29.07.2020, 10:42
(29.07.2020, 10:40)schalala schrieb:(29.07.2020, 10:34)Gast schrieb: Da hier ja ständig von den niedrigen Einstellungsvoraussetzungen nach der Wende berichtet wird - weiß jemand wirklich aus erster Hand, wie das damals aussah?
Ich hab nämlich leichter Zweifel, dass da wirklich - wie hier angedeutet - reihenweise 2xa-Juristen Richter wurden. War es nicht eher so, dass zu der Zeit im Westen sehr wenige Richterstellen frei wurden und entsprechend auch Leute mit Doppel-VB dort teilweise nicht untergekommen sind?
Also im OLG Hamm Bezirk, wenn man bereit war, am Arsch der Welt zu arbeiten, ist man da schon mit unteren B reingekommen. War jedenfalls bei einer Freundin so. Aber mit 2x Ausreichend kann ich mir nicht vorstellen.
Ich meinte eigentlich die Einstellungsvoraussetzungen in den neuen Bundesländern direkt nach 1990. Hier wird das oft so dargestellt, als sei damals praktisch jeder, der wollte, dort als Richter untergekommen - was ich mir auch schwer vorstellen kann.
29.07.2020, 10:43
(29.07.2020, 10:40)schalala schrieb:(29.07.2020, 10:34)Gast schrieb: Da hier ja ständig von den niedrigen Einstellungsvoraussetzungen nach der Wende berichtet wird - weiß jemand wirklich aus erster Hand, wie das damals aussah?
Ich hab nämlich leichter Zweifel, dass da wirklich - wie hier angedeutet - reihenweise 2xa-Juristen Richter wurden. War es nicht eher so, dass zu der Zeit im Westen sehr wenige Richterstellen frei wurden und entsprechend auch Leute mit Doppel-VB dort teilweise nicht untergekommen sind?
Also im OLG Hamm Bezirk, wenn man bereit war, am Arsch der Welt zu arbeiten, ist man da schon mit unteren B reingekommen. War jedenfalls bei einer Freundin so. Aber mit 2x Ausreichend kann ich mir nicht vorstellen.
Eine Freundin von Dir ist vor über 30 Jahren in die Justiz gegangen? Schön, dass das Forum inzwischen auch von Rentnern genutzt wird.
29.07.2020, 10:47
(29.07.2020, 10:14)Gast schrieb: Im Zweifelsfall ist die Richtereinstellung Politik pur. Wir haben jetzt schon bzw. in der Zukunft noch umso mehr die Wahl zwischen:
- Ewig langen Verfahrensdauern, insbesondere der Freilassung potentiell gefährlicher Tatverdächtiger aus der U-Haft
- Mehr Personal:
- a) durch Besoldung der Richter auf GK-Niveau
- b) Herabsenken der Anforderungen
Wenn die Justiz in den nächsten Jahren aufgrund von Massenpensionierungen kollabiert, wird die Politik Maßnahmen ergreifen müssen - und das wird wie immer nicht die höhere Besoldung sein. Glaubt hier jemand ernsthaft, dass die Parteien und Boulevardmedien es nicht ausschlachten werden, wenn in den nächsten Jahren reihenweise Verdächtige freikommen? Die Einstellung des Loveparade-Prozesses war ja auch wieder so ein Desaster.
Man wird auf lange Sicht nicht darum herum kommen, jeden interessierten Bewerber einzustellen. Und warum auch nicht? Das Beispiel Ostdeutschland zeigt, dass die Qualität der Rechtsprechung nicht an formalen Notenkriterien zu messen ist. Und man muss nicht zur juristischen Elite gehören, um am Amtsgericht über Handy- und Fitnessstudioverträge, Mietmängel, Beleidigungen oder einfache Körperverletzungen urteilen zu können.
„Wenn in den nächsten Jahren reihenweise Verdächte freikommen?“ Lol :D
Der Loveparade Prozess hatte mit ganz besonderen Faktoren zu kämpfen, die nichts mit Personalmangel an sich zu tun hatten.
„Man wird nicht drum rumkommen, jeden einzelnen interessierten Bewerber einzustellen.“ Es wird auch in Zukunft viele Interessenten geben. Und ich bin mir sicher, dass die Zahl der Interessierten die Zahl der freien Plätze übersteigen wird.
