19.01.2025, 01:38
Hallo,
ein Bekannter von mir, mit dem ich selbst schon einige Male zusammen gearbeitet habe, ist ein wirklich cleverer Jurist mit guten Ideen. Er ist ebenfalls beliebt bei Mandanten und macht auch gute Umsätze in einer mittelständischen Kanzlei.
Jetzt kommt das aber. Er hat im 2. Examen wirklich nur sehr sehr knapp bestanden. Und mit knapp meine ich: 5 Klausuren unter dem Strich und insgesamt 3,26 Punkte. 0,6 Punkte weniger und er wäre durchgefallen. Mit der mündlichen sind es dann 5,x Punkte geworden.
Wie ist sowas zu erklären?
ein Bekannter von mir, mit dem ich selbst schon einige Male zusammen gearbeitet habe, ist ein wirklich cleverer Jurist mit guten Ideen. Er ist ebenfalls beliebt bei Mandanten und macht auch gute Umsätze in einer mittelständischen Kanzlei.
Jetzt kommt das aber. Er hat im 2. Examen wirklich nur sehr sehr knapp bestanden. Und mit knapp meine ich: 5 Klausuren unter dem Strich und insgesamt 3,26 Punkte. 0,6 Punkte weniger und er wäre durchgefallen. Mit der mündlichen sind es dann 5,x Punkte geworden.
Wie ist sowas zu erklären?
19.01.2025, 01:50
Meine Idee:
Das Examen erfordert eine unglaubliche Menga an Wissen. Zivilrecht, Strafrecht und öffentliches Recht. Es ist sehr schwer sich all das Wissen anzueignen, und dann auch noch in einer Weise, dass man ordentliche Klausuren schreiben kann. Obwohl man möglicherweise schlau ist, hat man nicht das Wissen und kann damit nicht zeigen, dass man schlau ist.
In der Praxis kann man sich auf einen kleinen Teil spezialisieren und darin richtig richtig gut werden. Es braucht keine Fülle an Wissen mehr in jedem Fach, sondern nur in seinem eigenen Gebiet. Und wenn man sich dieses Wissen angeeignet hat, kann man auch zeigen, dass man schlaue Ideen hat.
Bemerkenswert ist auch das auch das Beispiel aus Bayern, in dem ein Jura Student die Zwischenprüfung nicht geschafft hat. Und dann einfach beide Examina gefälscht hat, ich glaube sogar mit der Note gut. Die Großkanzleien waren stets zufrieden mit ihm, haben ihm gute Arbeitszeugnisse ausgestellt und seine Kanzleiwechsel bedauert.
Das muss man sich mal vorstellen. Da ist man so sehr als GK so sehr notenfixiert, und denkt man sich Topabsolventen und damit super Anwälte. Und plötzlich kommt jemand, der die Zwischenprüfung nicht geschafft hat, und ein Qualitätsunterschied wird zumindest in dem Fall nicht gemerkt.
Daher - finde ich - lassen schlechte Noten nicht auf eine künftige schlechte Qualität als Anwalt schließen.
Das Examen ist etwas anderes als der spätere Job.
Das Examen erfordert eine unglaubliche Menga an Wissen. Zivilrecht, Strafrecht und öffentliches Recht. Es ist sehr schwer sich all das Wissen anzueignen, und dann auch noch in einer Weise, dass man ordentliche Klausuren schreiben kann. Obwohl man möglicherweise schlau ist, hat man nicht das Wissen und kann damit nicht zeigen, dass man schlau ist.
In der Praxis kann man sich auf einen kleinen Teil spezialisieren und darin richtig richtig gut werden. Es braucht keine Fülle an Wissen mehr in jedem Fach, sondern nur in seinem eigenen Gebiet. Und wenn man sich dieses Wissen angeeignet hat, kann man auch zeigen, dass man schlaue Ideen hat.
Bemerkenswert ist auch das auch das Beispiel aus Bayern, in dem ein Jura Student die Zwischenprüfung nicht geschafft hat. Und dann einfach beide Examina gefälscht hat, ich glaube sogar mit der Note gut. Die Großkanzleien waren stets zufrieden mit ihm, haben ihm gute Arbeitszeugnisse ausgestellt und seine Kanzleiwechsel bedauert.
Das muss man sich mal vorstellen. Da ist man so sehr als GK so sehr notenfixiert, und denkt man sich Topabsolventen und damit super Anwälte. Und plötzlich kommt jemand, der die Zwischenprüfung nicht geschafft hat, und ein Qualitätsunterschied wird zumindest in dem Fall nicht gemerkt.
Daher - finde ich - lassen schlechte Noten nicht auf eine künftige schlechte Qualität als Anwalt schließen.
Das Examen ist etwas anderes als der spätere Job.
