14.11.2020, 21:52
(14.11.2020, 11:31)Gast schrieb:(14.11.2020, 11:09)Gast schrieb: Was sollen 67 Ermittlungsverfahren eigentlich aussagen? Gar nichts. Irgendwas daraus herzuleiten ist echt abenteuerlich. Macht halt weniger unnötige Ermittlungsverfahren. Daraus zu schließen, dass die Person öfter verurteilt werden müsste ist einfach absurd+1, hatte in meiner Sitzungsvertretung bei der StA auch jemanden, dessen Verfahrensliste über 50 Einträge hatte, der aber noch nicht einmal verurteilt wurde. Das war einfach eine anstrengende Person, die aber genau wusste, was sie darf und was nicht. Hat ne Menge Leute geärgert, aber nie die Grenze überschritten. Auch das Verfahren in "meiner" Sitzung endete mit einem Freispruch, weil der Mensch sein Handeln auf Video aufgezeichnet hatte und nachweisen konnte, dass die ihm vom Anzeigenerstatter und zwei Zeugen zu Last gelegten Taten nie passiert waren. Hat er halt bis zur HV mit gewartet, was sein gutes Recht ist.
Nur weil gegen jemanden oft ermittelt wird, heißt das nicht, dass die Person sich auch irgendwas zu schulden hat kommen lassen. Oft reicht ja schon ein ausgefallener Kleidungsstil, nichtweiße Haut oder der falsche Aufenthaltsort, um auf dem Radar der Strafverfolgungsbehörden zu landen.
Hast du dann mit deiner Ausbilderin/deinem Ausbilder besprochen, ob eine Strafbarkeit nach 201 stgb in Betracht kommt?
14.11.2020, 21:58
(14.11.2020, 09:15)Leser schrieb: Heute in einer großen deutschen Tageszeitung: Mal wieder ein Artikel über die aktuelle Überforderung von Staatsanwaltschaft und Richterschaft, bezogen auf die Arbeitslast -
https://www.sueddeutsche.de/karriere/jus...-1.5111414
Ich selbst liebäugele mit dem Justizdienst. Ich weiß, das Thema wurde schon mehrfach in anderen Threads aufgegriffen und ich will auch keine neue Diskussion à la "Ist es besser, in der GK zu arbeiten oder in der Justiz?" starten. Mich würde nur an die BerufseinsteigerInnen unter euch, die es in den Justizdienst verschlagen hat, interessieren: Ist es wirklich so schlimm mit der Überforderung? Oder wird hier sehr polemisch ein Bild gezeichnet, was vielleicht auf NRW und Berlin zutreffen mag, aber nicht auf den Großteil des Rests der Republik?
Hab jetzt den ganzen thread nicht gelesen. Bei uns (auch nrw):
- ca. 50 Stunden pro Woche im ersten Jahr, kurz vor und nach dem Urlaub auch mal am WE
Später (so nach 2-3 Jahren) kann man - wenn man gut (oder unambitioniert) ist und das Dezernat passt - auch mit 35-40 Stunden auskommen. Ist bei uns aber eher die Ausnahme
15.11.2020, 00:43
(14.11.2020, 21:58)Gast schrieb:(14.11.2020, 09:15)Leser schrieb: Heute in einer großen deutschen Tageszeitung: Mal wieder ein Artikel über die aktuelle Überforderung von Staatsanwaltschaft und Richterschaft, bezogen auf die Arbeitslast -
https://www.sueddeutsche.de/karriere/jus...-1.5111414
Ich selbst liebäugele mit dem Justizdienst. Ich weiß, das Thema wurde schon mehrfach in anderen Threads aufgegriffen und ich will auch keine neue Diskussion à la "Ist es besser, in der GK zu arbeiten oder in der Justiz?" starten. Mich würde nur an die BerufseinsteigerInnen unter euch, die es in den Justizdienst verschlagen hat, interessieren: Ist es wirklich so schlimm mit der Überforderung? Oder wird hier sehr polemisch ein Bild gezeichnet, was vielleicht auf NRW und Berlin zutreffen mag, aber nicht auf den Großteil des Rests der Republik?
