19.06.2020, 10:42
Hat noch jemand hier Hass auf das Ref?
Nach einem sehr langen und schwierigen Studium sowie Examen ist man nicht etwa, wie fast alle anderen Akademiker, endlich frei und bereit, eigenes Geld zu verdienen. Nein, stattdessen muss man weitere zwei Jahre ziemlich prekär leben. Damit nicht genug hat man deutlich weniger Freiraum als noch in der Uni (Pflichtveranstaltungen) und wird gleichzeitig von einigen wie ein Schulkind behandelt, obwohl man auf die 30 zugeht.
Und während manche andere Fächer eine relativ entspannte "Berufsvorbereitung" nach dem Studium haben (Lehramtsreferendariat, praktisches Jahr der Mediziner), in der man unterschiedliche Fachbereiche in Ruhe kennenlernen kann, ist man im Jura-Ref gezwungen, etwa fünf verschiedene Dinge gleichzeitig unter einen Hut zu bringen und am Ende noch ein hammerschweres Examen zu absolvieren.
Dabei ist man gezwungen, in jedem Fall einen oder mehrere Lebensbereiche zu vernachlässigen: konzentriert man sich auf seine Stationen und taucht nicht (was ja eigentlich als Ref die oberste Pflicht wäre), dann kann man sich nicht ordentlich auf sein Examen vorbereiten. Setzt man den Fokus auf das Lernen, bekommt man u.U. schlechte Stationsnoten, die jedenfalls nicht helfen, auch wenn sie nicht so wichtig sind. Oder man hat einfach keinerlei Freizeit.
Und zu allem Überfluss besteht das neue Wissen, das man sich im Ref für das Examen aneignen muss, zu einem Großteil aus staubtrockenen Formalien, die für viele Berufe wegen der Software und Handbücher ohnehin kaum relevant sind. Aber Hauptsache man weiß, dass ein "Beschluss" nicht "Im Namen des Volkes" ergeht, wofür auch immer das wichtig ist.
Dabei ist es so schade: eigentlich könnte das Ref eine coole Zeit sein, eine Art längeres Pflichtpraktikum nach erfolgreich bestandenem Studium sein. Eine Zeit, in der man in Ruhe viele verschiedene spannende Stationen kennenlernt, ohne sich um Tauchzeiten und dergleichen kümmern zu müssen. Am Ende könnte von mir aus auch eine deutlich abgespecktere Prüfung stehen, etwa in mündlicher Form, die sich auf die absoluten Grundlagen beschränkt, vergleichbar der Führerscheinprüfung.
Inzwischen habe ich mein Ref glücklicherweise ordentlich überstanden, aber es hat mich viel graue Haare gekostet. Auf das Ref blicke ich nicht mit Wehmut zurück, sondern eher mit Hass. Wie geht es euch?
Nach einem sehr langen und schwierigen Studium sowie Examen ist man nicht etwa, wie fast alle anderen Akademiker, endlich frei und bereit, eigenes Geld zu verdienen. Nein, stattdessen muss man weitere zwei Jahre ziemlich prekär leben. Damit nicht genug hat man deutlich weniger Freiraum als noch in der Uni (Pflichtveranstaltungen) und wird gleichzeitig von einigen wie ein Schulkind behandelt, obwohl man auf die 30 zugeht.
Und während manche andere Fächer eine relativ entspannte "Berufsvorbereitung" nach dem Studium haben (Lehramtsreferendariat, praktisches Jahr der Mediziner), in der man unterschiedliche Fachbereiche in Ruhe kennenlernen kann, ist man im Jura-Ref gezwungen, etwa fünf verschiedene Dinge gleichzeitig unter einen Hut zu bringen und am Ende noch ein hammerschweres Examen zu absolvieren.
Dabei ist man gezwungen, in jedem Fall einen oder mehrere Lebensbereiche zu vernachlässigen: konzentriert man sich auf seine Stationen und taucht nicht (was ja eigentlich als Ref die oberste Pflicht wäre), dann kann man sich nicht ordentlich auf sein Examen vorbereiten. Setzt man den Fokus auf das Lernen, bekommt man u.U. schlechte Stationsnoten, die jedenfalls nicht helfen, auch wenn sie nicht so wichtig sind. Oder man hat einfach keinerlei Freizeit.
Und zu allem Überfluss besteht das neue Wissen, das man sich im Ref für das Examen aneignen muss, zu einem Großteil aus staubtrockenen Formalien, die für viele Berufe wegen der Software und Handbücher ohnehin kaum relevant sind. Aber Hauptsache man weiß, dass ein "Beschluss" nicht "Im Namen des Volkes" ergeht, wofür auch immer das wichtig ist.
