07.12.2020, 21:42
Guten Abend zusammen,
zurzeit überlege ich nach fast zwei Jahren, der Justiz den Rücken zu kehren und wieder in die Anwaltschaft zu wechseln.
Gibt es hier Personen, die ebenfalls den Schritt gewagt haben? Gab es Schwierigkeiten bei der Jobsuche? Habt ihr den Wechsel nachträglich bereut?
zurzeit überlege ich nach fast zwei Jahren, der Justiz den Rücken zu kehren und wieder in die Anwaltschaft zu wechseln.
Gibt es hier Personen, die ebenfalls den Schritt gewagt haben? Gab es Schwierigkeiten bei der Jobsuche? Habt ihr den Wechsel nachträglich bereut?
Wer Richter auf Probe bzw. Staatsanwalt werden möchte, sollte sich mit dem Karriere-Dossier über die Einstellungschancen und Bewerbungsvoraussetzungen informieren. Das Karriere-Dossier ist als Print-Buch sowie als E-Book für alle 16 Bundesländer erhältlich:
https://www.juristenkoffer.de/richter/karriere-dossier-richter-staatsanwalt-werden.php
Und zur Vorbereitung auf das alles entscheidende Vorstellungsgespräch sollte man auf die vielen hunderten Erfahrungsberichte anderer Juristen zugreifen, die bereits das Bewerbungsverfahren erfolgreich absolviert haben.
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Und zur Vorbereitung auf das alles entscheidende Vorstellungsgespräch sollte man auf die vielen hunderten Erfahrungsberichte anderer Juristen zugreifen, die bereits das Bewerbungsverfahren erfolgreich absolviert haben.
07.12.2020, 22:43
Stichwort: Nachversicherung und Verlust von Pensionsansprüchen
07.12.2020, 23:00
07.12.2020, 23:01
08.12.2020, 00:01
(07.12.2020, 21:42)Gast schrieb: Guten Abend zusammen,
zurzeit überlege ich nach fast zwei Jahren, der Justiz den Rücken zu kehren und wieder in die Anwaltschaft zu wechseln.
Gibt es hier Personen, die ebenfalls den Schritt gewagt haben? Gab es Schwierigkeiten bei der Jobsuche? Habt ihr den Wechsel nachträglich bereut?
Ich war nicht mal ein Jahr bei der Justiz. Ich hatte überhaupt keine Schwierigkeiten bei der Jobsuche. Bin in einer GK untergekommen. Den Wechsel habe ich eigentlich nicht bereut. Die Zeit bei der Justiz war einfach nur grausam. Akten ohne Ende. Danach konnte es nur besser werden.
08.12.2020, 22:07
Warum willst du aussteigen?
08.12.2020, 22:20
(07.12.2020, 22:43)Gast schrieb: Stichwort: Nachversicherung und Verlust von Pensionsansprüchen
Das ist bei 1-2 Jahren nun aber kein Problem und lässt sich selbst bei 3-5 Jahren durchaus aufholen, je nachdem, wie viel man im anderen Job verdient. I.Ü. ist, außer bei GK- Anwälten, die voraussichtliche Rente des Versorgungswerks meist ohnehin nicht ganz so hoch wie die Richter-Pension. Aber ob man später vielleicht 200 Euro weniger hat, ist nicht unbedingt das Problem, wenn man unzufrieden im Job ist und sich vorstellen muss, den noch Jahrzehnte noch weiter zu machen.
08.12.2020, 22:52
Lieber ein Ende mit Schrecken, als ein Schrecken ohne Ende.
Wenn es nicht das ist, was du willst, mach etwas anderes. Mit ordentlichen Examina stehen dir alle Türen offen. Ich selbst bin nach rund 18 Monaten ausgestiegen. Das Gefühl, nur irgendwie zu erledigen um mit der Masse an Arbeit fertig zu werden wurde ich nicht los. Bei angemessener Bearbeitung der Verfahren wäre ich nicht 40 Stunden die Woche sondern weit über dem Doppelten beschäftigt gewesen. Wenn man nach 60 Stunden-Wochen trotzdem das Gefühl hat, nichts richtig abgearbeitet zu haben sondern es nur ein Tropfen auf dem heißen Stein war, kommt man ins Grübeln.
Ich für meinen Teil habe es nicht bereut. Meine nicht über 50 Stunden pro Woche in der Boutique (bei 50 Stunden mache ich außer in Notfällen einen Cut und beschließe die Woche) würde ich niemals wieder hergeben. Hier habe ich das Gefühl, wirklich etwas bewirken zu können. Das war vorher nicht so. Ich kann die ernsthafte Überdenkung deiner Situation aufgrund meiner Erfahrung nur empfehlen.