Was wohl richtig ist: die „Elite“ am Amtsgericht braucht keine Super Noten. Aber dafür umso mehr eine Fähigkeit zur Kommunikation mit Menschen und zur Sachverhaltsaufklärung. Aber insgesamt gibt es ja „noch“ genug Bewerber, die zum einen relativ gute Noten mitbringen und zum anderen sozial geeignet sind. Dass sich daran drastisch etwas ändern wird, wage ich zu bezweifeln. Vor allem Frauen haben immer noch ein hohes Interesse am Staatsdienst und bringen oft auch solide Noten mit.
Die Bezahlung ist im Übrigen - wenn man Bock hat auf den Beruf - vor dem Hintergrund der Freiheit meiner Meinung nach sehr gut. Auch wenn die Steigerung nicht soo dolle ist
29.07.2020, 10:56
(29.07.2020, 10:10)Der echte Norden schrieb:(29.07.2020, 10:04)Gast schrieb: Bevor in der verstaubten Justiz die Digitalisierung Jobs wegschafft, gehen erstmal über die Hälfte der Staatsdiener in den Ruhestand. Und dann müssen sie einstellen. Corona und Haushaltsplanung hin oder her. Es seidenn man möchte, dass noch mehr Straftäter aus der U-Haft entlassen werden müssen, weil es nie zu einem Verfahren kommt. Schon passiert.
Mit solchen Plattitüden bist Du am Stammtisch sicher der Boss!
Nein das sehe ich ich hier vor Ort? Also das beruht auf einer wahren Begebenheit. Freut mich ja, wenn es im Norden noch nicht so weit ist.
29.07.2020, 11:00
(29.07.2020, 10:34)Gast schrieb: Da hier ja ständig von den niedrigen Einstellungsvoraussetzungen nach der Wende berichtet wird - weiß jemand wirklich aus erster Hand, wie das damals aussah?Das ist aber viel Polemik. Vor allem, weil die wenigsten hier Ostdeutschland besser kennen, geschweige denn irgendetwas Positives beitragen können oder wollen.
Ich hab nämlich leichter Zweifel, dass da wirklich - wie hier angedeutet - reihenweise 2xa-Juristen Richter wurden. War es nicht eher so, dass zu der Zeit im Westen sehr wenige Richterstellen frei wurden und entsprechend auch Leute mit Doppel-VB dort teilweise nicht untergekommen sind?
Mir fiel auf die Schnelle Mellinghoff ein. Aus Langenfeld in Münster studiert, dann nach Heidelberg. Mitarbeiter am BVerfG, Finanzrichter in Ddorf. Später nach MV, wo er erst in Ministerium, dann ab 1992 als Finanzrichter gearbeitet hat, später OVG und Landesverfassungsgericht. Später Richter am BVerfG und dann Präsident am BFH. Also mit Sicherheit ein 2xa Kandidat *Ironie off*. Da gibt es noch viele andere, wenn auch nicht immer ganz so hohes Kaliber.
Es sind letztlich viele gute Leute zum Aufbau einer guten Justiz dorthin gegangen, denen das wirklich am Herzen lag oder die eben mit Karriereaussichten gelockt werden konnten. Und um da in einem Ministerium oder größeren Gericht unterzukommen, ging das mit gerade so bestanden nicht. Allerdings betrifft das natürlich primär die größeren Städte.Hinzu kommt folgender Punkt: In den 90igern war die Lebensqualität und Ausstattung in Ostdeutschland noch deutlich schlechter als in Westen (von der Besoldung nicht zu reden, das ist ja immer noch so). Da haben sich auch ausreichend-Leute aus dem Westen nicht wirklich darum gerissen, als Amtsrichter in Anklam zu landen (Ausnahmen, die unbedingt Richter werden wollen, mag es geben). Denn auch mit ausreichend kann/konnte man im Westen durchaus finanziell gut über die Runden kommen; das ist immer auch etwas eine Glücksfrage. Jedem, der ein bisschen Nachdenken kann und sich etwas mit Ostdeutschland beschäftigt hat, bevor er den Mund aufmacht, sollte das klar sein.
Wenn -wie zum Teil verbreitet- immer noch abfällig über Ostdeutschland geschrieben wird (oft zu Unrecht), warum sollten dann damals, als die Bedingungen viel schlechter waren, die schlechten Juristen in Scharen dort rübergegangen sein, wenn doch auch für sie die Lebensqualität im Westen viel besser war, sie dort studiert und idR Familie hatten? Die pauschale Behauptung, dass das überwiegend schlechte West-Juristen waren, die hier keine Chancen hatten, ist jedenfalls Schwachsinn.