19.01.2025, 02:02
(19.01.2025, 01:38)regresskreisel schrieb: Hallo,
ein Bekannter von mir, mit dem ich selbst schon einige Male zusammen gearbeitet habe, ist ein wirklich cleverer Jurist mit guten Ideen. Er ist ebenfalls beliebt bei Mandanten und macht auch gute Umsätze in einer mittelständischen Kanzlei.
Jetzt kommt das aber. Er hat im 2. Examen wirklich nur sehr sehr knapp bestanden. Und mit knapp meine ich: 5 Klausuren unter dem Strich und insgesamt 3,26 Punkte. 0,6 Punkte weniger und er wäre durchgefallen. Mit der mündlichen sind es dann 5,x Punkte geworden.
Wie ist sowas zu erklären?
Die Diskrepanz zwischen Examensnoten und beruflicher Leistung ist nicht ungewöhnlich. Das 2. Examen prüft primär das Beherrschen eines schematischen Aufbaus unter hohem Zeitdruck, was nicht per se die tatsächliche juristische Kompetenz widerspiegelt. Stress, Prüfungsangst oder persönliche Belastungen können dabei eine große Rolle spielen. Sein Erfolg in der Kanzlei zeigt, dass er in der Praxis die Fähigkeiten besitzt, die wirklich zählen: Mandantenkommunikation, kreative Lösungsansätze und wirtschaftliches Denken.
19.01.2025, 12:20
Vielleicht kamen auch viele Dinge dran, die er nicht gelernt hat. Ich musste im Strafrecht einen Beschluss nach Beschwerde schreiben. Hatte ich mir nie angeguckt und war mega verwirrt, als ich im Gesetz irgendwo gelesen hatte, dass das Gericht, welches den angegriffenen Beschluss erlassen hat, auch erstmal über die Beschwerde entscheidet. Hat für mich überhaupt keinen Sinn gemacht, sodass ich 1,5h hin und her überlegt und dann das Rubrum doch mit OLG... überschrieben habe. Nach ein paar Monaten in der Praxis hätte ich die Klausur wohl mit links geschrieben. In der anderen Strafrechtsklausur kam dann ein Urteil dran - hatte ich mir auch nicht angeguckt, hatte voll auf Anklage und Revision gesetzt - lief dann ähnlich :D
Also wenn man vor dem Examen keinen Bock hat, sich den ganzen Scheiß anzuschauen, von dem man aufgrund des Rechtsgebiets ohnehin weiß, dass man ihn nie wieder brauchen wird, dann kann sowas schon mal vorkommen. Auch wenn es bei dem Schnitt des Kollegen ja in fast allen Klausuren passiert sein muss. Für die Praxis hat das dann aber nur bedingt Aussagekraft. Da gibt es einfach zu viele Gebiete, in denen man nichts von dem braucht, was man für's Examen lernt und schon gar nicht für's zweite. Bspw. in der Kautelarjuristik.
Also wenn man vor dem Examen keinen Bock hat, sich den ganzen Scheiß anzuschauen, von dem man aufgrund des Rechtsgebiets ohnehin weiß, dass man ihn nie wieder brauchen wird, dann kann sowas schon mal vorkommen. Auch wenn es bei dem Schnitt des Kollegen ja in fast allen Klausuren passiert sein muss. Für die Praxis hat das dann aber nur bedingt Aussagekraft. Da gibt es einfach zu viele Gebiete, in denen man nichts von dem braucht, was man für's Examen lernt und schon gar nicht für's zweite. Bspw. in der Kautelarjuristik.
19.01.2025, 16:01
(19.01.2025, 01:38)regresskreisel schrieb: Hallo,Nach Bestehen der mündlichen Prüfung IM ERSTEN EXAMEN kam einer der Prüfer auf mich zu und sagte: "Manche Leute können einfach keine Klausuren schreiben!"
ein Bekannter von mir, mit dem ich selbst schon einige Male zusammen gearbeitet habe, ist ein wirklich cleverer Jurist mit guten Ideen. Er ist ebenfalls beliebt bei Mandanten und macht auch gute Umsätze in einer mittelständischen Kanzlei.
Jetzt kommt das aber. Er hat im 2. Examen wirklich nur sehr sehr knapp bestanden. Und mit knapp meine ich: 5 Klausuren unter dem Strich und insgesamt 3,26 Punkte. 0,6 Punkte weniger und er wäre durchgefallen. Mit der mündlichen sind es dann 5,x Punkte geworden.
Wie ist sowas zu erklären?
Klausuren benotet mit 4,0.
Mündliche 10 P.
Ja, man kann es erklären. Und ich finde, die Arbeitserfahrung sollte da deutlich schwerer gewichtet werden als eine häufig doch Recht willkürliche Note.
19.01.2025, 17:22
Es gibt auch Menschen mit extremer Prüfungsangst, das ist fürs Staatsexamen sehr ungut. Im Beruf kann es dennoch super laufen.