Alles Gute, du wirst das Richtige tun! :)
Wenn es nicht das ist, was du willst, mach etwas anderes. Mit ordentlichen Examina stehen dir alle Türen offen. Ich selbst bin nach rund 18 Monaten ausgestiegen. Das Gefühl, nur irgendwie zu erledigen um mit der Masse an Arbeit fertig zu werden wurde ich nicht los. Bei angemessener Bearbeitung der Verfahren wäre ich nicht 40 Stunden die Woche sondern weit über dem Doppelten beschäftigt gewesen. Wenn man nach 60 Stunden-Wochen trotzdem das Gefühl hat, nichts richtig abgearbeitet zu haben sondern es nur ein Tropfen auf dem heißen Stein war, kommt man ins Grübeln.
Ich für meinen Teil habe es nicht bereut. Meine nicht über 50 Stunden pro Woche in der Boutique (bei 50 Stunden mache ich außer in Notfällen einen Cut und beschließe die Woche) würde ich niemals wieder hergeben. Hier habe ich das Gefühl, wirklich etwas bewirken zu können. Das war vorher nicht so. Ich kann die ernsthafte Überdenkung deiner Situation aufgrund meiner Erfahrung nur empfehlen.
Alles Gute, du wirst das Richtige tun! :)
09.12.2020, 00:12
(08.12.2020, 22:07)Gast schrieb: Warum willst du aussteigen?
Ich bin ursprünglich in die Justiz gegangen, weil ich der Meinung war, dort etwas Sinnvolles tun zu können. Zudem sprach mich auch die freie Zeiteinteilung/Flexibilität an. Nachdem ich zunächst in einer großen Strafkammer tätig war, kam ich mit der Arbeitszeit auch sehr gut hin, auch wenn es durchaus Monate gab, an dem wir fast jeden Arbeitstag Sitzung hatten und damit wenig Zeit für die übrige Arbeit verblieb. Jedenfalls hatte ich dort tatsächlich das Gefühl, etwas Sinnvolles zu tun - obwohl ich nach dem 2. Examen froh war, kein Strafrecht mehr machen zu müssen und das eigentlich auch nie wieder vor hatte. Ich bin letztlich einfach kein Strafrechtler. Dann hat es mich trotz begonnener Spezialisierung in der Anwaltschaft in die ordentliche Gerichtsbarkeit verschlagen, wo ich dann - zwangsweise - zunächst Strafrecht machen musste. Dabei hatte ich von Beginn meine Tätigkeit langfristig im Zivilrecht gesehen.
Nunmehr bin ich seit fast 5 Monaten in einer großen Zivilkammer - und ich finde es ehrlich gesagt furchtbar. Im Grunde kämpft man gegen den Aktenberg an und überlegt, wie man die Sache "weg" bekommt. Dies betrifft insbesondere die Diesel- und Widerrufssachen. Dann verbleiben in meinem Einzelrichterdezernat überwiegend noch Verkehrsunfälle. Alles drei Gebiete, für die ich mich fachlich überhaupt nicht begeistern kann. Hinzukommen die Kammersachen, die überwiegend Bausachen sind; diese sind zwar zugegebenermaßen weit weniger schlimm als mir alle prognostiziert haben und ich es mir daher vorgestellt habe. Ein Interesse oder eine Begeisterung kann ich hierfür jedoch auch nicht nur ansatzweise aufbringen. Zum ersten Mal kam bei mir schon nach kurzer Zeit der Gedanke auf: "Was machst du hier eigentlich?"