Dabei ist es so schade: eigentlich könnte das Ref eine coole Zeit sein, eine Art längeres Pflichtpraktikum nach erfolgreich bestandenem Studium sein. Eine Zeit, in der man in Ruhe viele verschiedene spannende Stationen kennenlernt, ohne sich um Tauchzeiten und dergleichen kümmern zu müssen. Am Ende könnte von mir aus auch eine deutlich abgespecktere Prüfung stehen, etwa in mündlicher Form, die sich auf die absoluten Grundlagen beschränkt, vergleichbar der Führerscheinprüfung.
Inzwischen habe ich mein Ref glücklicherweise ordentlich überstanden, aber es hat mich viel graue Haare gekostet. Auf das Ref blicke ich nicht mit Wehmut zurück, sondern eher mit Hass. Wie geht es euch?
19.06.2020, 11:36
(19.06.2020, 10:42)Das Gast schrieb: Hat noch jemand hier Hass auf das Ref?
Nach einem sehr langen und schwierigen Studium sowie Examen ist man nicht etwa, wie fast alle anderen Akademiker, endlich frei und bereit, eigenes Geld zu verdienen. Nein, stattdessen muss man weitere zwei Jahre ziemlich prekär leben. Damit nicht genug hat man deutlich weniger Freiraum als noch in der Uni (Pflichtveranstaltungen) und wird gleichzeitig von einigen wie ein Schulkind behandelt, obwohl man auf die 30 zugeht.
Und während manche andere Fächer eine relativ entspannte "Berufsvorbereitung" nach dem Studium haben (Lehramtsreferendariat, praktisches Jahr der Mediziner), in der man unterschiedliche Fachbereiche in Ruhe kennenlernen kann, ist man im Jura-Ref gezwungen, etwa fünf verschiedene Dinge gleichzeitig unter einen Hut zu bringen und am Ende noch ein hammerschweres Examen zu absolvieren.
Dabei ist man gezwungen, in jedem Fall einen oder mehrere Lebensbereiche zu vernachlässigen: konzentriert man sich auf seine Stationen und taucht nicht (was ja eigentlich als Ref die oberste Pflicht wäre), dann kann man sich nicht ordentlich auf sein Examen vorbereiten. Setzt man den Fokus auf das Lernen, bekommt man u.U. schlechte Stationsnoten, die jedenfalls nicht helfen, auch wenn sie nicht so wichtig sind. Oder man hat einfach keinerlei Freizeit.
Und zu allem Überfluss besteht das neue Wissen, das man sich im Ref für das Examen aneignen muss, zu einem Großteil aus staubtrockenen Formalien, die für viele Berufe wegen der Software und Handbücher ohnehin kaum relevant sind. Aber Hauptsache man weiß, dass ein "Beschluss" nicht "Im Namen des Volkes" ergeht, wofür auch immer das wichtig ist.
Dabei ist es so schade: eigentlich könnte das Ref eine coole Zeit sein, eine Art längeres Pflichtpraktikum nach erfolgreich bestandenem Studium sein. Eine Zeit, in der man in Ruhe viele verschiedene spannende Stationen kennenlernt, ohne sich um Tauchzeiten und dergleichen kümmern zu müssen. Am Ende könnte von mir aus auch eine deutlich abgespecktere Prüfung stehen, etwa in mündlicher Form, die sich auf die absoluten Grundlagen beschränkt, vergleichbar der Führerscheinprüfung.
Inzwischen habe ich mein Ref glücklicherweise ordentlich überstanden, aber es hat mich viel graue Haare gekostet. Auf das Ref blicke ich nicht mit Wehmut zurück, sondern eher mit Hass. Wie geht es euch?
Ich bin vollkommen bei Dir. Das Ref habe ich als komplette Zeitverschwendung empfunden.
Das kann aber auch daran liegen, dass ich fast das ganze Studium lang schon als WissMit gearbeit habe und daher wusste, dass den Scheiß in der Praxis niemanden interessiert, wenn Du nicht Richter, StA oder Standardanwalt werden willst. Ich musste mich echt zusammenreißen mein Desinteresse halbwegs zu verstecken. Insbesondere, wenn mein Ausbilder am Gericht mich mit vorläufiger Vollstreckbarkeit oder sowas mit dem Kommentar genervt hat „für später müssen sie das doch wissen“. Da hatte ich in meinem Nebenjob schon x Klagen, Schutzschriften und Gutachten geschrieben.
Lächerliche Veranstaltung. Mittlerweile bin ich froh, dass der Scheiß vorbei ist und ich endlich frei bin.
19.06.2020, 14:39
Ich bewerte die Zeit genauso.
Da ich allerdings auf Erfahrungsberichte aus erster Hand zurückgreifen konnte, habe ich von vornherein auf die „Praxis“ weitestgehend ge******** und Klausurvorbereitung betrieben. Am Ende bin ich vier Monate getaucht.
