11.04.2016, 19:09
(11.04.2016, 18:38)Gast schrieb: Ich fand die StA-Klausur in NRW heute geht so; zwar ging es einerseits wenigstens nur um einen Beschuldigten, andererseits hasse ich aber Versuchsprüfungen....
A. A-Gutachten
1. Tatkomplex: Geschehen Fitnessstudio
I. §§ 253, 255 StGB im Versuch (-), da in dubio pro reo kein Inaussichtstellen einer Gefahr für Leib und leben; Äußerung des M dafür zu unkonkret
II. § 253 StGB im Versuch (-), keine Absicht rechtswidriger Bereicherung wegen Tatbestandsirrtum (§ 16 I 1 StGB) bezüglich dieses subjektiven TB-Merkmals
III. § 240 StGB im Versuch (-), zwar insbesondere auch RW i. S. d. § 240 II StGB gegeben, aber strafbefreiend nach § 24 I 2 StGB zurückgetreten
IV. § 241 StGB (-), da bezüglich der einen Äußerung ("ich komme mit meinen Freunden zurück") in dubio pro reo keine Bedrohung mit einem Verbrechen, da Äußerung zu unbestimmt; bezüglich der anderen Äußerung ("ich werde dein Auto beschädigen") nur Bedrohung mit § 303 StGB, welcher kein Verbrechen ist (§ 12 I StGB)
V. Ergebnis: Bezüglich Tatgeschehen Fitnessstudio kein hinreichender Tatverdacht
2. Tatkomplex: Geschehen in der Wohnung
(P) Beweis Täterschaft
- Verlesung Aussage Ehefrau bei Polizei (-) wegen § 252 StPO
- Polizeibeamter als Zeuge vom Hören Sagen über Aussage Ehefrau vernehmen (-), da § 252 StPO umfassendes Verwertungsverbot statuiert
- Polizeibeamter als Zeuge vom Hören Sagen über Aussage Arzt vernehmen (+); im M/G stand, dass § 252 StPO dem nicht entgegensteht
I. §§ 223 I, 226 I Nr. 2 ("wichtiges Glied") StGB (-), da nur linker Zeigefinger betroffen; Geschädigte ist aber Rechtshänderin und kann ihren Beruf auch weiterhin uneingeschränkt ausüben; keine nachhaltige Beeinträchtigung der körperlichen Konstitution
II. §§ 223 I, 226 I Nr. 3 ("dauernde Entstellung") StGB (+), dass man Prothese nur bei genauem Hinsehen sieht ist irrelevant; zudem Zeigefinger dauerhaft steif, das kommt einer Behinderung gleich; in Summation daher Entstellung (+)
III. §§ 223 I, 224 I Nr. 2, 5 StGB (+) unproblematisch
IV. § 223 I StGB (-) tritt zurück; i. Ü. wäre zurückgenommener Strafantrag (§ 77 d I StGB) auch nur hinsichtlich § 223 I StGB relevant gewesen, vgl. § 230 StGB
V. Konkurrenzen: §§ 223 I, 224 I Nr. 2, 5, 226 I Nr. 3, 52 StGB
B. B-Gutachten
- Anklage zum LG - große Strafkammer - Düsseldorf, da wegen einschlägiger Vorstrafen Freiheitsstrafe über 4 Jahre zu erwarten
- Teileinstellung nach § 170 II 1 StGB bezüglich der Geschehens im Fitnessstudio, da eigenständige prozessuale Tat i. S. d. § 264 StPO
- Zeugin Seidel erhält Einstellungsbescheid mit Belehrung über Vorschaltbeschwerde, da gleichzeitig Verletzte, §§ 171, 172 StPO
- M erhält keine Einstellungsnachricht nach § 170 II 2 StPO, da nicht vernommen und Anklage im Übrigen
- Keine Pflichtverteidigerbestellung nach § 140 I Nr. 1 StPO, da M schon Verteidiger hat
- Keine Antrag auf Erlass Haftbefehl nach § 125 StPO, da M über feste soziale Bindungen verfügt; Haftgrund Fluchtgefahr (§ 112 II Nr. 2 StPO) daher (-)
Ich bin mir ziemlich sicher, dass der rechte Zeigefinger betroffen war!
Und eine abstrakte Lebensgefährdung wurde doch lt. dem Arzt ausgeschlossen?!
Zudem finde ich eine Straferwartung von mindestens 4 Jahren ziemlich krass. Mindeststrafe ist immerhin nur 1 Jahr für den 226. Hab deshalb zum Schöffengericht angeklagt.
11.04.2016, 19:36
wenn man den 226 II, also die Absicht bejaht hat kam man auf eine Mindeststrafe von 3 Jahren. Bezüglich des Fingers dürfte es argumentation sein. Urteil - vom 15. März 2007 - 4 StR 522/06...man kann sicher auch gut vertreten, dass es durchaus für einen Linkshänder bzw Rechtshänder im Alltag wichtig sein kann einen "Pinzettengriff" mit der anderen Hand ausüben zu können.
11.04.2016, 19:40
(11.04.2016, 19:09)Jupp schrieb:(11.04.2016, 18:38)Gast schrieb: Ich fand die StA-Klausur in NRW heute geht so; zwar ging es einerseits wenigstens nur um einen Beschuldigten, andererseits hasse ich aber Versuchsprüfungen....
