reden. Fremdbetreuung ist übrigens auch meist nicht kostenlos zu haben und geht mit erheblichem Organisationsaufwand einher.
24.09.2022, 08:52
(23.09.2022, 20:19)Richterin schrieb: Ich würde an deiner Stelle mit einem Wechsel warten (oder es sogar ganz lassen). Jedenfalls der Einstieg in die Justiz ist nicht familienfreundlich.
Ich selbst war nach dem Referendariat erst als Anwältin tätig. Dann habe ich ein Kind bekommen und stieg für eine kurze Zeit wieder als Anwältin in Teilzeit (80%) ein. Den Wechsel in die Justiz hatte ich für mich eigentlich erst später geplant. Dann kam alles anders, weil erstmals nach ca. 1,5 Jahren wieder eine Stelle als Proberichter/in in der Fachgerichtsbarkeit ausgeschrieben worden war. Ich bekam Panik und wollte nicht das Risiko eingehen, abzuwarten und in dem für mich richtigen Zeitpunkt keine Stelle zu bekommen. (Mein Traum war schon immer die Justiz; allerdings kam die ordentliche für mich aufgrund meiner rechtlichen Vorliebe nicht in Betracht).
Im Vorstellungsgespräch wurde ich gefragt, ob ich denn nur in Teilzeit anfangen könnte. Dann habe ich zwar gesagt, dass ich es mit 80% besser fände, aber auch eine Vollzeitstelle hinbekommen würde und es jedenfalls daran nicht scheitern sollte. Ich bekam die Stelle - in Vollzeit.
Und was soll ich sagen… ich habe mich überschätzt und es war naiv. Seit eineinhalb Jahren laufe ich gestresst durchs Leben und es ist keine Besserung in Sicht. Große Probleme bereitete mir direkt zu Anfang schon die sechsmonatige Urlaubssperre, da die Schließzeiten der Betreuungseinrichtung abgedeckt werden mussten - ohne familiäre Rückendeckung unmöglich! Das Gericht war dann noch so „gnädig“, mir in dieser Zeit ausnahmsweise fünf Tage Urlaub zu gewähren, weil ich es anders nicht hinbekommen hätte. Mein Mann durfte sämtliche Kinderkrankentage (bis heute) abfangen, die sich in der Vergangenheit teilweise monatlich auf zwei bis drei Tage beliefen, da ich weiterhin zeigen wollte (und meiner Meinung nach auch musste), dass das alles in Vollzeit mit Kleinkind geht! Es stresst unheimlich, wenn ein „Notfall“ an einem Sitzungstag ist. Den Sitzungstag sagt man nicht einfach ab. Die Sitzungen fühlen sich auch jetzt noch wie ein „Hamsterrad“ an. Ich vermisse auch Tätigkeiten, die früher zur Arbeitszeit zählten, den Kopf aber nicht übermäßig beanspruchten (Teambesprechungen, Mandantengespräche, Fortbildungen etc.). Die richterliche Tätigkeit ist sehr anspruchsvoll (wenn man einen eigenen Anspruch an seine Arbeit hat) und jedes nette Gespräch mit der Geschäftsstelle „raubt“ dir Arbeitszeit. Hinzu kommen in den ersten Monaten verpflichtende, mehrtägige Fortbildungen und (Probe-)Richtertagungen. Hierfür wirst du natürlich nicht entlastet. ;) Die Urlaubsvertretung beschränkt sich auf ein Mindestmaß. Die in Teilzeit arbeitenden, erfahrenen Richter(innen) mit Schulkindern wirken übrigens auch alle (noch) gestresst. Ich weiß also nicht, ob sich durch die Teilzeit und „ältere“ Kinder tatsächlich viel ändern würde.
Wenn du mir verrätst, in welcher Behörde du arbeitest, würde ich sofort tauschen. ;)
Darf ich fragen, in welchem Bundesland du tätig bist? Ich habe mittlerweile von mehreren Bundesländern gehört, in denen die Urlaubssperre nur noch 3 Monate beträgt oder aber gesetzlich gar nicht mehr existiert und es nur einfach nicht so "gern gesehen" wird, wenn man zu Anfang Urlaub nimmt.
24.09.2022, 08:56
Fremdbetreuung ist oft auch bei der Justiz nötig.
Wenn eine Frau bei der Justiz in Teilzeit arbeitet, hat sie zwar eine gewisse Sicherheit, aber in der Zeit auch sehr wenig Geld. Ich finde ca. 1700 Euro nette (um den Dreh) nicht viel, aber das muss ja jeder selber wissen. Mit steigenden Lebenshaltungskosten liegt man damit kaum über dem Ref-Gehalt. Wie bereits erwähnt, haben viele ja noch einen Partner. Allerdings ist auch das nicht bei allen der Fall. Kommt es zu einer Scheidung steht die Frau auch mit einem Justiz-Teilzeitgehalt nicht gut da. Natürlich aber immer noch besser als ganz ohne Job, das ist völlig klar. Nun ist es mE in vielen Fällen nicht so leicht möglich, dass eine Alleinerziehende mit mehreren Kindern bei der Justiz in Vollzeit arbeitet. Ich kenne nur eine (verheiratete), die mit 3 älteren Kindern (jüngstes 3. Klasse) in Vollteit arbeitet, weil der Mann sehr viel macht. Ansonsten Teilzeit oder keine Kinder.
