29.06.2020, 22:10
(29.06.2020, 20:52)GastNRW23 schrieb:Also hier in der Gegend sind die meisten Proberichter froh wenn sie sechs Monate bleiben können. Da wird auch mal nach drei Monaten die nächste ANsage gemacht. Zumindest ab dem zweiten Jahr. Das erste darf man meist noch durchgehend am selben Gericht durchziehen. Aber selten in derselben Kammer.(29.06.2020, 20:34)Gast schrieb:(29.06.2020, 18:55)Der echte Norden schrieb: Ich empfinde Eure Erwiderung nicht als Widerspruch, sondern als logische Ergänzung meines Beitrags. Natürlich hat das juristische Examen ein Optimierungspotential und die Zuspitzung auf das Examen als einzig zählende Komponente führt zu Ungerechtigkeiten. Hier wird sich viel ändern müssen und mit der Zeit gegangen werden. Mir ist schleierhaft, wieso im Examen nicht ein Computer mit Zugang zu Beck-Online und Juris zugelassen wird, da das auch in der Praxis zur Verfügung steht. Man sollte den Fokus wieder mehr auf Zusammenhänge legen und die Reproduktion von auswendig gelerntem Wissen auf die Aspekte beschränken, die man auch in der Praxis erwarten kann. Die Rechtswissenschaft ist aber leider bei solchen Veränderungen sehr träge und hinkt gesellschaftlichen Veränderungen immer Jahre hinterher.Zum ersten Absatz agreed.
Zur Möglichkeit der Probezeit in der Justiz noch folgender Gedanke: Gerade in der Justiz findet der von Euch geforderte Erprobungszeitraum meiner Meinung nach sehr intensiv statt, auch viel intensiver als in der freien Wirtschaft. Das DRiG schreibt eine Probezeit von drei bis fünf Jahren vor, das ist doch eine sehr lange Zeit. Zwar werden hier tatsächlich nur grobe Fehlbesetzungen korrigiert, ich glaube aber das es aufgrund der guten Einstellungspolitik auch keinen größeren Korrekturbedarf gibt. Es gibt schlicht nicht DEN guten Richter bzw. DEN einzig wahren guten Stil. Vielmehr müssen die Gerichte verschiedene Herangehensweisen und Stile zulassen und auch fördern. Eine noch längere Probezeit währe mit der Unabhängigkeit des Richters auch nur schwer vereinbar. Denn das Wesen der Erprobung verhindert häufig mutige und richtige Entscheidungen junger Kollegen, die Angst haben anzuecken und allhergebrachtes hinterfragen wollen. Deswegen bin ich strikt gegen eine noch längere Erprobung.
Beim zweiten Absatz bin ich auch der Meinung, dass eine längere Probezeit als 3 Jahre weder notwendig noch zumutbar ist. Man könnte sie aber m.E. anders organisieren, um wirklich einen Eindruck von der Arbeit des/der Proberichter*in zu bekommen, statt ihn/sie nur als Verschiebemasse dahin zu verfrachten, wo gerade akuter Bedarf ist. Daraus resultierend dann zum Teil lange Fahrstrecken von einer Stunde pro Weg und mehr, die auf die Dauer auch Einfluss auf die Leistungsfähigkeit haben.
Mir schwebt eher eine Probezeit ähnlich dem Ref vor, in der man verschiedene Stationen an verschiedenen Gerichten durchläuft und am Ende bewertet wird, ob die Kandidati/der Kandidat für den Richterberuf geeignet ist. In drei Jahren könnte man sechs jeweils sechsmonatige Stationen absolvieren, 2 Zivilkammern am LG, zwei Zivildezernate am AG, einmal Strafkammer, einmal Strafrichter. Oder so ähnlich. Dadurch hätte der Ablauf wieder eine bestimmte Vergleichbarkeit und der Proberichter könnte verschiedene Rechtsgebiete kennen lernen und gleichzeitig seine "Verwendungsbreite" steigern. Sechs Monate sind auch lang genug, um ungeeignete Bewerber zu identifizieren. Dadurch hätte man einen besseren Eindruck als wenn Leute nur von AG zu AG verschoben werden, um da dann die Straf-, Familien- oder Betreuungssachen zu übernehmen, die sonst keiner am Gericht haben will.