Optimal wäre es, nur zu tauchen und ausschließlich seine Klausurtechnik zu optimieren. Die „Praxis“ ist für‘s Examen ohne Belang.
Da ich allerdings auf Erfahrungsberichte aus erster Hand zurückgreifen konnte, habe ich von vornherein auf die „Praxis“ weitestgehend ge******** und Klausurvorbereitung betrieben. Am Ende bin ich vier Monate getaucht.
Optimal wäre es, nur zu tauchen und ausschließlich seine Klausurtechnik zu optimieren. Die „Praxis“ ist für‘s Examen ohne Belang.
19.06.2020, 14:57
(19.06.2020, 14:39)RechtsanwaltII schrieb: Optimal wäre es, nur zu tauchen und ausschließlich seine Klausurtechnik zu optimieren. Die „Praxis“ ist für‘s Examen ohne Belang.
Genau das hat mich ehrlich gesagt am meisten gestört.
Im Ref soll man Praxiserfahrung sammeln? haha.
Da lernt man in der Theorie was - und der Ausbilder will es eh anders haben. :dodgy:
Nachdem ich mitm Ref durch war, war ich ein bisschen versöhnt... aber ne schöne Zeit war es definitiv nicht.
19.06.2020, 15:18
(19.06.2020, 14:57)fertigundglücklich schrieb:(19.06.2020, 14:39)RechtsanwaltII schrieb: Optimal wäre es, nur zu tauchen und ausschließlich seine Klausurtechnik zu optimieren. Die „Praxis“ ist für‘s Examen ohne Belang.
Genau das hat mich ehrlich gesagt am meisten gestört.
Im Ref soll man Praxiserfahrung sammeln? haha.
Da lernt man in der Theorie was - und der Ausbilder will es eh anders haben. :dodgy:
Nachdem ich mitm Ref durch war, war ich ein bisschen versöhnt... aber ne schöne Zeit war es definitiv nicht.
Ich fand auch das Hin und Her so anstrengend, weil man sich nicht mal auf eine Sache fokussieren kann. Man soll da zum Gericht kommen für ne Stunde, dann mal zur AG, dann mal KlausurenK und dazwischen natürlich Lernen und Tauchen offiziell natürlich auch nicht. In SH weiß man bis kurz vorher nicht mal in welcher Stadt man schreibt.
Wer denkt sich so eine Schikane bitte aus?
19.06.2020, 17:05
Genau das sind auch meine Gedanken zum Ref. Warum bewertet man nicht die Arbeiten, die man beim Ausbilder und somit für die Praxis macht, statt nach 1,5-2 Jahren ein Examen zu schreiben, das nichts mit der Praxis zu tun hat.
Mein Repetitor zum ersten Examen hat uns damals mit auf den Weg gegeben, den „scheiß“ für den Ausbilder an einem Tag in der Woche wegzuknallen, ohne Rücksicht auf Verluste, und wenn es nur copy & Paste ist. Den Rest der Zeit zum lernen nutzen.
So hab ich’s gemacht. Kein Ausbilderzeugnis unter 12 P, und ein Gut im Examen. Ahnung von der Praxis habe ich 0 (in Worten: Null).
Habe vor kurzem als Richter begonnen, und bin sowas von überfordert. Man kann sich aber, wenn man sich reinkniet, auch gut einarbeiten. Es ist kein Hexenwerk.
Aber genau das spiegelt das Paradoxe an Ref wieder: Sie wollen qualitativ gut ausgebildete und vor allem Praxistaugliche Juristen. Durch die derzeitige Handhabung des Refs, mit abschließendem Examen, was alles ist, aber sicher kein Praxisexamen, bekommt man letzteres aber leider nicht.
Aber das ist neunmal die (hoch angesehene) Juristenausbildung in good old Germany, an der wir (so schnell jedenfalls) nichts ändern können.
Lasst euch nicht ärgern und haltet durch. Es lohnt sich.
Schönes WE :-)
Mein Repetitor zum ersten Examen hat uns damals mit auf den Weg gegeben, den „scheiß“ für den Ausbilder an einem Tag in der Woche wegzuknallen, ohne Rücksicht auf Verluste, und wenn es nur copy & Paste ist. Den Rest der Zeit zum lernen nutzen.
So hab ich’s gemacht. Kein Ausbilderzeugnis unter 12 P, und ein Gut im Examen. Ahnung von der Praxis habe ich 0 (in Worten: Null).
Habe vor kurzem als Richter begonnen, und bin sowas von überfordert. Man kann sich aber, wenn man sich reinkniet, auch gut einarbeiten. Es ist kein Hexenwerk.
