02.07.2022, 00:43
Hallo,
ich arbeite aktuell als Wirtschaftsanwalt. Der Verdienst ist nett, die Tätigkeit selber erfüllt mich leider nicht. Mich interessiert die Wirtschaft einfach nicht und ich möchte den Beruf gerne wechseln.
Ich suche daher eine juristisch anspruchsvolle und sinnstiftende Tätigkeit, nah am Menschen. Die Justiz wirbt ja gerade damit, dass man Schicksale verhandelt und eine hohe gesellschaftliche Verantwortung hat. Allerdings gewinne ich hier im Forum eher den Eindruck, dass die Justiz aus Erledigungsdruck und Aktenbergen besteht. Kann ich überhaupt als Richter nah am Menschen sein, wenn ich jede meiner Äußerungen darauf überprüfen muss, ob eine Besorgnis der Befangenheit besteht?
Ich würde gerne wissen, ob die Tätigkeit als Richter in menschlicher Hinsicht erfüllend sein kann? Vielleicht mag der eine oder andere Praktiker da mal berichten? Oder gibt es noch andere Jobs, die zu meinen Vorstellungen passen?
Danke:-)
ich arbeite aktuell als Wirtschaftsanwalt. Der Verdienst ist nett, die Tätigkeit selber erfüllt mich leider nicht. Mich interessiert die Wirtschaft einfach nicht und ich möchte den Beruf gerne wechseln.
Ich suche daher eine juristisch anspruchsvolle und sinnstiftende Tätigkeit, nah am Menschen. Die Justiz wirbt ja gerade damit, dass man Schicksale verhandelt und eine hohe gesellschaftliche Verantwortung hat. Allerdings gewinne ich hier im Forum eher den Eindruck, dass die Justiz aus Erledigungsdruck und Aktenbergen besteht. Kann ich überhaupt als Richter nah am Menschen sein, wenn ich jede meiner Äußerungen darauf überprüfen muss, ob eine Besorgnis der Befangenheit besteht?
Ich würde gerne wissen, ob die Tätigkeit als Richter in menschlicher Hinsicht erfüllend sein kann? Vielleicht mag der eine oder andere Praktiker da mal berichten? Oder gibt es noch andere Jobs, die zu meinen Vorstellungen passen?
Danke:-)
02.07.2022, 05:15
Ich habe die Familienrichtertätigkeit als sinnstiftend und gleichzeitig oft zum Verzweifeln empfunden. Näher am Menschen geht nicht, Du regelst die Zukunft von Menschen. Von himmelhoch jauchzend bis größte menschliche Katastrophen (ich meine das nicht sarkastisch, die Regelung von Familienverhältnissen nach Todesfällen oder die Unterbringung von Kindern in der geschlossenen Psychiatrie sind für alle Beteiligten einschließlich des Gerichts eine große Herausforderung) ist alles dabei. Das heisst aber auch, dass die Emotionen überkochen und sich nur wenige rational verhalten. Rechtlich anspruchsvoll ist das allemal.
Betreuungsrichter. Viel zu tun, viel unterwegs, viel in Heimen und Kliniken, viel zu regeln, viele Dinge im Zusammenhang mit älteren Menschen, aber auch mit Schicksalsschlägen im jüngeren Alter. Die rechtlichen Herausforderungen halten sich sehr in Grenzen.
Beides geht nicht im ersten Jahr und nur dann, wenn es das Präsidium so für Dich will.
Betreuungsrichter. Viel zu tun, viel unterwegs, viel in Heimen und Kliniken, viel zu regeln, viele Dinge im Zusammenhang mit älteren Menschen, aber auch mit Schicksalsschlägen im jüngeren Alter. Die rechtlichen Herausforderungen halten sich sehr in Grenzen.
Beides geht nicht im ersten Jahr und nur dann, wenn es das Präsidium so für Dich will.
02.07.2022, 08:30
Ich finde die Tätigkeit als Staatsanwalt für Jugendschutzsachen (v.a. 176 ff. StGB)sehr sinnstiftend, aber auch oft sehr unbefriedigend.
02.07.2022, 09:00
Ansonsten - auch wenn es nicht der konkreten Frage entspricht - plane ich eine 4 Tage-Woche als Anwältin im Wirtschaftsrecht (weil mir das einfach Bock macht) und dann einen Tag der Woche eine ehrenamtliche Tätigkeit, in meinem Fall entweder pro bono Arbeit oder eine Tätigkeit bspw. bei den Sichtwaisen.
