04.03.2022, 18:28
Der erste Sitzungsdienst steht bevor... leichte Panik macht sich breit.
Wenn ihr zurück blickt - welchen Tipp habt ihr, den euch vorher noch keiner gesagt hatte ?
Was war das Schlimmste, das euch mal passiert ist?
Besten Dank
Wenn ihr zurück blickt - welchen Tipp habt ihr, den euch vorher noch keiner gesagt hatte ?
Was war das Schlimmste, das euch mal passiert ist?
Besten Dank
04.03.2022, 18:52
Richtig dumm: auf den richtigen Platz setzen (einer meiner Fehler)....
Selbstbewusstsein ist alles, die haben da schon gemerkt wie unsicher ich bin.
Wenn die Empfehlung der StA nicht passt, dann nimm sie nicht, aber orientiere dich grob daran.
Selbstbewusstsein ist alles, die haben da schon gemerkt wie unsicher ich bin.
Wenn die Empfehlung der StA nicht passt, dann nimm sie nicht, aber orientiere dich grob daran.
04.03.2022, 19:33
Ich habe mal auf Freispruch plädiert und dann wurde es eine Verurteilung. Der Angeklagte ist beinahe vom Glauben abgefallen
04.03.2022, 21:19
Glaub den Vorschlägen nicht
04.03.2022, 23:19
Sei flexibel und mach dir klar, dass du vorher nicht alles wissen/durchdenken kannst.
09.03.2022, 11:50
das schlimmste war für mich ein Sachverhalt der sich in der Sitzung völlig anders darstellte. Der angeklagte Sachverhalt war ganz anders. Der Angeklagte war es wohl nicht, aber er erleichtert sein Herz und gesteht verschiedene Straftaten, die er begangen hat. Teilweise in Bezug auf den Sachverhalt, teilweise ganz was anderes. Ich war völlig durch den Wind. Auf was muss ich plädieren? Freispruch? Was ist mit dem Rest? Nachtragsanklage? Ich muss sehr verzweifelt ausgesehen haben. Der Amtsrichter war aber sehr hilfreich. Er hat angeregt vor dem Plädoyer zu unterbrechen. Konnte mit meinem Ausbildungsstaatsanwalt sprechen und ich konnte dann einfach wieder zurück. Freispruch und der Rest kommt später und wird erst ausermittelt. Habe daraus gelernt. Auch diesen Fall im Vorfeld mal durchspielen und mit dem Staatsanwalt besprechen, wo man ihn ggf. erreichen kann
09.03.2022, 13:00
(04.03.2022, 23:19)Gast schrieb: Sei flexibel und mach dir klar, dass du vorher nicht alles wissen/durchdenken kannst.
Dem schließe ich mich an. Es kommt sehr schlecht, wenn man alles vorher auswendig lernt. Wenn sich dann der Sachverhalt anders darstellt als er angeklagt ist, kommt man entweder total durcheinander oder man hält an dem vorgeschriebenen Text fest und macht sich lächerlich.
Einem kann ansonsten echt nicht viel passieren, im Endeffekt macht es wirklich Spaß.
Man sollte einfach im Kopf haben, was alles in der Verhandlung passieren kann und was man dann machen kann. Ansonsten immer aufmerksam sein und offen dafür sein, mal etwas zu improvisieren.
Das Nervigste war bei mir immer, wenn man einstellen wollte und den Ausbilder/ Dezernenten anrufen musste und kein Mensch erreichbar war.
09.03.2022, 23:15
Angeklagter beschreibt auf Nachfrage schön wie er seine Frau geschlagen hat. Anwältin plädiert auf Einstellung, da die Frau nicht aussagt (Klassiker). Ich total verwirrt zur Anwältin, wozu brauchen wir denn die Frau noch, ihr Mandant hat doch gerade alles zugegeben. Anwältin schweigt! Die war echt unterirdisch, aber ich dachte die ganze Zeit ich würde was übersehen weils mir zu krass vorkam ?
24.03.2022, 17:19
Lies dir vorher mehrfach die Anklageschrift laut vor, damit du über lange Worte oder ähnliches nicht stolperst. Mach das auch schon im Stehen, denn du wirst eh nicht sitzen. Wenn du die Möglichkeit hast, hole dir die Akten so früh wie möglich ab (teilweise haben wir am Sitzungstag eine zusätzliche Akte bekommen, das war echt mies!)
Geh direkt zum richtigen Platz - der mit der Sonne im Rücken ;-)
überlege dir, was du für angemessen hälst und nicht, was in der Akte steht.
Notiere dir neben der Nummer vom Ausbilder auch die Nummern vom Vertreter und Dezernenten, sodass du MINDESTENS 3 Personen zum Anrufen hast. Nichts ist peinlicher, als dass alle warten und dann kann man trotz Überzeugung nicht einstellen, weil man niemanden erreicht hat. Ab dem dritten Sitzungsdienst habe ich für die besprochenen Fälle eine Art "Freifahrtschein" bekommen.
Geh direkt zum richtigen Platz - der mit der Sonne im Rücken ;-)
überlege dir, was du für angemessen hälst und nicht, was in der Akte steht.
Notiere dir neben der Nummer vom Ausbilder auch die Nummern vom Vertreter und Dezernenten, sodass du MINDESTENS 3 Personen zum Anrufen hast. Nichts ist peinlicher, als dass alle warten und dann kann man trotz Überzeugung nicht einstellen, weil man niemanden erreicht hat. Ab dem dritten Sitzungsdienst habe ich für die besprochenen Fälle eine Art "Freifahrtschein" bekommen.
25.03.2022, 17:16
Puh, da kommen Erinnerungen hoch...