Und ja, ich finde es auch nicht gut, dass man heute einen Partner braucht, um sich ein normales Leben zu finanzieren. Diese Aussage impliziert ja, dass man es allein eben nicht so leicht schafft. Und was ist dann, wenn man alleinerziehend ist? Früher konnte ein Beamter schon noch eine Familie allein ernähren, jedenfalls weitestgehend. Heute braucht man eigentlich 2 Gehälter und das trägt schon dazu bei, dass die Verhältnisse irgendwie absinken. Gerade die Besserverdiener (wozu ja auch Justizbeamte zählen) bekommen weniger Kinder, weil ein angemessener Lebensstandard sonst noch schwerer zu halten ist. Ja, man kann zu zweit schon ganz gut von dem Gehalt leben. Es gibt aber nicht nur diese Konstellation. Und der heutigen Lebenswirklichkeit wird die Justizbesoldung nicht mehr gerecht. Man lebt halt auch kaum anders als irgendwelche Facharbeiter und das schadet dem Niveau der Justiz. Immer wenn hier vorgerechnet wird, wieviel Geld monatlich für welche Posten ausgegeben wird, frage ich mich, ob wir bei der Schuldnerberatung Peter Zwegat sind. Da ist mein Umgang mit Geld zwangloser.
Es kommen aber auch viele Leute in die Justiz, die von zuhause nichts anderes kennen (ohne Wertung) und das alles deswegen gar nicht hinterfragen oder schlimm finden. Die fänden auch noch weniger Geld ok. Und das Problem ist dann, dass die Justiz eben vor allem solche Leute anzieht. Wer was anderes gewohnt ist, tut sich die Justiz meist nicht an oder es sind ebene Frauen, die da ein bisschen einen Zuverdienst erwerben. Dadurch sinkt halt das Niveau.
Wenn eine Frau bei der Justiz in Teilzeit arbeitet, hat sie zwar eine gewisse Sicherheit, aber in der Zeit auch sehr wenig Geld. Ich finde ca. 1700 Euro nette (um den Dreh) nicht viel, aber das muss ja jeder selber wissen. Mit steigenden Lebenshaltungskosten liegt man damit kaum über dem Ref-Gehalt. Wie bereits erwähnt, haben viele ja noch einen Partner. Allerdings ist auch das nicht bei allen der Fall. Kommt es zu einer Scheidung steht die Frau auch mit einem Justiz-Teilzeitgehalt nicht gut da. Natürlich aber immer noch besser als ganz ohne Job, das ist völlig klar. Nun ist es mE in vielen Fällen nicht so leicht möglich, dass eine Alleinerziehende mit mehreren Kindern bei der Justiz in Vollzeit arbeitet. Ich kenne nur eine (verheiratete), die mit 3 älteren Kindern (jüngstes 3. Klasse) in Vollteit arbeitet, weil der Mann sehr viel macht. Ansonsten Teilzeit oder keine Kinder.
Und ja, ich finde es auch nicht gut, dass man heute einen Partner braucht, um sich ein normales Leben zu finanzieren. Diese Aussage impliziert ja, dass man es allein eben nicht so leicht schafft. Und was ist dann, wenn man alleinerziehend ist? Früher konnte ein Beamter schon noch eine Familie allein ernähren, jedenfalls weitestgehend. Heute braucht man eigentlich 2 Gehälter und das trägt schon dazu bei, dass die Verhältnisse irgendwie absinken. Gerade die Besserverdiener (wozu ja auch Justizbeamte zählen) bekommen weniger Kinder, weil ein angemessener Lebensstandard sonst noch schwerer zu halten ist. Ja, man kann zu zweit schon ganz gut von dem Gehalt leben. Es gibt aber nicht nur diese Konstellation. Und der heutigen Lebenswirklichkeit wird die Justizbesoldung nicht mehr gerecht. Man lebt halt auch kaum anders als irgendwelche Facharbeiter und das schadet dem Niveau der Justiz. Immer wenn hier vorgerechnet wird, wieviel Geld monatlich für welche Posten ausgegeben wird, frage ich mich, ob wir bei der Schuldnerberatung Peter Zwegat sind. Da ist mein Umgang mit Geld zwangloser.