Hab jetzt den ganzen thread nicht gelesen. Bei uns (auch nrw):
- ca. 50 Stunden pro Woche im ersten Jahr, kurz vor und nach dem Urlaub auch mal am WE
Später (so nach 2-3 Jahren) kann man - wenn man gut (oder unambitioniert) ist und das Dezernat passt - auch mit 35-40 Stunden auskommen. Ist bei uns aber eher die Ausnahme
Nicht besonders klug....
Vertrag für 40h haben und dann 50h die Woche machen..
Mal abgesehen davon, dass es wegen der Statistiken bei jedem die Arbeitslast erhöht
15.11.2020, 01:36
(15.11.2020, 00:43)Gast schrieb:(14.11.2020, 21:58)Gast schrieb:(14.11.2020, 09:15)Leser schrieb: Heute in einer großen deutschen Tageszeitung: Mal wieder ein Artikel über die aktuelle Überforderung von Staatsanwaltschaft und Richterschaft, bezogen auf die Arbeitslast -
https://www.sueddeutsche.de/karriere/jus...-1.5111414
Ich selbst liebäugele mit dem Justizdienst. Ich weiß, das Thema wurde schon mehrfach in anderen Threads aufgegriffen und ich will auch keine neue Diskussion à la "Ist es besser, in der GK zu arbeiten oder in der Justiz?" starten. Mich würde nur an die BerufseinsteigerInnen unter euch, die es in den Justizdienst verschlagen hat, interessieren: Ist es wirklich so schlimm mit der Überforderung? Oder wird hier sehr polemisch ein Bild gezeichnet, was vielleicht auf NRW und Berlin zutreffen mag, aber nicht auf den Großteil des Rests der Republik?
Hab jetzt den ganzen thread nicht gelesen. Bei uns (auch nrw):
- ca. 50 Stunden pro Woche im ersten Jahr, kurz vor und nach dem Urlaub auch mal am WE
Später (so nach 2-3 Jahren) kann man - wenn man gut (oder unambitioniert) ist und das Dezernat passt - auch mit 35-40 Stunden auskommen. Ist bei uns aber eher die Ausnahme
Nicht besonders klug....
Vertrag für 40h haben und dann 50h die Woche machen..
Mal abgesehen davon, dass es wegen der Statistiken bei jedem die Arbeitslast erhöht
Als ob in der Ernennungsurkunde die Arbeitszeit des Beamten festgelegt wird...
15.11.2020, 09:29
(15.11.2020, 00:43)Gast schrieb:(14.11.2020, 21:58)Gast schrieb:(14.11.2020, 09:15)Leser schrieb: Heute in einer großen deutschen Tageszeitung: Mal wieder ein Artikel über die aktuelle Überforderung von Staatsanwaltschaft und Richterschaft, bezogen auf die Arbeitslast -
https://www.sueddeutsche.de/karriere/jus...-1.5111414
Ich selbst liebäugele mit dem Justizdienst. Ich weiß, das Thema wurde schon mehrfach in anderen Threads aufgegriffen und ich will auch keine neue Diskussion à la "Ist es besser, in der GK zu arbeiten oder in der Justiz?" starten. Mich würde nur an die BerufseinsteigerInnen unter euch, die es in den Justizdienst verschlagen hat, interessieren: Ist es wirklich so schlimm mit der Überforderung? Oder wird hier sehr polemisch ein Bild gezeichnet, was vielleicht auf NRW und Berlin zutreffen mag, aber nicht auf den Großteil des Rests der Republik?
Hab jetzt den ganzen thread nicht gelesen. Bei uns (auch nrw):
- ca. 50 Stunden pro Woche im ersten Jahr, kurz vor und nach dem Urlaub auch mal am WE
Später (so nach 2-3 Jahren) kann man - wenn man gut (oder unambitioniert) ist und das Dezernat passt - auch mit 35-40 Stunden auskommen. Ist bei uns aber eher die Ausnahme
Nicht besonders klug....
