06.08.2020, 18:39
(06.08.2020, 15:14)Gast7 schrieb:(06.08.2020, 15:04)Gast schrieb: Nein, das ist natürlich keine Gesetzmäßigkeit. Ich kenne auch Leute mit 2x "gut".
Abgesehen von den allgemeinen Unwägbarkeiten jedes Examens werden beim 2. Examen aber auch teilweise einfach andere Fähigkeiten abgefragt.
Beim 1. Examen kommt es bspw. ganz entscheidend auf die gute juristische Argumentation an. Die ist beim 2. Examen auch wichtig, aber der richtige Aufbau und das "richtige" Ergebnis sind wichtiger. Das liegt auch daran, dass die Korrektoren die Klausur natürlich auch an ihrer eigenen Arbeitsweise messen - beim 1. Examen gilt das weniger, da sehen es auch die Praktiker mehr als "Kunstprodukt".
Das heißt konkret: im 1. Examen konnte ich mit allgemeinen breiten und tiefen Rechtskenntnissen und guten sprachlichen Fähigkeiten in fast jeder Klausur immer 8 Punkte oder deutlich mehr bekommen. Selbst wenn ich das Problem und die richtige Lösung nicht im Ansatz kannte, konnte ich den Korrektor mit dem juristischen Handwerkszeug so gut wie immer davon überzeugen, mir zumindest eine ordentliche Note zu geben. Anders gesagt: wer gut, juristisch, nachvollziehbar, stringent und vertieft argumentiert, ist meist sicher.
Im 2. Examen sind diese Faktoren wichtig, aber wenn dein Ergebnis oder deine Schwerpunktsetzung "falsch" sind, gibt es weitaus deutlichere Abzüge. Dann heißt es nicht: ich wäre zwar mit einem anderen Aufbau zu einem anderen Ergebnis gekommen, aber der Kandidat versteht offensichtlich die juristische Methode und kann gut schreiben, 12 Punkte. Sondern oft eher: (nicht notwendig explizit) nicht praktisch verwertbar, unvertretbar, Schwerpunkte verkannt --> 6-8 Punkte (oder weniger).
Super Erklärung, genau so ist es! Ich versuche das auch immer zu erklären, aber die Leute verstehen die Anforderungen im ersten Examen oftmals nicht und argumentieren, dass man im Ersten ja so viel "auswendig können" müsse. Das ist natürlich brutaler Quatsch. Das genaue Gegenteil ist richtig: im ersten Examen ist eine systematisch fundierte juristische Argumentation gefordert, nicht das Nachplappern von Lehrbuchmeinungen, ohne Bezug zum konkreten Fall, nur weil man ein Buzzword findet. Nur so kommt man nach meiner Erfahrung in die zweistelligen Punkteregionen.
Im Zweiten dagegen ist gefordert alles schematisch richtig einzukleiden, was schlichten Auswendiglernen von Formalia bedeutet. Auch sind selten große Auslegungen gefragt, die über den Inhalt der Kommentare hinausgehen. Meist reicht eigentlich auch schon das Lösen nach der hM in der Rspr. Insofern ist meiner Meinung nach das Erste aussagekräftiger zu der Frage "wie gut ist er als Jurist iSv. Rechtswissenschaftler", im Zweiten ist die Aussagekraft höher mit Blick auf die Frage "wie gut kann er praxistaugliche Ergebnisse insb. iSv. Urteilen, Klagen und Verwaltungsakten hinbekommen". Diese Fragen und Fähigkeiten sind nicht deckungsgleich.
Danke, dass das mal jemand sagt. Ich hörte immer nur Leute, die sagen man könne ja "alles im Kommentar nachlesen" und deshalb habe das zweit Examen ja viel mehr mit Systemverständnis zu tun - dabei muss man sehr viel zu Formalia und prozessualer Einkleidung auswenig wissen - letzeres könnte man zwar auch nachgucken, aber die Zeit hat man in der Regel nicht. Sich gut Dinge zu merken ist selbstverständlich auch eine Fähigkeit, die ich damit überhaupt nicht kleinreden will - trotzdem ist mir schleierhaft, warum so viele Leute behaupten, im zweiten müsse man weniger auswendig wissen.