17.02.2024, 17:37
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
ich bin an einem Sozialgericht seit gut sechs Jahren auf Lebenszeit ernannt. Erledigungszahlen sind gut weil ich viel unstreitig erledige; und ich habe zurzeit Arbeitszeiten von 25-30 Stunden pro Woche. Darf mich eigentlich gar nicht beschweren.
Gleichzeitig frage ich mich immer häufiger, ob dass es nun gewesen ist. Erprobung geht bei uns streng nach Einstellungsdatum und ist bei mir in ca. 7 Jahren vorgesehen. Abordnungen an oberste Bundesgerichte werden von unserem Direktor nicht unterstützt; müsste man gegen seinen Willen durchsetzen. Wobei mich jetzt auch nicht total reizt perspektivisch R2 zu werden. Die 300 € netto mehr ändern meinen Lebensstil jetzt auch nicht massiv ...
Lange Rede, kurzer Sinn: Ich frage mich manchmal, ob es das jetzt gewesen war. Gibt es hier Kolleginnen und Kollegen aus der Justiz in Einzelrichterdezernaten, denen es genauso geht? Wie geht ihr damit um?
ich bin an einem Sozialgericht seit gut sechs Jahren auf Lebenszeit ernannt. Erledigungszahlen sind gut weil ich viel unstreitig erledige; und ich habe zurzeit Arbeitszeiten von 25-30 Stunden pro Woche. Darf mich eigentlich gar nicht beschweren.
Gleichzeitig frage ich mich immer häufiger, ob dass es nun gewesen ist. Erprobung geht bei uns streng nach Einstellungsdatum und ist bei mir in ca. 7 Jahren vorgesehen. Abordnungen an oberste Bundesgerichte werden von unserem Direktor nicht unterstützt; müsste man gegen seinen Willen durchsetzen. Wobei mich jetzt auch nicht total reizt perspektivisch R2 zu werden. Die 300 € netto mehr ändern meinen Lebensstil jetzt auch nicht massiv ...
Lange Rede, kurzer Sinn: Ich frage mich manchmal, ob es das jetzt gewesen war. Gibt es hier Kolleginnen und Kollegen aus der Justiz in Einzelrichterdezernaten, denen es genauso geht? Wie geht ihr damit um?
17.02.2024, 18:58
(17.02.2024, 17:37)UndNun schrieb: Liebe Kolleginnen und Kollegen,
ich bin an einem Sozialgericht seit gut sechs Jahren auf Lebenszeit ernannt. Erledigungszahlen sind gut weil ich viel unstreitig erledige; und ich habe zurzeit Arbeitszeiten von 25-30 Stunden pro Woche. Darf mich eigentlich gar nicht beschweren.
Gleichzeitig frage ich mich immer häufiger, ob dass es nun gewesen ist. Erprobung geht bei uns streng nach Einstellungsdatum und ist bei mir in ca. 7 Jahren vorgesehen. Abordnungen an oberste Bundesgerichte werden von unserem Direktor nicht unterstützt; müsste man gegen seinen Willen durchsetzen. Wobei mich jetzt auch nicht total reizt perspektivisch R2 zu werden. Die 300 € netto mehr ändern meinen Lebensstil jetzt auch nicht massiv ...
Lange Rede, kurzer Sinn: Ich frage mich manchmal, ob es das jetzt gewesen war. Gibt es hier Kolleginnen und Kollegen aus der Justiz in Einzelrichterdezernaten, denen es genauso geht? Wie geht ihr damit um?
"Es" ist das, was du daraus machst. Wie siehts mit AGs, Veröffentlichungen, Lehrtätigkeiten usw. aus? Und wenn Abordnungen gegen den Willen des Direktor erkämpft werden müssen: so what? Der wird auch nicht ewig dein Direktor bleiben.
17.02.2024, 21:10
Ich kenne das Gefühl genau. Die klassische berufliche Midlife crisis ;-) Der Mensch braucht halt Ziele im Leben. Das ist mE auch der tiefere Sinn von R2 und nicht die 300 Euro netto mehr.
Jetzt aber mal direkt die gute Nachricht:
Es gibt ein Leben ausserhalb des Berufs.
Ich war vor 3 Jahren an demselben Punkt wie du. Die R2 wird bei uns an U40-Jährige nach reiner Sympathie der Hausleitung vergeben oder eben nicht. Ob man dafür in Frage kommt, lässt diese einen schon nach kurzer Zeit wissen. So sieht langfristig motivierende Personalentwicklung aus - nicht.
Entweder man sieht sich also nochmal woanders um oder man entscheidet für sich, das das berufliche Glück nicht darin besteht, die Hühnerleiter der R-Besoldung eine Stufe hochzuklettern und beschliesst zB, sich neue Projekte ausserhalb des Berufs zu suchen. Das ist ja zum Glück auch bei dir bei 25-30h möglich.