Vertrag für 40h haben und dann 50h die Woche machen..
Mal abgesehen davon, dass es wegen der Statistiken bei jedem die Arbeitslast erhöht
Genau da liegt ja das Problem: Man bekommt auf Grundlage von Pebb§y die Menge an Akten, die angeblich in der Dienstzeit von (derzeit) 41 Stunden bearbeitet werden können. Das geht irgendwie auch tatsächlich, wenn man nahezu alles einstellt (vor allem Verkehrsordnungswidrigkeiten), sich nicht für die Biographie der Angeklagten interessiert, von der Entscheidung über Adhäsionsverfahren absieht, robust auf Geständnisse einwirkt bzw. mit den Strafen zur Abwendung eines Rechtsmittels (und Verhinderung eines zeitaufwendigen vollen Urteils) so niedrig bleibt, dass die Angeklagten sich mit ihren Verteidigern abklatschen beim Verlassen des Sitzungssaals.
Hinzu kommt, dass die Belastung nach Pebb§y nur selten bei 100 % liegt, sondern gerne mal drüber liegt, dazu kommen Dauervertretungen wegen Mutterschutz, 2-Monats-Elternzeiten und Langzeiterkrankungen.
Und so hängt es eben von dem einzelnen Richter ab, ob er seinen Dienst entsprechend seinem Gewissen in 50 Stunden in der Woche erledigt, oder es eben auch in 40 Stunden „schafft“. Und die Justizverwaltung wäscht ihre Hände in Unschuld, verweist zum Beleg, dass das zu schaffen ist, auf die „Effizienten“ und schwärmt zugleich von der hohen Qualität der Justiz, die aber halbwegs von denen aufrechterhalten wird, die sich überobligatorisch 50 Stunden in der Woche Zeit nehmen.
Das führt nach meiner Beobachtung der älteren Kollegen entweder zu einer Abstumpfung/großen inneren Distanz zur eigenen Tätigkeit („ist doch egal, mach die Akte doch einfach tot, indem du...“) oder zu Überforderungserkrankungen bis hin zu Depressionen und Suchterkrankungen. Gesund und mit Identifikation mit der richterlichen Tätigkeit alt zu werden scheint nahezu unmöglich zu sein.
15.11.2020, 10:15
Es kommt auch etwas auf die Kammer an (wenn man beim LG anfängt). Meine ist super organisiert, wir haben auch viel aber es wird effizient gemacht. Wenn der Vorsitzende sich nicht zurücklehnt und alles die BE machen lässt, dann kommt man gut zurecht. Ich würde meine Berufswahl nicht davon abhängig machen, ob ich viel arbeiten muss. Das muss man in jedem Job, jeder Job kann einen erheblich einspannen, kommt ja auch drauf an, was man privat noch so hat (Familie usw.). Wichtig ist vielmehr, ob mir das, was ich tue, auch Spaß macht! Ansonsten gilt auch hier: probieren geht über studieren. Und die erste Zeit ist immer hart. Egal wo man anfängt. Das Ref bereitet nur wenig auf die wirkliche Praxis und den Berufsalltag vor. Ich kann nur sagen, dass ich es absolut nicht bereue.
15.11.2020, 10:41
(15.11.2020, 10:15)Proberichterin schrieb: Es kommt auch etwas auf die Kammer an (wenn man beim LG anfängt). Meine ist super organisiert, wir haben auch viel aber es wird effizient gemacht. Wenn der Vorsitzende sich nicht zurücklehnt und alles die BE machen lässt, dann kommt man gut zurecht. Ich würde meine Berufswahl nicht davon abhängig machen, ob ich viel arbeiten muss. Das muss man in jedem Job, jeder Job kann einen erheblich einspannen, kommt ja auch drauf an, was man privat noch so hat (Familie usw.). Wichtig ist vielmehr, ob mir das, was ich tue, auch Spaß macht! Ansonsten gilt auch hier: probieren geht über studieren. Und die erste Zeit ist immer hart. Egal wo man anfängt. Das Ref bereitet nur wenig auf die wirkliche Praxis und den Berufsalltag vor. Ich kann nur sagen, dass ich es absolut nicht bereue.