Im Grunde habe ich schlicht das Gefühl, dass mir die Tätigkeit als Zivilrichter nicht liegt. Man liest eine Vielzahl von Akten mit meist unsubstantiiertem Vortrag und muss (am Landgericht mit Anwaltszwang!) die Rechtsanwälte darauf hinweisen, dass ihr Vortrag bislang unzureichend oder ihre Klage unschlüssig ist. Zudem habe ich das nicht Gefühl, die Akten in angemessenem Umfang bearbeiten zu können. Ich schreibe etwa 2 bis 4 Voten die Woche, wo ich die Akte meist das erste Mal sehe, komplett lese und den Akteninhalt in den wesentlichen Zügen nebst rechtlicher Würdigung zusammenzufasse, wofür je Votum fast ein Drittel des Tages für draufgeht. Daneben muss ich meine Einzelrichtersitzungen vorbereiten, die ich - sofern es nicht Diesel- oder Widerrufssachen sind - meistens zumindest vor der Vorbereitung schonmal grob gelesen habe und im Wesentlichen kenne. Dann kommen jede Woche noch Verkündungstermine hinzu, für die Urteile oder Beweisbeschlüsse gefertigt werden müssen. Ich war vorher zwei Jahres in einer Boutique als Anwalt tätig; dort hatte ich nicht einen solchen Fristen- und Erledigungsdruck, auch wenn es dortauch Belastungsspitzen gab. Dort hatte ich aber stets die Gelegenheit, die Sachen in ausreichender Zeit vorzubereiten und zu recherechieren. Hierfür fehlt mir als Richter meist die Zeit oder ich müsste wesentlich mehr arbeiten, obwohl ich nur für 41 Stunden/Woche bezahlt werde.
Und da wären wir schon am nächsten Punkt: Die Geschäftsstellenkräfte werden immer weiter abgebaut; dank Dragon, das m.E, höchst unzuverlässig funktioniert, werden auch die Bandkanzleien auf kurz oder lang eingespart. Seit kurzem haben wir nunmehr die E-Akte, in der man als Richter - überspitzt - im Grunde als selbst macht und die Geschäftsstellenkräfte am Ende nur noch auf Ausdrucken klicken, eintüten und verschicken. Jedenfalls wird das darauf wohl langfristig hinauslaufen. Kurzum: Es wird weiter eingespart, der verantwortungsvolle Richter arbeitet ja eigenständig für jede Stunde über seine 41-Stunden-Woche hinaus kostenlos. Und da merkt man dann, dass irgendwie für nichts Haushaltsmittel oder Personal vorhanden sind. Meine zeitweise unterbesetzte Geschäftsstelle kommt manchmal auch gar nicht dazu, Fristen zu ziehen, sodass ich letztlich die Fristenkontrolle am Ende irgendwie auch selbst übernehmen muss. Bei Krankheit oder Urlaub der Geschäftsstellenkräfte bricht die Geschäftstelle letztlich zusammen und man kann froh sein, wenn Verfügungen von Vertretungen überhaupt bearbeitet oder einem Akten vorgelegt werden. Und auf all das kann man keinen Einfluss nehmen - ebensowenig darauf, welches Rechtsgebiet man inhaltlich bearbeitet. Bereits jetzt wird - immerhin transparent und offen - kommuniziert, dass auf absehbare Zeit kaum Planstellen für die Proberichter vorhanden sind. Und nachdem ich nunmehr an zwei verschiedenen Landgerichten tätig war, lässt sich den Schilderungen der jeweiligen Vorsitzenden entnehmen, dass diese sich auch regelmäßig mit der Verwaltung herumschlagen dürfen; sei es wegen Sitzungssälen, angemessener Ausstattung wegen Corona oder schlicht, um zu verhindern, dass die Kammer mit noch mehr Verfahren - etwa im Rahmen einer (weiteren) Spezialzuständigkeit, etwa durch Übernahme von Verfahren ohne Anrechnung auf den Turnus - zugewiesen erhält. Da bin ich glaube ich lieber in der Privatwirtschaft, wo ich ich Zweifel einfach meinen Hut nehmen und mir einen neuen Arbeitgeber suchen kann, wenn die Arbeitsumstände mir nicht gefallen.
Zusammengefasst: Ich glaube auf kurz oder lang werde ich angesichts dessen zunehmend frustiert sein, was einer Zufriedenheit im Beruf abträglich ist. Hinzukommt, dass mir - nun wo ich den Vergleich zur Antwaltschaft aus eigener Erfahrung anstellen kann - die Vielseitigkeit der anwaltlichen Tätigkeit fehlt. Ich möchte wieder etwas bewegen und gestalten, wenngleich auch in der Anwaltschaft nicht alles toll war. In der Justiz ist man nach meinem Empfinden irgendwie nur Aktenverwalter mit dem Ziel der Erledigung des Verfahrens in angemessener Zeit, was nach meinem Eindruck angesichts der übrigen Umstände zu einer gewissen Oberflächlichkeit in der Bearbeitung führt. Ähnliches hatten auch schon manche hier in dem Parallelthread aus den Staatsanwaltschaften berichtet. Das kann ich durchaus nachvollziehen, wenn ich mich an manche Anklageschriften erinnere, die wir in meiner Zeit in der großen Strafkammer erhalten haben; diese konnte man zum Teil nur mit erheblichem Aufwand in geänderter Form oder erst nach weiteren Ermittlungen der StA zur Hauptverhandlung zulassen.