19.01.2025, 22:49
Ich finde die Frage schon faszinierend und bezeichnend für die verquere Juristenausbildung in Deutschland.
In keinem anderen Fach mit Staatsexamen (oder auch sonst) würde jemand auf die Idee kommen, sich über gute Leistungen und fachliches Wissen eines praktizierenden Kollegen zu wundern, weil er mal im Examen, im Zweifel vor Jahren, aus welchen Gründen auch immer unterdurchschnittlich abgeschnitten hat.
Ohne jemanden angreifen zu wollen, aber schon die Frage wirkt unfassbar engstirnig auf mich.
In keinem anderen Fach mit Staatsexamen (oder auch sonst) würde jemand auf die Idee kommen, sich über gute Leistungen und fachliches Wissen eines praktizierenden Kollegen zu wundern, weil er mal im Examen, im Zweifel vor Jahren, aus welchen Gründen auch immer unterdurchschnittlich abgeschnitten hat.
Ohne jemanden angreifen zu wollen, aber schon die Frage wirkt unfassbar engstirnig auf mich.
20.01.2025, 11:22
eine gute Freundin hat beide Examina im letztmöglichen Versuch nur mega knapp bestanden. Sie ist heute sehr erfolgreich als Anwältin unterwegs. Hat sich in der Provinz mit einer FWW-Kanzlei selbständig gemacht und hat die echt clever hochgezogen. Sie hat sich inzwischen spezialisiert auf Baurecht, Familienrecht und Arbeitsrecht. Hat noch 7 Kollegen in der Kanzlei und hat sich in der Region einen guten Ruf erarbeitet.
Ist sie in ihren Fachbereichen der Profi? Kann ich nicht konkret beurteilen, aber die Mandantschaft ist zufrieden.
Sie sagt selbst, dass für sie der Stoff an der Uni und im Ref zu umfangreich was und sie sich durch die Konzentration auf einzelne Fachgebiete heute viel leichter tut. Außerdem ist sie sehr kommunikativ, ist empathisch und bekommt dadurch häufig Lösungen hin.
der beste Jurist muss auch nicht der beste Anwalt sein. Soziale Skills werden im Examen nicht geprüft. In der Praxis je nach Job aber trotzdem entscheidend
Ist sie in ihren Fachbereichen der Profi? Kann ich nicht konkret beurteilen, aber die Mandantschaft ist zufrieden.
Sie sagt selbst, dass für sie der Stoff an der Uni und im Ref zu umfangreich was und sie sich durch die Konzentration auf einzelne Fachgebiete heute viel leichter tut. Außerdem ist sie sehr kommunikativ, ist empathisch und bekommt dadurch häufig Lösungen hin.
der beste Jurist muss auch nicht der beste Anwalt sein. Soziale Skills werden im Examen nicht geprüft. In der Praxis je nach Job aber trotzdem entscheidend
21.01.2025, 01:08
Die Examina prüfen die rechtswissenschaftlichen Fähigkeiten bzw. die Befähigung zum Richteramt und sind darin vergleichsweise gut. Wer 4 Punkte im 2. Examen hat, wäre wahrscheinlich kein guter Richter - wer 10 Punkte hat wahrscheinlich schon.
Jetzt gibt es halt aber auch andere Berufe, und die sind nicht unbedingt vom Anforderungsprofil vergleichbar. Anwalt am BGH dürfte eher nahe dran sein, FWW-Strafrechtler eher nicht.
Jetzt gibt es halt aber auch andere Berufe, und die sind nicht unbedingt vom Anforderungsprofil vergleichbar. Anwalt am BGH dürfte eher nahe dran sein, FWW-Strafrechtler eher nicht.
21.01.2025, 10:35
(19.01.2025, 22:49)Fragend schrieb: Ich finde die Frage schon faszinierend und bezeichnend für die verquere Juristenausbildung in Deutschland.
In keinem anderen Fach mit Staatsexamen (oder auch sonst) würde jemand auf die Idee kommen, sich über gute Leistungen und fachliches Wissen eines praktizierenden Kollegen zu wundern, weil er mal im Examen, im Zweifel vor Jahren, aus welchen Gründen auch immer unterdurchschnittlich abgeschnitten hat.
Ohne jemanden angreifen zu wollen, aber schon die Frage wirkt unfassbar engstirnig auf mich.
+ 1
Zwar wird derjenige mit zwei guten Staatsexamina auch regelmäßig ein guter Jurist sein, aber 1. lässt das nicht automatisch den Rückschluss zu, dass derjenige mit zwei "schlechten" Staatsexamina auch zwangsläufig ein schlechter Jurist ist und 2. ist ein guter Jurist nicht zwangsläufig ein guter Rechtsanwalt und umgekehrt. Ein guter Rechtsanwalt sollte m.E.n. emphatisch, zwischenmenschlich stark und auch kreativ sein, dass sind alles Dinge die in den Staatsexamina nur bedingt geprüft werden.