Wofür ist deine Kammer zuständig ?
Bist du in einem größeren Bezirk tätig?
Wie alt ist dein Vorsitzender / deine Vorsitzende ?
15.11.2020, 10:43
8 Jahre Straferfahrung in Kurzform:
Es ist vernünftig nicht zu schaffen. Gewisse Straftaten stellen mittlerweile bestenfalls noch ein Wohlverhaltensgebot dar; wenn du dich nicht daran hältst, ändern das auch nichts. Es sei denn du bist derart penetrant, dass Wegschauen nicht mehr möglich ist.
Ansonsten wird eingestellt was geht, was nicht eingestellt werden kann wird so kurz wie möglich (und seltenst richtig) behandelt, da die Statistik alles ist. Und mehr als effektiv 50 Stunden in der Woche (nicht über wenige Wochen, sondern jahresübergreifend) ist nicht zu bewerkstelligen.
Und die besagte Statistik ist entscheidend für das berufliche Fortkommen. Und eben auch für das Geld, was in die Justiz fließt. Denn wäre es offenbar, dass die Verfahren völlig aus dem Ruder laufen, müsste etwas unternommen werden. Mit den genannten "Tricks" werden sie noch im Rahmen des irgendwie Erträglichen (besser: des irgendwie Verkaufbaren) gehalten.
Es ist vernünftig nicht zu schaffen. Gewisse Straftaten stellen mittlerweile bestenfalls noch ein Wohlverhaltensgebot dar; wenn du dich nicht daran hältst, ändern das auch nichts. Es sei denn du bist derart penetrant, dass Wegschauen nicht mehr möglich ist.
Ansonsten wird eingestellt was geht, was nicht eingestellt werden kann wird so kurz wie möglich (und seltenst richtig) behandelt, da die Statistik alles ist. Und mehr als effektiv 50 Stunden in der Woche (nicht über wenige Wochen, sondern jahresübergreifend) ist nicht zu bewerkstelligen.
Und die besagte Statistik ist entscheidend für das berufliche Fortkommen. Und eben auch für das Geld, was in die Justiz fließt. Denn wäre es offenbar, dass die Verfahren völlig aus dem Ruder laufen, müsste etwas unternommen werden. Mit den genannten "Tricks" werden sie noch im Rahmen des irgendwie Erträglichen (besser: des irgendwie Verkaufbaren) gehalten.
15.11.2020, 11:59
wieso macht ihr Richter, die aus der Probezeit raus seid, das überhaupt mit?
15.11.2020, 12:01
(14.11.2020, 09:50)November schrieb:(14.11.2020, 09:46)Gast schrieb: Kommt eben darauf an wo man ist und wie man arbeitet.
Ich bin Staatsanwältin in einer mittelgroßen Behörde in Bayern.
Ich arbeite nicht mehr als meine 40 Stunden, gehe freitags immer spätestens um 15:00 Uhr, wir haben schöne Büros, Höhenverstellbare Schreibtische, jeder hat einen eigenen Laptop mit VPN Leitung, Bereitschaftshandy ist moderner als mein eigenes, wir haben mehrere Dienstwägen, die deutlich besser sind als mein eigenes Auto und jeder hat seine eigene Schreibkraft. Man wurde auch sehr gut angelernt und die Vorgesetzten haben auch immer Zeit wenn man ein Problem hat. Ich bin jedenfalls sehr zufrieden u würde mich immer wieder dafür entscheiden.
Für solche Artikel gehen die Reporter wahrscheinlich auch immer in die schlecht ausgestattetsten Behörden mit den schlecht gelauntesten Mitarbeitern.
Arbeitest du in Hof? :)
Hahahaha, gott sei dank noch menschen mit Humor hier.