Ich habe zB meinen Fokus mittlerweile klar auf die Familie gelegt und spiele seit einigen Jahren Klavier. Derzeit überlege ich auch, ein Fernstudium der Philosophie dranzuhängen.
Justiz ist halt kein typischer Karriereberuf sondern eher für Leute geeignet, die noch ein Leben ausserhalb der Arbeit haben wollen. Ansonsten sollte man besser in ein Ministerium oder die freie Wirtschaft wechseln.
Jetzt aber mal direkt die gute Nachricht:
Es gibt ein Leben ausserhalb des Berufs.
Ich war vor 3 Jahren an demselben Punkt wie du. Die R2 wird bei uns an U40-Jährige nach reiner Sympathie der Hausleitung vergeben oder eben nicht. Ob man dafür in Frage kommt, lässt diese einen schon nach kurzer Zeit wissen. So sieht langfristig motivierende Personalentwicklung aus - nicht.
Entweder man sieht sich also nochmal woanders um oder man entscheidet für sich, das das berufliche Glück nicht darin besteht, die Hühnerleiter der R-Besoldung eine Stufe hochzuklettern und beschliesst zB, sich neue Projekte ausserhalb des Berufs zu suchen. Das ist ja zum Glück auch bei dir bei 25-30h möglich.
Ich habe zB meinen Fokus mittlerweile klar auf die Familie gelegt und spiele seit einigen Jahren Klavier. Derzeit überlege ich auch, ein Fernstudium der Philosophie dranzuhängen.
Justiz ist halt kein typischer Karriereberuf sondern eher für Leute geeignet, die noch ein Leben ausserhalb der Arbeit haben wollen. Ansonsten sollte man besser in ein Ministerium oder die freie Wirtschaft wechseln.
17.02.2024, 21:56
Hallo,
ich befinde mich gerade im Berufseinstieg, kann aber vielleicht trotzdem etwas beitragen.
Meiner Meinung nach bist du eigentlich in einer sehr komfortabelen Situation von der aus du nun ein paar Möglichkeiten hast, je nachdem, worauf es dir ankommt.
1. Mehr Arbeit oder andere Arbeit
Ist es vielleicht möglich, mehr als "Vollzeit" zu arbeiten? Wenn man Teilzeit, sprich z.b. eine 0,5 Stelle arbeiten kann, kann man dann auch 1,2 oder 1,5 arbeiten für entsprechend mehr Gehalt?
Die typischen Tätigkeiten für gelangweilte Richter sind aber eigentlich
Lehrtätigkeit, AG-Leitung, Seminar an einer Uni, juristische Artikel veröffentlichen, wissenschaftliche Arbeit in Richtung Doktor und/oder im vorpolitischen Raum
Wenn du mal etwas anderes machen möchtest, kannst du dich vielleicht auch für eine gewisse Zeit an ein Ministerium abordnen lassen. Angeblich gibt es für sowas interne Stellenausschreibungen.
Während des Refs hat mir ein Richter am OVG z.b. auch erzählt, dass er einen Kollegen hat, der nur in Teilzeit als Richter arbeitet und nebenbei aus Spaß noch den landwirtschaftlichen Familienbetrieb fortführt.
Es scheint also eine Menge möglich zu sein.
2. Mehr Geld
Schwierig, kenne ich mich nicht aus. Als Beamter oder Beamte bleibt eigentlich nur "Beförderung" oder Nebentätigkeit, z.b. Lehre oder Buchschreiben oder Landwirtschaft :D
3. Ehrenamtliche Tätigkeit
Wenn du mit deiner finanziellen Situation zufrieden bist und dir im Grunde langweilig ist, könntest du dich nach passenden Ehrenämtern umsehen.
Das kann alles sein, z.b. Jugendtrainer im lokalen Sportverein oder Hilfe bei der Tafel oder Nachhilfeunterricht für Schüler oder (Lokal)politik oder Mitgliedschaft in Fördervereinen oder oder oder.
Persönlich hoffe ich z.b. darauf, in 10-15 Jahren eine solche "Teilzeit"-Stelle wie du zu haben, um mich ehrenamtlich einbringen zu können. Ich finde es wichtig, dass die Teile der Bevölkerung, die finanziell "well-off" sind, sich nicht nur um ihren eigenen Konsum/Wohlstand kümmern, sondern auch versuchen, einen positiven Einfluss auf ihre Community zu haben.
Ich glaube, ich bin neidisch.
ich befinde mich gerade im Berufseinstieg, kann aber vielleicht trotzdem etwas beitragen.