Es kommen aber auch viele Leute in die Justiz, die von zuhause nichts anderes kennen (ohne Wertung) und das alles deswegen gar nicht hinterfragen oder schlimm finden. Die fänden auch noch weniger Geld ok. Und das Problem ist dann, dass die Justiz eben vor allem solche Leute anzieht. Wer was anderes gewohnt ist, tut sich die Justiz meist nicht an oder es sind ebene Frauen, die da ein bisschen einen Zuverdienst erwerben. Dadurch sinkt halt das Niveau.
24.09.2022, 09:36
Es dürfte aber wohl einen gesamtgesellschaftlichen Trend darstellen, dass Alleinverdienerpartnerschaften kaum noch funktionieren. Bis auf einzelne Berufsgruppen ist doch selbst für Akademiker kaum noch ein (gehobenes) Mittelschichtsleben drin, wenn nicht beide arbeiten. Jedenfalls wenn man in der Nähe von größeren Städten wohnt. Und da befinden sich nunmal viele gut bezahlte Stellen.
24.09.2022, 10:08
(24.09.2022, 09:36)Gasti schrieb: Es dürfte aber wohl einen gesamtgesellschaftlichen Trend darstellen, dass Alleinverdienerpartnerschaften kaum noch funktionieren. Bis auf einzelne Berufsgruppen ist doch selbst für Akademiker kaum noch ein (gehobenes) Mittelschichtsleben drin, wenn nicht beide arbeiten. Jedenfalls wenn man in der Nähe von größeren Städten wohnt. Und da befinden sich nunmal viele gut bezahlte Stellen.
Wenn der Wunsch nach zwei Autos plus Fernreise jedes Jahr besteht, stimmt. Aber bei meinen Eltern und Schwiegereltern war es beispielsweise noch so, dass es nur ein Auto gab und die Kinder sich bis zum Teenageralter zu zweit ein Zimmer geteilt haben. Dann ging es auch mit dem Alleinverdienergehalt (und heute genauso, nur dass kaum noch einer so leben will)…
24.09.2022, 10:37
(24.09.2022, 10:08)Gast schrieb:(24.09.2022, 09:36)Gasti schrieb: Es dürfte aber wohl einen gesamtgesellschaftlichen Trend darstellen, dass Alleinverdienerpartnerschaften kaum noch funktionieren. Bis auf einzelne Berufsgruppen ist doch selbst für Akademiker kaum noch ein (gehobenes) Mittelschichtsleben drin, wenn nicht beide arbeiten. Jedenfalls wenn man in der Nähe von größeren Städten wohnt. Und da befinden sich nunmal viele gut bezahlte Stellen.
Wenn der Wunsch nach zwei Autos plus Fernreise jedes Jahr besteht, stimmt. Aber bei meinen Eltern und Schwiegereltern war es beispielsweise noch so, dass es nur ein Auto gab und die Kinder sich bis zum Teenageralter zu zweit ein Zimmer geteilt haben. Dann ging es auch mit dem Alleinverdienergehalt (und heute genauso, nur dass kaum noch einer so leben will)…
So leicht geht das heute 1. auch nicht mehr und 2. lebt man dann ungefähr so wie die Transferleistungsempfänger (oder sogar schlechter) und deshalb wollen viele das nciht. Dass man nicht jedes Jahr einen fetten Urlaub braucht, sehe ich auch so. Das Problem ist halt, dass die Einkommen schon so nivelliert sind, dass auch der Richter dann nicht mehr sooo deutlich über dem Sozialhilfeempfänger steht und darauf hat halt keiner Bock. Vermögensaufbau ist halt nicht mehr möglich.
24.09.2022, 10:40
Wenn man sich mal anschaut, wieviel HartzIV-Familien insgesamt an Leistungen bekommen (Wohnung, Heizung, Babyausstattung, Geld, Kindergeld…kleiner Zuverdienst möglich…) dann kommen viele Familien damit wirklich ganz ordentlich raus.
24.09.2022, 10:54
(18.08.2022, 00:46)Juramaus schrieb: Ich kam mit dem StA-Gehalt zwar über die Runden, für ein besseres Leben hätte es aber nicht gereicht. Ich hätte mein Erbe einsetzen müssen, um mir ein Haus leisten zu können. Ich möchte aber meine Arbeit ausüben, für die dich mein Erbe einsetzen muss, damit ich einigermaßen angemessen leben kann.
Der Hauptpunkt ist das Wohnen. Wenn man eine Immobilie hat oder das einen einfach egal ist, ist es sicher ein ordentliches Gehalt. Wenn man sich eine Immobilie leisten will, wird es eng. Man muss wissen, was man will. Für mich war es nicht das richtige. Bei uns wohnten auch 50jährige OStAs noch zu Miete. Jedem das Seine, aber ich ich bin anders aufgewachsen und anderes gewohnt. Ich wäre in dem Beruf auf Dauer depressiv geworden.
Du trollst doch, oder? Und "jedem das Seine", dein Ernst?