Aber genau das spiegelt das Paradoxe an Ref wieder: Sie wollen qualitativ gut ausgebildete und vor allem Praxistaugliche Juristen. Durch die derzeitige Handhabung des Refs, mit abschließendem Examen, was alles ist, aber sicher kein Praxisexamen, bekommt man letzteres aber leider nicht.
Aber das ist neunmal die (hoch angesehene) Juristenausbildung in good old Germany, an der wir (so schnell jedenfalls) nichts ändern können.
Lasst euch nicht ärgern und haltet durch. Es lohnt sich.
Schönes WE :-)
19.06.2020, 17:25
(19.06.2020, 17:05)Gast schrieb: Genau das sind auch meine Gedanken zum Ref. Warum bewertet man nicht die Arbeiten, die man beim Ausbilder und somit für die Praxis macht, statt nach 1,5-2 Jahren ein Examen zu schreiben, das nichts mit der Praxis zu tun hat.Das hört sich sehr nach meinem Einzelausbilder an... Bist du zufällig in Hessen?
Mein Repetitor zum ersten Examen hat uns damals mit auf den Weg gegeben, den „scheiß“ für den Ausbilder an einem Tag in der Woche wegzuknallen, ohne Rücksicht auf Verluste, und wenn es nur copy & Paste ist. Den Rest der Zeit zum lernen nutzen.
So hab ich’s gemacht. Kein Ausbilderzeugnis unter 12 P, und ein Gut im Examen. Ahnung von der Praxis habe ich 0 (in Worten: Null).
Habe vor kurzem als Richter begonnen, und bin sowas von überfordert. Man kann sich aber, wenn man sich reinkniet, auch gut einarbeiten. Es ist kein Hexenwerk.
Aber genau das spiegelt das Paradoxe an Ref wieder: Sie wollen qualitativ gut ausgebildete und vor allem Praxistaugliche Juristen. Durch die derzeitige Handhabung des Refs, mit abschließendem Examen, was alles ist, aber sicher kein Praxisexamen, bekommt man letzteres aber leider nicht.
Aber das ist neunmal die (hoch angesehene) Juristenausbildung in good old Germany, an der wir (so schnell jedenfalls) nichts ändern können.
Lasst euch nicht ärgern und haltet durch. Es lohnt sich.
Schönes WE :-)
19.06.2020, 19:03
(19.06.2020, 17:05)Gast schrieb: Ahnung von der Praxis habe ich 0 (in Worten: Null).
Habe vor kurzem als Richter begonnen, und bin sowas von überfordert. Man kann sich aber, wenn man sich reinkniet, auch gut einarbeiten. Es ist kein Hexenwerk.
der wir (so schnell jedenfalls) nichts ändern können.
Das ging mir damals auch so. Als ich meine erste Stelle angetreten habe, hat unser Senior zu mir gesagt: Wenn Du gut bist, bist Du in zwei Jahren ein „richtiger“ Rechtsanwalt. Das willst Du natürlich hören, wenn du das Zweite gerade mit VB abgeschlossen hast...
Er hatte aber Recht (und mich auch alles machen lassen - Rechnungen schreiben, Zwangsvollstreckung, Aktenanlage, Mandatsannahme etc.). Dann merkst Du: Der ganze Rotz aus dem Ref. ist fast nix wert!
19.06.2020, 21:35
Auch auf die Gefahr hin, mich hier unbeliebt zu machen. Ich emfand das Referendariat als Privileg. Ich brauchte mich nach dem ersten Examen nicht auf Jobsuche begeben, sondern konnte mich zu einem fast beliebigen Zeitpunkt (fast monatlich, NRW) einfach zum Referendariat melden. Dort wurde ich weiter ausgebildet und dafür auch noch vom Staat bezahlt. Ich konnte in verschiedene Berufsfelder hineinschnuppern und das für mich richtige herausfinden. Die Stationen konnte ich dank der großen Gestaltungsmöglichkeiten weitgehend nach meinen Interessen ausrichten (Steuerrechtlich orientierte Kanzlei in Anwalt- und Wahlstation, entsprechende Verwaltungsstation). Mit meinen Ausbildern hatte ich auch weitestgehend Glück.
19.06.2020, 22:00
Das ist ja kein Widerspruch.
Ich habe mir die Stationen auch so weit wie möglich ausgesucht. Sogar meine Wunschabteilung in der StA konnte ich bekommen, indem ich das OLG lange genug belabert habe.
Auch war die Zeit nicht schlecht. Es war nur im Hinblick auf das Examen komplett wertlos.
Ich habe mir die Stationen auch so weit wie möglich ausgesucht. Sogar meine Wunschabteilung in der StA konnte ich bekommen, indem ich das OLG lange genug belabert habe.
Auch war die Zeit nicht schlecht. Es war nur im Hinblick auf das Examen komplett wertlos.