Ich dachte bei meinem Einstieg in die Justiz, ich könnte bei etwas Sinnvollem behilflich sein; im Grunde habe ich aber das Gefühl, das Ergebnis langjähriger und teils anhaltender Sparmaßnahmen ausbaden zu müssen. Es drängt sich mir der Eindruck auf, dass die Justiz nur bloß irgendwie am Laufen gehalten wird - auf Kosten der in der Justiz Beschäftigten, auf Kosten der Parteien bzw. Verfahrensbeteiligten sowie letztlich auf Kosten der Rechtsstaatlichkeit.
09.12.2020, 00:25
(09.12.2020, 00:12)Gast schrieb:(08.12.2020, 22:07)Gast schrieb: Warum willst du aussteigen?
Ich bin ursprünglich in die Justiz gegangen, weil ich der Meinung war, dort etwas Sinnvolles tun zu können. Zudem sprach mich auch die freie Zeiteinteilung/Flexibilität an. Nachdem ich zunächst in einer großen Strafkammer tätig war, kam ich mit der Arbeitszeit auch sehr gut hin, auch wenn es durchaus Monate gab, an dem wir fast jeden Arbeitstag Sitzung hatten und damit wenig Zeit für die übrige Arbeit verblieb. Jedenfalls hatte ich dort tatsächlich das Gefühl, etwas Sinnvolles zu tun - obwohl ich nach dem 2. Examen froh war, kein Strafrecht mehr machen zu müssen und das eigentlich auch nie wieder vor hatte. Ich bin letztlich einfach kein Strafrechtler. Dann hat es mich trotz begonnener Spezialisierung in der Anwaltschaft in die ordentliche Gerichtsbarkeit verschlagen, wo ich dann - zwangsweise - zunächst Strafrecht machen musste. Dabei hatte ich von Beginn meine Tätigkeit langfristig im Zivilrecht gesehen.
Nunmehr bin ich seit fast 5 Monaten in einer großen Zivilkammer - und ich finde es ehrlich gesagt furchtbar. Im Grunde kämpft man gegen den Aktenberg an und überlegt, wie man die Sache "weg" bekommt. Dies betrifft insbesondere die Diesel- und Widerrufssachen. Dann verbleiben in meinem Einzelrichterdezernat überwiegend noch Verkehrsunfälle. Alles drei Gebiete, für die ich mich fachlich überhaupt nicht begeistern kann. Hinzukommen die Kammersachen, die überwiegend Bausachen sind; diese sind zwar zugegebenermaßen weit weniger schlimm als mir alle prognostiziert haben und ich es mir daher vorgestellt habe. Ein Interesse oder eine Begeisterung kann ich hierfür jedoch auch nicht nur ansatzweise aufbringen. Zum ersten Mal kam bei mir schon nach kurzer Zeit der Gedanke auf: "Was machst du hier eigentlich?"
Im Grunde habe ich schlicht das Gefühl, dass mir die Tätigkeit als Zivilrichter nicht liegt. Man liest eine Vielzahl von Akten mit meist unsubstantiiertem Vortrag und muss (am Landgericht mit Anwaltszwang!) die Rechtsanwälte darauf hinweisen, dass ihr Vortrag bislang unzureichend oder ihre Klage unschlüssig ist. Zudem habe ich das nicht Gefühl, die Akten in angemessenem Umfang bearbeiten zu können. Ich schreibe etwa 2 bis 4 Voten die Woche, wo ich die Akte meist das erste Mal sehe, komplett lese und den Akteninhalt in den wesentlichen Zügen nebst rechtlicher Würdigung zusammenzufasse, wofür je Votum fast ein Drittel des Tages für draufgeht. Daneben muss ich meine Einzelrichtersitzungen vorbereiten, die ich - sofern es nicht Diesel- oder Widerrufssachen sind - meistens zumindest vor der Vorbereitung schonmal grob gelesen habe und im Wesentlichen kenne. Dann kommen jede Woche noch Verkündungstermine hinzu, für die Urteile oder Beweisbeschlüsse gefertigt werden müssen. Ich war vorher zwei Jahres in einer Boutique als Anwalt tätig; dort hatte ich nicht einen solchen Fristen- und Erledigungsdruck, auch wenn es dortauch Belastungsspitzen gab. Dort hatte ich aber stets die Gelegenheit, die Sachen in ausreichender Zeit vorzubereiten und zu recherechieren. Hierfür fehlt mir als Richter meist die Zeit oder ich müsste wesentlich mehr arbeiten, obwohl ich nur für 41 Stunden/Woche bezahlt werde.