So institutionalisiert könnte man die Probezeit dann auch für Kandidat*innen öffnen, die im Examen "nur" ausreichend abgeschnitten haben. Sie bekämen eine Chance ihre Fähigkeiten im Alltag unter realen Bedingungen zu beweisen und können - falls es nicht klappt - schnell wieder entlassen werden. Die daraus (vermeintlich) resultierende Zahl "falscher" Urteile (was auch immer das genau ist), ließe sich meines Erachtens verkraften, da es sich ausnahmslos um erstinstanzliche Gerichte handelt und den Betroffenen Rechtsmittel blieben. Ich glaube aber, dass die Zahl nicht annähernd so hoch sein wird, wie viele meinen.
Das wäre ja gelinde gesagt eine Katastrophe, wenn man immer nur 6 Monate überall wäre. Kaum ist man eingearbeitet, geht es schon wieder weiter. Welche/r Vorsitzende würde sowas denn mitmachen (v.a. in der Strafkammer!). Eine Dreiteilung wäre mMn gut, erstes Jahr LG Zivilkammer, zweites AG Straf- oder Zivilabteilung, drittes Jahr Strafkammer. So lernt man auch alles kennen, aber kann in dem jeweiligen Gebiet auch mal ankommen und sich einarbeiten.
29.06.2020, 22:25
Das scheint mir wenig förderlich. In Berlin ist man ziemlich verlässlich 1 Jahr pro Station.
29.06.2020, 22:38
(29.06.2020, 21:29)Gast schrieb: Man könnte den Personalbedarf an Verwaltungs- und Sozialgerichten senken, indem man nur noch Volljuristen in Behörden einstellt, die übermäßig viele falsche Bescheide raushauen, wie Jobcenter und Arbeitsagenturen, meinetwegen auch mit 2 x 4 P.
Besser als diese Verwaltungsfachleute, die nicht mal wissen, was eine Anhörung ist und Gesetze und Verwaltungsvorschriften bewusst falsch anwenden, um die Widerspruchsabteilung und die Gerichte zu beschäftigen (Arbeitsbeschaffungsmaßnahme).
Unsinn. Die meisten Verwaltungsbehörden machen gute Arbeit und kennen sich in ihrem Fachgebiet deutlich besser aus, als der durchschnittliche Jurist als Berufseinsteiger.
Und ja - ich bin Verwaltungsrichter und kann das auch beurteilen.
29.06.2020, 23:14
(29.06.2020, 22:38)Gast schrieb:(29.06.2020, 21:29)Gast schrieb: Man könnte den Personalbedarf an Verwaltungs- und Sozialgerichten senken, indem man nur noch Volljuristen in Behörden einstellt, die übermäßig viele falsche Bescheide raushauen, wie Jobcenter und Arbeitsagenturen, meinetwegen auch mit 2 x 4 P.
Besser als diese Verwaltungsfachleute, die nicht mal wissen, was eine Anhörung ist und Gesetze und Verwaltungsvorschriften bewusst falsch anwenden, um die Widerspruchsabteilung und die Gerichte zu beschäftigen (Arbeitsbeschaffungsmaßnahme).
Unsinn. Die meisten Verwaltungsbehörden machen gute Arbeit und kennen sich in ihrem Fachgebiet deutlich besser aus, als der durchschnittliche Jurist als Berufseinsteiger.
Und ja - ich bin Verwaltungsrichter und kann das auch beurteilen.
Also irgendwo letztens ne Statistik gehabt 30% aller Bescheide im hartz Sachen sich fehlerbehaftet
29.06.2020, 23:16
29.06.2020, 23:42
(29.06.2020, 23:14)Ksjs schrieb:(29.06.2020, 22:38)Gast schrieb:(29.06.2020, 21:29)Gast schrieb: Man könnte den Personalbedarf an Verwaltungs- und Sozialgerichten senken, indem man nur noch Volljuristen in Behörden einstellt, die übermäßig viele falsche Bescheide raushauen, wie Jobcenter und Arbeitsagenturen, meinetwegen auch mit 2 x 4 P.
Besser als diese Verwaltungsfachleute, die nicht mal wissen, was eine Anhörung ist und Gesetze und Verwaltungsvorschriften bewusst falsch anwenden, um die Widerspruchsabteilung und die Gerichte zu beschäftigen (Arbeitsbeschaffungsmaßnahme).
