11.10.2022, 17:48
Heyho, eine Frage an alle aus der Justiz- wie lange braucht ihr im Schnitt für ein Urteil? Ich weiß, dass sich das nicht pauschalieren lässt, aber mich würde trotzdem mal so ein Näherungswert intressieren. Es gibt ja immerhin auch "Massesachen" am AG (Mietrecht, Verkehrsunfall etc.). Denkt ihr viel darüber nach, was ihr da gerade schreibt? Setzt ihr euch mit schwierigen Rechtsfragen auseinander oder klatscht ihr einfach irgendwas hin und überlasst den Rest dem LG?
11.10.2022, 21:46
Das hängt im Ergebnis ganz davon ab, ob ich schon mal einen vergleichbaren Fall hatte. Ich sammle bzw. archiviere alle meine Urteile, sodass ich bei gleichgelagerten Fällen regelmäßig auf meine bereits geschriebenen Urteile zurückgreife oder Textpassagen übernehme. Wenn es sich tatsächlich mal um eine gänzlich neue Thematik handeln sollte - was mittlerweile eher selten vorkommt - kann es schon durchaus mal sein, dass ich 1-2 Tage an dem Urteil sitze, wobei da auch einige Unterbrechungen dabei sind. Ist zwar viel Zeit, aber dafür waren meine Urteile bislang auch berufungsfest
11.10.2022, 22:04
Bin nicht in der Justiz aber überlege in NRW zur Justiz zu wechseln, deshalb die Frage: Wie kann man sich denn 2 Tage Zeit nehmen für ein Urteil, wenn man am AG pro Jahr 700 Sachen zu erledigen hat (die Zahl nannte unser ehemaliger AG-Leiter)? Das sind ja je Woche knapp 15 Erledigungen. Sind die Zahlen falsch oder muss man in der Justiz einfach völlig oberflächlich arbeiten?
11.10.2022, 22:11
(11.10.2022, 22:04)Gast schrieb: Bin nicht in der Justiz aber überlege in NRW zur Justiz zu wechseln, deshalb die Frage: Wie kann man sich denn 2 Tage Zeit nehmen für ein Urteil, wenn man am AG pro Jahr 700 Sachen zu erledigen hat (die Zahl nannte unser ehemaliger AG-Leiter)? Das sind ja je Woche knapp 15 Erledigungen. Sind die Zahlen falsch oder muss man in der Justiz einfach völlig oberflächlich arbeiten?
Die genaue Zahl der erforderlichen Erledigungen kann ich dir leider nicht nennen, weiß daher nicht, ob 700 vielleicht etwas überzogen sind. Selbst wenn es stimmen sollte, musst du aber berücksichtigen, dass sich mindestens 2/3 der Sachen von alleine erledigen (VU, Vergleich, übereinstimmende Erledigung mit Kostenübernahme, klagerücknahme etc.) oder zumindest von alleine erledigen sollten. Gerade auf die Anzahl der Vergleiche hat man als Richter erheblichen Einfluss. Ich schreib im Jahr sicher nicht mehr als maximal 150 Urteile, da kann man sich bei neuen Konstellationen, die man bislang noch nicht hatte, durchaus mal 1-2 Tage Zeit nehmen
11.10.2022, 23:55
(11.10.2022, 22:04)Gast schrieb: Bin nicht in der Justiz aber überlege in NRW zur Justiz zu wechseln, deshalb die Frage: Wie kann man sich denn 2 Tage Zeit nehmen für ein Urteil, wenn man am AG pro Jahr 700 Sachen zu erledigen hat (die Zahl nannte unser ehemaliger AG-Leiter)? Das sind ja je Woche knapp 15 Erledigungen. Sind die Zahlen falsch oder muss man in der Justiz einfach völlig oberflächlich arbeiten?
Am AG erledigen sich super viele Sachen ohne dein Zutun.
Ich bin in einer Fachgerichtsbarkeit und habe 20-30 Erledigungen pro Monat bei 15-20 Eingängen pro Monat. Unter den 20-30 Erledigungen pro Monat sind vielleicht 2 - 4 Urteile. Der Rest sind Erledigungen durch Rücknahme, Vergleich, Anerkenntnis usw.
12.10.2022, 01:53
(11.10.2022, 23:55)Gast schrieb:(11.10.2022, 22:04)Gast schrieb: Bin nicht in der Justiz aber überlege in NRW zur Justiz zu wechseln, deshalb die Frage: Wie kann man sich denn 2 Tage Zeit nehmen für ein Urteil, wenn man am AG pro Jahr 700 Sachen zu erledigen hat (die Zahl nannte unser ehemaliger AG-Leiter)? Das sind ja je Woche knapp 15 Erledigungen. Sind die Zahlen falsch oder muss man in der Justiz einfach völlig oberflächlich arbeiten?
Am AG erledigen sich super viele Sachen ohne dein Zutun.
Ich bin in einer Fachgerichtsbarkeit und habe 20-30 Erledigungen pro Monat bei 15-20 Eingängen pro Monat. Unter den 20-30 Erledigungen pro Monat sind vielleicht 2 - 4 Urteile. Der Rest sind Erledigungen durch Rücknahme, Vergleich, Anerkenntnis usw.
Ja, wer kennt es nicht. Der Amtsrichter, der im Gütetermin die Parteien zu einem Vergleich drängt, indem er jeder Partei klar macht, dass sie verliert, wenn sie sich nicht vergleicht...
16.10.2022, 15:36
(11.10.2022, 21:46)Gast schrieb: Das hängt im Ergebnis ganz davon ab, ob ich schon mal einen vergleichbaren Fall hatte. Ich sammle bzw. archiviere alle meine Urteile, sodass ich bei gleichgelagerten Fällen regelmäßig auf meine bereits geschriebenen Urteile zurückgreife oder Textpassagen übernehme. Wenn es sich tatsächlich mal um eine gänzlich neue Thematik handeln sollte - was mittlerweile eher selten vorkommt - kann es schon durchaus mal sein, dass ich 1-2 Tage an dem Urteil sitze, wobei da auch einige Unterbrechungen dabei sind. Ist zwar viel Zeit, aber dafür waren meine Urteile bislang auch berufungsfest
Das ist bei mir ähnlich.
Ein unkompliziertes Urteil mit Tatbestand (Akte schon wg. Termin bekannt, keine komplizierten neuen Rechtsfragen, Textbausteine für die Obersätze aus früheren Urteilen vorhanden, ein bisschen Rumrechnen für Nebenforderungen) dauert dann vielleicht etwa 2 Stunden, bis es wirklich komplett fertig ist. Ganz einfaches Zeug nach § 495a natürlich viel schneller.
Komplizierte Urteile mit unübersichtlicher Akte und vielen oder unbekannten/schwierigen Rechtsfragen dauern dann schon mal einen Tag oder im Extremfall länger. So etwas habe ich aber nicht jede Woche, sondern vielleicht alle 6 Wochen, und es wird auch mit der Zeit immer seltener. Ich versuche dann, schon rechtzeitig anzufangen und es vielleicht auf drei Etappen zu machen, dass man auch noch zu anderen Sachen kommt.
Vieles liegt dann auch irgendwo dazwischen. Ich bin aber auch noch noch kein alter Hase.
18.10.2022, 11:07
Bin auch an dem Thema interessiert aber für das Verwaltungsgericht. Wie lange braucht ihr für ein Urteil? Momentan sitze ich im Baurecht teilweise 2 volle Tage dran das alles runterzuschreiben. Wenn es dann Mal wirklich kompliziert wird, dauert es auch Mal drei Tage.