04.02.2021, 13:25
Vermieter hat dem Mieter einer Wohnung gekündigt. Der Mieter hat daraufhin die Zahlung der Miete eingestellt, aber ist nicht ausgezogen. Vermieter klagt auf Räumung (1.) und auf Entschädigung nach § 546a BGB (2.). Insoweit alles absolut üblich.
Während des Streits über die Pflicht zur Räumung (1.) stellt sich heraus, dass die Kündigung gar nicht wirksam ist. Der Mietvertrag besteht also noch. Der Mieter müsste also weiterhin Miete zahlen (also nicht "nur" die Entschädigung nach § 546a BGB). Er hat aber keine Miete mehr gezahlt seit dem Datum der vermeintlichen Kündigung.
Der Anspruch auf Zahlung der Miete besteht offensichtlich. Der stattdessen geltend gemachte Anspruch nach § 546a BGB hingegen offensichtlich nicht (es fehlt an "Beendigung des Mietverhältnisses"). Was wird nun aus der Klage, soweit statt einer Mietzahlung die Zahlung von Entschädigung nach § 546a BGB verlangt wurde (2.)?
Wenn jetzt statt der Entschädigung einfach die normale Miete verlangt wird, ist das eine Klageänderung? Ist das ein neuer Streitgegenstand? Ein neuer Lebenssachverhalt?
Einerseits wird im Ergebnis in beiden Fällen eine Zahlung verlangt und zwar realistischerweise in gleicher Höhe. Andererseits wird sich bei dem einen Anspruch auf vertragliche Grundlage berufen (egal ob Wohnung zurückgegeben oder nicht), bei dem anderen auf einen tatsächlichen Umstand (Wohnung wird vorenthalten).
Was meint ihr? Kennt ihr Rechtsprechung oder Kommentierungen? Habe leider auf Anhieb nichts gefunden.
Während des Streits über die Pflicht zur Räumung (1.) stellt sich heraus, dass die Kündigung gar nicht wirksam ist. Der Mietvertrag besteht also noch. Der Mieter müsste also weiterhin Miete zahlen (also nicht "nur" die Entschädigung nach § 546a BGB). Er hat aber keine Miete mehr gezahlt seit dem Datum der vermeintlichen Kündigung.
Der Anspruch auf Zahlung der Miete besteht offensichtlich. Der stattdessen geltend gemachte Anspruch nach § 546a BGB hingegen offensichtlich nicht (es fehlt an "Beendigung des Mietverhältnisses"). Was wird nun aus der Klage, soweit statt einer Mietzahlung die Zahlung von Entschädigung nach § 546a BGB verlangt wurde (2.)?
Wenn jetzt statt der Entschädigung einfach die normale Miete verlangt wird, ist das eine Klageänderung? Ist das ein neuer Streitgegenstand? Ein neuer Lebenssachverhalt?
Einerseits wird im Ergebnis in beiden Fällen eine Zahlung verlangt und zwar realistischerweise in gleicher Höhe. Andererseits wird sich bei dem einen Anspruch auf vertragliche Grundlage berufen (egal ob Wohnung zurückgegeben oder nicht), bei dem anderen auf einen tatsächlichen Umstand (Wohnung wird vorenthalten).
Was meint ihr? Kennt ihr Rechtsprechung oder Kommentierungen? Habe leider auf Anhieb nichts gefunden.
04.02.2021, 13:48
Der Streitgegenstand ist doch der Lebenssachverhalt (ähnlich wie im Strafrecht: prozessuale Tat). Es ist doch für das Gericht unerheblich auf welcher Rechtsnorm der Kläger seinen Anspruch stützt
04.02.2021, 13:55
Die umgekehrte Konstellation ("Übergang" vom Mietzins zur Nutzungsentschädigung) wurde vom BGH bereits entschieden und nicht als Klageänderung eingeordnet (BGH NJW 2015, 1093 Rn. 8). Das Gleiche muss daher für den "Übergang" von der Nutzungsentschädigung zum Mietzins gelten.
09.02.2021, 20:37
Zitat:Der Streitgegenstand ist doch der Lebenssachverhalt
Die Frage, die ich mir gestellt habe, ist die, ob es nicht zwei verschiedene Lebenssachverhalte sind:
1) wenn Mietzahlung verlangt wird: Anspruchsbegründend ist der Umstand, dass (möglicherweise vor vielen vielen Jahren) ein Mietvertrag geschlossen wurde. Ob der Mieter die Wohnung heute überhaupt noch in seinem Besitz hält, ist irrelevant (solange der Mietvertrag nicht gekündigt o.ä. ist).
2) wenn Nutzungsentschädigung verlangt wird: Anspruchsbegründend ist, dass der (frühere) Mieter die Wohnung heute in seinem tatsächlichen Besitz hält und die Rückgabe an den Vermieter verweigert.
Vertragsschluss vor vielen Jahren und Weigerung der Herausgabe heute sind für mich zwei verschiedene Lebenssachverhalte. Allerdings bin ich auch kein Experten für solche Fragen.
Zitat:Die umgekehrte Konstellation ("Übergang" vom Mietzins zur Nutzungsentschädigung) wurde vom BGH bereits entschieden und nicht als Klageänderung eingeordnet (BGH NJW 2015, 1093 Rn. 8).
Sehr interessant, danke! Interessant vor allem auch, dass LG und OLG anscheinend zuvor anders entschieden haben. Leider geht der BGH an der entscheidenden Stelle dann etwas flott drüber hinweg und äußert sich nicht ausführlich dazu, warum das nun derselbe Lebenssachverhalt ist. Schade.
10.02.2021, 01:02
(04.02.2021, 13:48)Gast schrieb: Der Streitgegenstand ist doch der Lebenssachverhalt (ähnlich wie im Strafrecht: prozessuale Tat). Es ist doch für das Gericht unerheblich auf welcher Rechtsnorm der Kläger seinen Anspruch stützt
Den gleichen Gedanken hatte ich auch. Klageantrag bleibt gleich, das ist klar. Ich denke einfach der BGH vereinfacht den Klagegrund, also den Lebenssachverhalt soweit, dass es am Ende passt: hier also, der A räumt dem B den Gebrauch einer Wohnung ein. Mit welchem Recht der A hierfür eine Gegenleistung verlangen kann, wäre dann die Frage nach dem materiellen Anspruch. So kommt es mir plausibel vor, wobei ich das immer noch nicht so ganz überzeugend finde.