Meiner Meinung nach bist du eigentlich in einer sehr komfortabelen Situation von der aus du nun ein paar Möglichkeiten hast, je nachdem, worauf es dir ankommt.
1. Mehr Arbeit oder andere Arbeit
Ist es vielleicht möglich, mehr als "Vollzeit" zu arbeiten? Wenn man Teilzeit, sprich z.b. eine 0,5 Stelle arbeiten kann, kann man dann auch 1,2 oder 1,5 arbeiten für entsprechend mehr Gehalt?
Die typischen Tätigkeiten für gelangweilte Richter sind aber eigentlich
Lehrtätigkeit, AG-Leitung, Seminar an einer Uni, juristische Artikel veröffentlichen, wissenschaftliche Arbeit in Richtung Doktor und/oder im vorpolitischen Raum
Wenn du mal etwas anderes machen möchtest, kannst du dich vielleicht auch für eine gewisse Zeit an ein Ministerium abordnen lassen. Angeblich gibt es für sowas interne Stellenausschreibungen.
Während des Refs hat mir ein Richter am OVG z.b. auch erzählt, dass er einen Kollegen hat, der nur in Teilzeit als Richter arbeitet und nebenbei aus Spaß noch den landwirtschaftlichen Familienbetrieb fortführt.
Es scheint also eine Menge möglich zu sein.
2. Mehr Geld
Schwierig, kenne ich mich nicht aus. Als Beamter oder Beamte bleibt eigentlich nur "Beförderung" oder Nebentätigkeit, z.b. Lehre oder Buchschreiben oder Landwirtschaft :D
3. Ehrenamtliche Tätigkeit
Wenn du mit deiner finanziellen Situation zufrieden bist und dir im Grunde langweilig ist, könntest du dich nach passenden Ehrenämtern umsehen.
Das kann alles sein, z.b. Jugendtrainer im lokalen Sportverein oder Hilfe bei der Tafel oder Nachhilfeunterricht für Schüler oder (Lokal)politik oder Mitgliedschaft in Fördervereinen oder oder oder.
Persönlich hoffe ich z.b. darauf, in 10-15 Jahren eine solche "Teilzeit"-Stelle wie du zu haben, um mich ehrenamtlich einbringen zu können. Ich finde es wichtig, dass die Teile der Bevölkerung, die finanziell "well-off" sind, sich nicht nur um ihren eigenen Konsum/Wohlstand kümmern, sondern auch versuchen, einen positiven Einfluss auf ihre Community zu haben.
Ich glaube, ich bin neidisch.
18.02.2024, 00:40
Obwohl ich in Familie und Ehrenamt mehr als genug zu tun habe und das Geld natürlich brauchen kann, aber jetzt auch nicht zwingend darauf angewiesen bin, ginge es mir ähnlich, wenn ich nicht aus der Justiz in die Verwaltung gewechselt wäre - weil mir eben das klar geworden ist, dass ich nicht das tun will, was man in R2 tun muss, und umgekehrt die Justiz auch (sicherlich zu Recht) der Meinung war, dass es für das, was ich eigentlich gar nicht tun will, noch bessere gäbe.
Ich war sehr gern Staatsanwalt und Richter und schließe auch nicht aus, das wieder zu werden, freue mich aber jetzt an einer Führungstätigkeit in der Verwaltung. Nicht wegen des besseren Verdienstes (es sind übrigens keineswegs nur 300 EUR netto, das dachte ich aber auch mal...), sondern weil ich Abwechslung und Herausforderungen brauche - und zwar nicht nur daheim, sondern auch im Beruf. So einfach ist das. Aus meiner Erfahrung kann ich Dir daher nur raten, ggf. auch gegen Widerstände Sonderverwendungen anzustreben, weil Du da diese Möglichkeiten hast und sich daraus ggf. sogar noch ganz andere Möglichkeiten ergeben (ich hätte mit meinem Wechsel selbst nie gerechnet).
Ich war sehr gern Staatsanwalt und Richter und schließe auch nicht aus, das wieder zu werden, freue mich aber jetzt an einer Führungstätigkeit in der Verwaltung. Nicht wegen des besseren Verdienstes (es sind übrigens keineswegs nur 300 EUR netto, das dachte ich aber auch mal...), sondern weil ich Abwechslung und Herausforderungen brauche - und zwar nicht nur daheim, sondern auch im Beruf. So einfach ist das. Aus meiner Erfahrung kann ich Dir daher nur raten, ggf. auch gegen Widerstände Sonderverwendungen anzustreben, weil Du da diese Möglichkeiten hast und sich daraus ggf. sogar noch ganz andere Möglichkeiten ergeben (ich hätte mit meinem Wechsel selbst nie gerechnet).