Unsinn. Die meisten Verwaltungsbehörden machen gute Arbeit und kennen sich in ihrem Fachgebiet deutlich besser aus, als der durchschnittliche Jurist als Berufseinsteiger.
Und ja - ich bin Verwaltungsrichter und kann das auch beurteilen.
Also irgendwo letztens ne Statistik gehabt 30% aller Bescheide im hartz Sachen sich fehlerbehaftet
Ja, das habe ich auch gelesen.
Kein Wunder, beim Verwaltungsrichter kommen ja auch keine Hartz4-Sachen an. Du kannst mitreden, wenn du Sozialrichter bist...
Kommt im Verwaltungsrecht auch auf dein Fachgebiet an, wie viele Fehler da in den Bescheiden sind...
29.06.2020, 23:48
(29.06.2020, 23:42)Gast schrieb:(29.06.2020, 23:14)Ksjs schrieb:(29.06.2020, 22:38)Gast schrieb:(29.06.2020, 21:29)Gast schrieb: Man könnte den Personalbedarf an Verwaltungs- und Sozialgerichten senken, indem man nur noch Volljuristen in Behörden einstellt, die übermäßig viele falsche Bescheide raushauen, wie Jobcenter und Arbeitsagenturen, meinetwegen auch mit 2 x 4 P.
Besser als diese Verwaltungsfachleute, die nicht mal wissen, was eine Anhörung ist und Gesetze und Verwaltungsvorschriften bewusst falsch anwenden, um die Widerspruchsabteilung und die Gerichte zu beschäftigen (Arbeitsbeschaffungsmaßnahme).
Unsinn. Die meisten Verwaltungsbehörden machen gute Arbeit und kennen sich in ihrem Fachgebiet deutlich besser aus, als der durchschnittliche Jurist als Berufseinsteiger.
Und ja - ich bin Verwaltungsrichter und kann das auch beurteilen.
Also irgendwo letztens ne Statistik gehabt 30% aller Bescheide im hartz Sachen sich fehlerbehaftet
Ja, das habe ich auch gelesen.
Kein Wunder, beim Verwaltungsrichter kommen ja auch keine Hartz4-Sachen an. Du kannst mitreden, wenn du Sozialrichter bist...
Kommt im Verwaltungsrecht auch auf dein Fachgebiet an, wie viele Fehler da in den Bescheiden sind...
Schon, dass ihr mir sagt, wann ich mitreden kann und worauf es ankommt.
30.06.2020, 03:00
Ist so üblich hier. Deswegen ist es auch das Forum für Studenten und Referendare: Studenten und Referendare erklären Praktikern, wie die Praxis funktioniert!
30.06.2020, 08:01
(29.06.2020, 20:34)Gast schrieb:(29.06.2020, 18:55)Der echte Norden schrieb: Ich empfinde Eure Erwiderung nicht als Widerspruch, sondern als logische Ergänzung meines Beitrags. Natürlich hat das juristische Examen ein Optimierungspotential und die Zuspitzung auf das Examen als einzig zählende Komponente führt zu Ungerechtigkeiten. Hier wird sich viel ändern müssen und mit der Zeit gegangen werden. Mir ist schleierhaft, wieso im Examen nicht ein Computer mit Zugang zu Beck-Online und Juris zugelassen wird, da das auch in der Praxis zur Verfügung steht. Man sollte den Fokus wieder mehr auf Zusammenhänge legen und die Reproduktion von auswendig gelerntem Wissen auf die Aspekte beschränken, die man auch in der Praxis erwarten kann. Die Rechtswissenschaft ist aber leider bei solchen Veränderungen sehr träge und hinkt gesellschaftlichen Veränderungen immer Jahre hinterher.Zum ersten Absatz agreed.
Zur Möglichkeit der Probezeit in der Justiz noch folgender Gedanke: Gerade in der Justiz findet der von Euch geforderte Erprobungszeitraum meiner Meinung nach sehr intensiv statt, auch viel intensiver als in der freien Wirtschaft. Das DRiG schreibt eine Probezeit von drei bis fünf Jahren vor, das ist doch eine sehr lange Zeit. Zwar werden hier tatsächlich nur grobe Fehlbesetzungen korrigiert, ich glaube aber das es aufgrund der guten Einstellungspolitik auch keinen größeren Korrekturbedarf gibt. Es gibt schlicht nicht DEN guten Richter bzw. DEN einzig wahren guten Stil. Vielmehr müssen die Gerichte verschiedene Herangehensweisen und Stile zulassen und auch fördern. Eine noch längere Probezeit währe mit der Unabhängigkeit des Richters auch nur schwer vereinbar. Denn das Wesen der Erprobung verhindert häufig mutige und richtige Entscheidungen junger Kollegen, die Angst haben anzuecken und allhergebrachtes hinterfragen wollen. Deswegen bin ich strikt gegen eine noch längere Erprobung.