29.07.2020, 11:07
(29.07.2020, 10:42)Gast schrieb:(29.07.2020, 10:40)schalala schrieb:(29.07.2020, 10:34)Gast schrieb: Da hier ja ständig von den niedrigen Einstellungsvoraussetzungen nach der Wende berichtet wird - weiß jemand wirklich aus erster Hand, wie das damals aussah?
Ich hab nämlich leichter Zweifel, dass da wirklich - wie hier angedeutet - reihenweise 2xa-Juristen Richter wurden. War es nicht eher so, dass zu der Zeit im Westen sehr wenige Richterstellen frei wurden und entsprechend auch Leute mit Doppel-VB dort teilweise nicht untergekommen sind?
Also im OLG Hamm Bezirk, wenn man bereit war, am Arsch der Welt zu arbeiten, ist man da schon mit unteren B reingekommen. War jedenfalls bei einer Freundin so. Aber mit 2x Ausreichend kann ich mir nicht vorstellen.
Ich meinte eigentlich die Einstellungsvoraussetzungen in den neuen Bundesländern direkt nach 1990. Hier wird das oft so dargestellt, als sei damals praktisch jeder, der wollte, dort als Richter untergekommen - was ich mir auch schwer vorstellen kann.
Ups, man sollte richtig lesen :D
29.07.2020, 11:18
(29.07.2020, 10:56)Gast schrieb:(29.07.2020, 10:10)Der echte Norden schrieb:(29.07.2020, 10:04)Gast schrieb: Bevor in der verstaubten Justiz die Digitalisierung Jobs wegschafft, gehen erstmal über die Hälfte der Staatsdiener in den Ruhestand. Und dann müssen sie einstellen. Corona und Haushaltsplanung hin oder her. Es seidenn man möchte, dass noch mehr Straftäter aus der U-Haft entlassen werden müssen, weil es nie zu einem Verfahren kommt. Schon passiert.
Mit solchen Plattitüden bist Du am Stammtisch sicher der Boss!
Nein das sehe ich ich hier vor Ort? Also das beruht auf einer wahren Begebenheit. Freut mich ja, wenn es im Norden noch nicht so weit ist.
Was genau siehst Du denn vor Ort? Das ist mir unklar!
29.07.2020, 11:26
Träumt weiter mit Legal Tech. Sprache und Ki vertragen sich nicht. Erst recht deutsche Sprache
30.07.2020, 13:37
Hab heute im Ministerium angerufen. Es hieß man habe gegenwärtig sehr viele Bewerbungen im Vergleich zu den Vorjahren. Gleichzeitig rechnen Sie damit, dass sie letztlich auf viele Bewerber nicht zurückgreifen können, weil diese sich „sicherheitshalber“ beworben haben, aber in die Wirtschaft wollen. Es wurde gesagt „einfach bewerben und abwarten“, auch mit befriedigendem Examen.
30.07.2020, 13:49
(30.07.2020, 13:37)Jeff schrieb: Hab heute im Ministerium angerufen. Es hieß man habe gegenwärtig sehr viele Bewerbungen im Vergleich zu den Vorjahren. Gleichzeitig rechnen Sie damit, dass sie letztlich auf viele Bewerber nicht zurückgreifen können, weil diese sich „sicherheitshalber“ beworben haben, aber in die Wirtschaft wollen. Es wurde gesagt „einfach bewerben und abwarten“, auch mit befriedigendem Examen.
Merkwürdig. Wenn man hier liest, wie viele verzweifelt Richter werden wollen, was bei den Noten vielleicht gerade so mit Glück oder eben nicht klappt, brauchen diese Leute natürlich einen Plan B. Aber die, bei denen es relativ sicher ist, d.h. (knapp) 9 oder besser brauchen die Justiz doch nicht als Sicherheitsnetz. Wenn sie in die Wirtschaft wollen, bewerben sie sich da und wenn sie in die Justiz wollen, dann dort.
Natürlich springen Leute vereinzelt ab - musste ich aus persönlichen Gründen kurzfristig auch. Dass es sich dabei aber um eine signifikante Anzahl handelt, bezweifel ich. Aber was solls, der Justiz ist das egal, die haben jetzt deutlich mehr Kandidaten von denen, die sie wollen und freuen sich. Die anderen landen auf der Warteliste Platz 144 oder ganz draußen, hören nichts mehr und fragen hier dann ständig, wie die Chancen mit 8,1 und 7,6 sind.