Und da wären wir schon am nächsten Punkt: Die Geschäftsstellenkräfte werden immer weiter abgebaut; dank Dragon, das m.E, höchst unzuverlässig funktioniert, werden auch die Bandkanzleien auf kurz oder lang eingespart. Seit kurzem haben wir nunmehr die E-Akte, in der man als Richter - überspitzt - im Grunde als selbst macht und die Geschäftsstellenkräfte am Ende nur noch auf Ausdrucken klicken, eintüten und verschicken. Jedenfalls wird das darauf wohl langfristig hinauslaufen. Kurzum: Es wird weiter eingespart, der verantwortungsvolle Richter arbeitet ja eigenständig für jede Stunde über seine 41-Stunden-Woche hinaus kostenlos. Und da merkt man dann, dass irgendwie für nichts Haushaltsmittel oder Personal vorhanden sind. Meine zeitweise unterbesetzte Geschäftsstelle kommt manchmal auch gar nicht dazu, Fristen zu ziehen, sodass ich letztlich die Fristenkontrolle am Ende irgendwie auch selbst übernehmen muss. Bei Krankheit oder Urlaub der Geschäftsstellenkräfte bricht die Geschäftstelle letztlich zusammen und man kann froh sein, wenn Verfügungen von Vertretungen überhaupt bearbeitet oder einem Akten vorgelegt werden. Und auf all das kann man keinen Einfluss nehmen - ebensowenig darauf, welches Rechtsgebiet man inhaltlich bearbeitet. Bereits jetzt wird - immerhin transparent und offen - kommuniziert, dass auf absehbare Zeit kaum Planstellen für die Proberichter vorhanden sind. Und nachdem ich nunmehr an zwei verschiedenen Landgerichten tätig war, lässt sich den Schilderungen der jeweiligen Vorsitzenden entnehmen, dass diese sich auch regelmäßig mit der Verwaltung herumschlagen dürfen; sei es wegen Sitzungssälen, angemessener Ausstattung wegen Corona oder schlicht, um zu verhindern, dass die Kammer mit noch mehr Verfahren - etwa im Rahmen einer (weiteren) Spezialzuständigkeit, etwa durch Übernahme von Verfahren ohne Anrechnung auf den Turnus - zugewiesen erhält. Da bin ich glaube ich lieber in der Privatwirtschaft, wo ich ich Zweifel einfach meinen Hut nehmen und mir einen neuen Arbeitgeber suchen kann, wenn die Arbeitsumstände mir nicht gefallen.
Zusammengefasst: Ich glaube auf kurz oder lang werde ich angesichts dessen zunehmend frustiert sein, was einer Zufriedenheit im Beruf abträglich ist. Hinzukommt, dass mir - nun wo ich den Vergleich zur Antwaltschaft aus eigener Erfahrung anstellen kann - die Vielseitigkeit der anwaltlichen Tätigkeit fehlt. Ich möchte wieder etwas bewegen und gestalten, wenngleich auch in der Anwaltschaft nicht alles toll war. In der Justiz ist man nach meinem Empfinden irgendwie nur Aktenverwalter mit dem Ziel der Erledigung des Verfahrens in angemessener Zeit, was nach meinem Eindruck angesichts der übrigen Umstände zu einer gewissen Oberflächlichkeit in der Bearbeitung führt. Ähnliches hatten auch schon manche hier in dem Parallelthread aus den Staatsanwaltschaften berichtet. Das kann ich durchaus nachvollziehen, wenn ich mich an manche Anklageschriften erinnere, die wir in meiner Zeit in der großen Strafkammer erhalten haben; diese konnte man zum Teil nur mit erheblichem Aufwand in geänderter Form oder erst nach weiteren Ermittlungen der StA zur Hauptverhandlung zulassen.
Ich dachte bei meinem Einstieg in die Justiz, ich könnte bei etwas Sinnvollem behilflich sein; im Grunde habe ich aber das Gefühl, das Ergebnis langjähriger und teils anhaltender Sparmaßnahmen ausbaden zu müssen. Es drängt sich mir der Eindruck auf, dass die Justiz nur bloß irgendwie am Laufen gehalten wird - auf Kosten der in der Justiz Beschäftigten, auf Kosten der Parteien bzw. Verfahrensbeteiligten sowie letztlich auf Kosten der Rechtsstaatlichkeit.
Traurig, aber wahr, was du berichtest.