Beim zweiten Absatz bin ich auch der Meinung, dass eine längere Probezeit als 3 Jahre weder notwendig noch zumutbar ist. Man könnte sie aber m.E. anders organisieren, um wirklich einen Eindruck von der Arbeit des/der Proberichter*in zu bekommen, statt ihn/sie nur als Verschiebemasse dahin zu verfrachten, wo gerade akuter Bedarf ist. Daraus resultierend dann zum Teil lange Fahrstrecken von einer Stunde pro Weg und mehr, die auf die Dauer auch Einfluss auf die Leistungsfähigkeit haben.
Mir schwebt eher eine Probezeit ähnlich dem Ref vor, in der man verschiedene Stationen an verschiedenen Gerichten durchläuft und am Ende bewertet wird, ob die Kandidati/der Kandidat für den Richterberuf geeignet ist. In drei Jahren könnte man sechs jeweils sechsmonatige Stationen absolvieren, 2 Zivilkammern am LG, zwei Zivildezernate am AG, einmal Strafkammer, einmal Strafrichter. Oder so ähnlich. Dadurch hätte der Ablauf wieder eine bestimmte Vergleichbarkeit und der Proberichter könnte verschiedene Rechtsgebiete kennen lernen und gleichzeitig seine "Verwendungsbreite" steigern. Sechs Monate sind auch lang genug, um ungeeignete Bewerber zu identifizieren. Dadurch hätte man einen besseren Eindruck als wenn Leute nur von AG zu AG verschoben werden, um da dann die Straf-, Familien- oder Betreuungssachen zu übernehmen, die sonst keiner am Gericht haben will.
So institutionalisiert könnte man die Probezeit dann auch für Kandidat*innen öffnen, die im Examen "nur" ausreichend abgeschnitten haben. Sie bekämen eine Chance ihre Fähigkeiten im Alltag unter realen Bedingungen zu beweisen und können - falls es nicht klappt - schnell wieder entlassen werden. Die daraus (vermeintlich) resultierende Zahl "falscher" Urteile (was auch immer das genau ist), ließe sich meines Erachtens verkraften, da es sich ausnahmslos um erstinstanzliche Gerichte handelt und den Betroffenen Rechtsmittel blieben. Ich glaube aber, dass die Zahl nicht annähernd so hoch sein wird, wie viele meinen.
Das mag am speziellen Pflaster Berlin liegen, aber sechs Monate am LG Straf sind viel zu wenig: wegen der Überlastung der Kammern und der durchschnittlichen Dauer der Verfahren kann man die/den Assessor*in nicht sinnvoll als Berichterstatter verwenden.
Dasselbe gilt für LG Zivil: die Verfahren sind in sechs Monaten häufig noch nicht ausgeschrieben bzw. es mangelt noch an Gutachten etc.
Auch in den AG-Abteilungen finde ich sechs Monate eher knapp bemessen. Ich nehme für mich heraus, dass ich mich ziemlich schnell in neue Positionen einarbeiten kann und dabei auch keine "Überstunden" scheue. Dennoch braucht man mMn einige Monate, um im neuen Dezernat anzukommen.
Deswegen finde ich das Berliner System mit drei Stationen zu jeweils einem Jahr sehr gut.
30.06.2020, 08:20
(30.06.2020, 03:00)RechtsanwaltII schrieb: Ist so üblich hier. Deswegen ist es auch das Forum für Studenten und Referendare: Studenten und Referendare erklären Praktikern, wie die Praxis funktioniert!
:D :D
Bestens auf den Punkt gebracht. Die häufig schreibenden Frischlinge, die gerade eingestiegen sind und hier vertreten sind, können darüber hinaus ab 0,5-1 Jahr Berufserfahrung in der GK schon die Note des unfähigen gegnerischen Anwalts mindestens bis auf eine Nachkomma-Stelle vorhersagen.