06.07.2021, 13:36
Die Klageschrift ist ziemlich miserabel geschrieben. Man versteht ganz einfach nicht, was das Problem sein soll. Es wird aber eine ganze Reihe von Anlagen beigefügt. Darunter befindet sich insbesondere vorgerichtlicher Schriftverkehr. Damit ergibt das alles plötzlich Sinn.
Kann ich mir nach Belieben Infos aus den Anlagen herauspicken? Also auch ohne, dass diese in der Klageschrift/Klageerwiderung/... nochmals explizit erwähnt werden? Auch dann, wenn auch diese Anlagen zwar Bezug genommen wurde, aber dies bezüglich eines anderen Aspektes?
Kann ich mir nach Belieben Infos aus den Anlagen herauspicken? Also auch ohne, dass diese in der Klageschrift/Klageerwiderung/... nochmals explizit erwähnt werden? Auch dann, wenn auch diese Anlagen zwar Bezug genommen wurde, aber dies bezüglich eines anderen Aspektes?
06.07.2021, 13:49
Zitat:die Partei kann den erforderlichen Sachvortrag nicht durch die bloße Vorlage von Anlagen ersetzen; sie darf lediglich zur Ergänzung ihres Vorbringens konkret auf Anlagen Bezug nehmen.
BGH NJW 2016, 3092, Rn. 23.
06.07.2021, 22:00
Wenn ich mich richtig erinnere, muss man als Gericht nicht in die Anlagen schauen, außer es wird explizit hierauf verwiesen. Man darf es aber, auch wenn nicht hierauf Bezug genommen wird. Herauspicken klingt aber problematisch, wenn damit cherry picking gemeint ist. Wenn man sich schon unaufgefordert Infos aus den Anlagen holt, dann sollte man sich auch zu dem entsprechenden Thema vollständig aus der Akte informieren, ggf auch aus Anlagen der Gegenpartei zu diesem Thema oder ähnliches, wenn sich der Inhalt widerspricht.
06.07.2021, 22:15
Du solltest aber dabei darauf achten, innerhalb des Streitgegenstandes zu bleiben, der sich aus dem Schriftsatz ergibt. Also man kann sich keine neue, sinnvollere Klage aus den Anlagen zusammensuchen oder den ursprünglichen Streitgegenstand um rechtlich interessante Aspekte aus den Anlagen erweitern. Wenn das, was die Partei begehrt, in den Anlagen schlicht besser erklärt und dargestellt ist oder implizit zum Streitgegenstand gehört und im Schriftsatz nur nicht ausführlich oder eindeutig vorgetragen wurde, dann ist es meiner Meinung nach kein Problem. Die oben zitierte Entscheidung spricht ja nur von einer fehlenden Pflicht, sich durch Anlagen zu wühlen, nicht umgekehrt von einem Verbot.
06.07.2021, 23:54
(06.07.2021, 22:15)Gast schrieb: Wenn das, was die Partei begehrt, in den Anlagen schlicht besser erklärt und dargestellt ist oder implizit zum Streitgegenstand gehört und im Schriftsatz nur nicht ausführlich oder eindeutig vorgetragen wurde, ...
Genau das ist in meinem Fall das Problem, danke! Es soll kein Rosinenpicken werden. Aber der anwaltliche Schriftsatz lässt "leider" einen Umstand unerwähnt oder nimmt ihn allenfalls nur ganz am Rande mit auf, der nach einem Blick in die Anlagen recht offensichtlich (und wohl unstreitig) vorliegt und der erst verstehen lässt, was der Anwalt da im Übrigen alles vorträgt. Ersichtlich war das auch mal im vorgerichtlichen Stadium thematisiert worden.
Der Anwalt scheint nun eine etwas andere Rechtsauffassung zu vertreten als die wohl eigentlich Richtige. Daher lässt er diesen Umstand unbetont, obwohl er ihm zum Erfolg verhelfen würde (wenn man die wohl richtige Rechtsauffassung zugrunde legt).
07.07.2021, 21:32
Puh das ist mir zu abstrakt gehalten, aber du kannst wahrscheinlich auch nicht konkreter werden, ohne Wiedererkennungseffekte zu erzeugen. Also wenn der Anwalt pauschal auf diese Anlage irgendwo verweist, zB über "Beweis: Anlage ..." oder indirekt, indem er den Inhalt vorträgt wie "mit Schreiben vom ... erklärte die Beklagte ..." (das dann die Anlage ist), ist es meine ich nicht verboten, die Anlagen vollständig zu lesen und daraus alles, was zum Antrag / Streitgegenstand gehört zu verwerten. Die Anlagen sollen ja gerade den Sachvortrag unterfüttern und ausfüllen/präzisieren bzw. auch um Details ergänzen.
07.07.2021, 22:01
Vielleicht beantwortet Anders/Gehle Kapitel A Rn 15 deine Frage abschließend. Der sieht es aber meinem Eindruck nach etwas enger und will nur im Umfang der Bezugnahme auf Urkunden/Privatgutachten deren Inhalt als Vortrag gelten lassen. Wenn ich das richtig sehe anders Oberheim, der in Rn. 353 eine "stillschweigende Bezugnahme" auf eine Anlage genügen lässt, um diese (anscheinend gänzlich) als Quelle der Tatsachenfeststellung zuzulassen.
07.07.2021, 22:21
(06.07.2021, 23:54)Gast schrieb:(06.07.2021, 22:15)Gast schrieb: Wenn das, was die Partei begehrt, in den Anlagen schlicht besser erklärt und dargestellt ist oder implizit zum Streitgegenstand gehört und im Schriftsatz nur nicht ausführlich oder eindeutig vorgetragen wurde, ...
Genau das ist in meinem Fall das Problem, danke! Es soll kein Rosinenpicken werden. Aber der anwaltliche Schriftsatz lässt "leider" einen Umstand unerwähnt oder nimmt ihn allenfalls nur ganz am Rande mit auf, der nach einem Blick in die Anlagen recht offensichtlich (und wohl unstreitig) vorliegt und der erst verstehen lässt, was der Anwalt da im Übrigen alles vorträgt. Ersichtlich war das auch mal im vorgerichtlichen Stadium thematisiert worden.
Der Anwalt scheint nun eine etwas andere Rechtsauffassung zu vertreten als die wohl eigentlich Richtige. Daher lässt er diesen Umstand unbetont, obwohl er ihm zum Erfolg verhelfen würde (wenn man die wohl richtige Rechtsauffassung zugrunde legt).
Dann ist es einfach: richterlicher Hinweis!
Ansonsten ist es natürlich so, dass man ungern den Sachverhalt aus den Anlagen zusammensucht. Wenn man aber nun einmal etwas dort gelesen hat, ignoriert man es ungern und neigt dazu, es auch zu verwerten.