Vielleicht als kleine Anregung, falls Du nicht gleich alles ändern willst. In meinem Fall war es auch bei der Kanzlei kein Problem, "nur" mit einer 4-Tage-Woche zu starten. Ich hab zwar noch nicht angefangen, kann daher noch nicht von der konkreten Umsetzung reden, aber vielleicht dennoch eine Anregung.
Vielleicht als kleine Anregung, falls Du nicht gleich alles ändern willst. In meinem Fall war es auch bei der Kanzlei kein Problem, "nur" mit einer 4-Tage-Woche zu starten. Ich hab zwar noch nicht angefangen, kann daher noch nicht von der konkreten Umsetzung reden, aber vielleicht dennoch eine Anregung.
02.07.2022, 09:56
Vielleicht Tätigkeit bei einem gemeinnützigen Verein oder einer Stiftung?
02.07.2022, 15:56
Ich kann eine Tätigkeit als SozialrichterIn sehr empfehlen. Im Rahmen seiner rechtlichen Möglichkeit kann man hier Menschen auch gutes tun. die Sozialgerichtsbarkeit sucht!
02.07.2022, 16:19
Die Rote Hilfe könnte eine Option sein. Insbesondere, wenn du einen Tag pro Woche pro Bono arbeiten willst.
02.07.2022, 18:51
02.07.2022, 22:03
Justizvollzug
02.07.2022, 22:21
Ich habe nie den Eindruck gehabt, dass die Aktenberge mich davon abgehalten haben, in für die Parteien wichtigen Sachen Zeit zu investieren. Das liegt aber auch sicher daran, dass ich Unproblematisches immer sehr schnell erledigt habe.
Wenn Du gern ausgleichend wirkst und ein Problem dauerhaft und gut lösen willst, zudem an Menschen interessiert bist und keine Berührungsängste hast, wirst Du Vergleichsverhandlungen im Zivilrecht sehr gern machen. Ich habe einen für LG-Verhältnisse sehr lockeren und "bürgernahen" Stil der Sitzungsleitung und meine Auffassung zur Rechtslage und Zweckmäßigkeit immer sehr deutlich kund getan - das ist mir nahezu nie übel genommen worden und hat mir in mehreren Jahren höchstens dreimal einen (offensichtlich unbegründeten) Befangenheitsantrag eingebracht. Umgekehrt sind die Anwälte fast immer dankbar für die Offenheit gewesen und haben sich für die gute Terminsvorbereitung und die Geduld beim Erarbeiten einer Einigung bedankt.
Natürlich klappt das nicht immer, und nicht alle Fälle eignen sich dafür. Tatsächlich ist nach meinem Eindruck eher ein großes Problem für das Selbstverständnis der Richterschaft, dass es in immer mehr Fällen überhaupt nicht um ein menschliches Problem geht, das bearbeitet und gelöst werden muss, sondern um rechtsschutzversichert auf gut Glück begonnene, industriell vorgebrachte (Diesel- u.ä.) Klagen. Das frustriert gerade diejenigen maßlos, die mit dem von Dir genannten Motiv den Beruf ergriffen haben.
Wenn Du gern ausgleichend wirkst und ein Problem dauerhaft und gut lösen willst, zudem an Menschen interessiert bist und keine Berührungsängste hast, wirst Du Vergleichsverhandlungen im Zivilrecht sehr gern machen. Ich habe einen für LG-Verhältnisse sehr lockeren und "bürgernahen" Stil der Sitzungsleitung und meine Auffassung zur Rechtslage und Zweckmäßigkeit immer sehr deutlich kund getan - das ist mir nahezu nie übel genommen worden und hat mir in mehreren Jahren höchstens dreimal einen (offensichtlich unbegründeten) Befangenheitsantrag eingebracht. Umgekehrt sind die Anwälte fast immer dankbar für die Offenheit gewesen und haben sich für die gute Terminsvorbereitung und die Geduld beim Erarbeiten einer Einigung bedankt.
Natürlich klappt das nicht immer, und nicht alle Fälle eignen sich dafür. Tatsächlich ist nach meinem Eindruck eher ein großes Problem für das Selbstverständnis der Richterschaft, dass es in immer mehr Fällen überhaupt nicht um ein menschliches Problem geht, das bearbeitet und gelöst werden muss, sondern um rechtsschutzversichert auf gut Glück begonnene, industriell vorgebrachte (Diesel- u.ä.) Klagen. Das frustriert gerade diejenigen maßlos, die mit dem von Dir genannten Motiv den Beruf ergriffen haben.