Der Sitzungsdienst hat mir vor allem eines gezeigt: Dass meine Staatsanwaltschaft ein komplett unorganisierter Chaosladen ist.
Ständig gingen Akten verloren und es wurden Leute eingeteilt, die Urlaub hatten oder man hatte Terminüberschneidungen etc.
Gefühlt immer fehlten die BZR-Auszüge in der Handakte, oder es wurde kein Strafmaß vom Dezernenten vorgeschlagen. Gerade ersteres fand ich besonders ätzend, weil man sich so im Vorfeld kein Bild vom Angeklagten machen konnte sondern warten musste, bis das BZR vorgelesen wurde und man freestyle das eben gehörte unterbringen musste.
Ging es um ne Einstellung hat man sehr oft keinen Dezernenten erreicht. Generell hatten die Staatsanwälte die Referendare extrem eingespannt. Gefühlt alles, was man irgendwie abdrücken konnte (und was noch unter 142 III GVG fiel :D) wurde an uns abgegeben. Teilweise echt komplizierte, mehrtätige Verhandlungen mit zig Zeugen, bei denen es besser gewesen wäre, mindestens einen Amtsanwalt zu nehmen, anstatt einen Referendar, der das zum ersten Mal im Leben macht.
Aus dem Ganzen hab ich aber die folgenden Tipps mitgenommen:
- Wenn man sich absolut unsicher ist, ob die Beweislage für ne Verurteilung ausreicht, geht man IM ZWEIFEL NICHT auf den Freispruch. Liegt einfach daran, dass im Regelfall beim Strafbefehl oder bei der Anklage sich der Dezernent/Richter schon etwas gedacht hat und das nicht aus heiterem Himmel kommt. Ergo spricht die Statistik dafür, dass die Mehrheit der Strafbefehle oder Anklagen auch zutreffend sind.
- Auf jeden Fall immer das kleine blaue Büchlein zum Sitzungsdienst dabei haben. Ist echt gold wert, wenn man nicht weiter weiß und das haben auch manche Richter auf dem Tisch liegen.
- Im Zweifel ne Unterbrechung beantragen und Rücksprache halten, wenn man gar nicht weiter weiß. Die meisten Richter haben dafür Verständnis.
- Nicht von den Anwälten einschüchtern lassen!! Bei den Strafverteidigern gibts leider abgebrühte Zeitgenossen, die es "riechen" wenn der Referendar unsicher ist und das ausnutzen wollen.
- Gut die Akte vorbereiten. Wenn man sich ordentlich auskennt, ist man weniger nervös!
- Daheim schon mal ein paar Plädoyers vor dem Spiegel üben, dass man den groben Aufbau draufhat. Aber nicht irgendwas für die Verhandlung vorformulieren und dann auswendig vorsagen. Das kann nach hinten losgehen, weil sich in der HV alles noch verändern kann.
Der Sitzungsdienst hat mir vor allem eines gezeigt: Dass meine Staatsanwaltschaft ein komplett unorganisierter Chaosladen ist.
Ständig gingen Akten verloren und es wurden Leute eingeteilt, die Urlaub hatten oder man hatte Terminüberschneidungen etc.
Gefühlt immer fehlten die BZR-Auszüge in der Handakte, oder es wurde kein Strafmaß vom Dezernenten vorgeschlagen. Gerade ersteres fand ich besonders ätzend, weil man sich so im Vorfeld kein Bild vom Angeklagten machen konnte sondern warten musste, bis das BZR vorgelesen wurde und man freestyle das eben gehörte unterbringen musste.
Ging es um ne Einstellung hat man sehr oft keinen Dezernenten erreicht. Generell hatten die Staatsanwälte die Referendare extrem eingespannt. Gefühlt alles, was man irgendwie abdrücken konnte (und was noch unter 142 III GVG fiel :D) wurde an uns abgegeben. Teilweise echt komplizierte, mehrtätige Verhandlungen mit zig Zeugen, bei denen es besser gewesen wäre, mindestens einen Amtsanwalt zu nehmen, anstatt einen Referendar, der das zum ersten Mal im Leben macht.
Aus dem Ganzen hab ich aber die folgenden Tipps mitgenommen:
- Wenn man sich absolut unsicher ist, ob die Beweislage für ne Verurteilung ausreicht, geht man IM ZWEIFEL NICHT auf den Freispruch. Liegt einfach daran, dass im Regelfall beim Strafbefehl oder bei der Anklage sich der Dezernent/Richter schon etwas gedacht hat und das nicht aus heiterem Himmel kommt. Ergo spricht die Statistik dafür, dass die Mehrheit der Strafbefehle oder Anklagen auch zutreffend sind.
- Auf jeden Fall immer das kleine blaue Büchlein zum Sitzungsdienst dabei haben. Ist echt gold wert, wenn man nicht weiter weiß und das haben auch manche Richter auf dem Tisch liegen.
- Im Zweifel ne Unterbrechung beantragen und Rücksprache halten, wenn man gar nicht weiter weiß. Die meisten Richter haben dafür Verständnis.
- Nicht von den Anwälten einschüchtern lassen!! Bei den Strafverteidigern gibts leider abgebrühte Zeitgenossen, die es "riechen" wenn der Referendar unsicher ist und das ausnutzen wollen.
- Gut die Akte vorbereiten. Wenn man sich ordentlich auskennt, ist man weniger nervös!
- Daheim schon mal ein paar Plädoyers vor dem Spiegel üben, dass man den groben Aufbau draufhat. Aber nicht irgendwas für die Verhandlung vorformulieren und dann auswendig vorsagen. Das kann nach hinten losgehen, weil sich in der HV alles noch verändern kann.