A. A-Gutachten
1. Tatkomplex: Geschehen Fitnessstudio
I. §§ 253, 255 StGB im Versuch (-), da in dubio pro reo kein Inaussichtstellen einer Gefahr für Leib und leben; Äußerung des M dafür zu unkonkret
II. § 253 StGB im Versuch (-), keine Absicht rechtswidriger Bereicherung wegen Tatbestandsirrtum (§ 16 I 1 StGB) bezüglich dieses subjektiven TB-Merkmals
III. § 240 StGB im Versuch (-), zwar insbesondere auch RW i. S. d. § 240 II StGB gegeben, aber strafbefreiend nach § 24 I 2 StGB zurückgetreten
IV. § 241 StGB (-), da bezüglich der einen Äußerung ("ich komme mit meinen Freunden zurück") in dubio pro reo keine Bedrohung mit einem Verbrechen, da Äußerung zu unbestimmt; bezüglich der anderen Äußerung ("ich werde dein Auto beschädigen") nur Bedrohung mit § 303 StGB, welcher kein Verbrechen ist (§ 12 I StGB)
V. Ergebnis: Bezüglich Tatgeschehen Fitnessstudio kein hinreichender Tatverdacht
2. Tatkomplex: Geschehen in der Wohnung
(P) Beweis Täterschaft
- Verlesung Aussage Ehefrau bei Polizei (-) wegen § 252 StPO
- Polizeibeamter als Zeuge vom Hören Sagen über Aussage Ehefrau vernehmen (-), da § 252 StPO umfassendes Verwertungsverbot statuiert
- Polizeibeamter als Zeuge vom Hören Sagen über Aussage Arzt vernehmen (+); im M/G stand, dass § 252 StPO dem nicht entgegensteht
I. §§ 223 I, 226 I Nr. 2 ("wichtiges Glied") StGB (-), da nur linker Zeigefinger betroffen; Geschädigte ist aber Rechtshänderin und kann ihren Beruf auch weiterhin uneingeschränkt ausüben; keine nachhaltige Beeinträchtigung der körperlichen Konstitution
II. §§ 223 I, 226 I Nr. 3 ("dauernde Entstellung") StGB (+), dass man Prothese nur bei genauem Hinsehen sieht ist irrelevant; zudem Zeigefinger dauerhaft steif, das kommt einer Behinderung gleich; in Summation daher Entstellung (+)
III. §§ 223 I, 224 I Nr. 2, 5 StGB (+) unproblematisch
IV. § 223 I StGB (-) tritt zurück; i. Ü. wäre zurückgenommener Strafantrag (§ 77 d I StGB) auch nur hinsichtlich § 223 I StGB relevant gewesen, vgl. § 230 StGB
V. Konkurrenzen: §§ 223 I, 224 I Nr. 2, 5, 226 I Nr. 3, 52 StGB
B. B-Gutachten
- Anklage zum LG - große Strafkammer - Düsseldorf, da wegen einschlägiger Vorstrafen Freiheitsstrafe über 4 Jahre zu erwarten
- Teileinstellung nach § 170 II 1 StGB bezüglich der Geschehens im Fitnessstudio, da eigenständige prozessuale Tat i. S. d. § 264 StPO
- Zeugin Seidel erhält Einstellungsbescheid mit Belehrung über Vorschaltbeschwerde, da gleichzeitig Verletzte, §§ 171, 172 StPO
- M erhält keine Einstellungsnachricht nach § 170 II 2 StPO, da nicht vernommen und Anklage im Übrigen
- Keine Pflichtverteidigerbestellung nach § 140 I Nr. 1 StPO, da M schon Verteidiger hat
- Keine Antrag auf Erlass Haftbefehl nach § 125 StPO, da M über feste soziale Bindungen verfügt; Haftgrund Fluchtgefahr (§ 112 II Nr. 2 StPO) daher (-)
Ich bin mir ziemlich sicher, dass der rechte Zeigefinger betroffen war!
Und eine abstrakte Lebensgefährdung wurde doch lt. dem Arzt ausgeschlossen?!
Zudem finde ich eine Straferwartung von mindestens 4 Jahren ziemlich krass. Mindeststrafe ist immerhin nur 1 Jahr für den 226. Hab deshalb zum Schöffengericht angeklagt.
Ich hab es genauso. Hab auch 226 II mit Mindest- Freiheitsstrafe von 3 Jahren angenommen. Und aufgrund der Vorstrafen über 4 Jahre angenommen
11.04.2016, 19:42
Vielleicht mag trotzdem jemand die ÖR Klausur zusammenfassen. Vielleicht war es wirklich ein versehen der JPAs und ihr bekommt dann unsere und wir eure ;) das wäre doch mal ein schönes versehen :)
11.04.2016, 20:06
Sorry, muss nochmal nachhaken: Welche Hand war denn nun betroffen?
Den 226 II hab ich angesprochen, aber abgelehnt. Muss ja mindestens dolus directus 2. Grades vorliegen, und das war - für mich - nicht ersichtlich.
Den 226 II hab ich angesprochen, aber abgelehnt. Muss ja mindestens dolus directus 2. Grades vorliegen, und das war - für mich - nicht ersichtlich.
11.04.2016, 20:11
(11.04.2016, 20:06)Jupp schrieb: Sorry, muss nochmal nachhaken: Welche Hand war denn nun betroffen?
Den 226 II hab ich angesprochen, aber abgelehnt. Muss ja mindestens dolus directus 2. Grades vorliegen, und das war - für mich - nicht ersichtlich.
Ist es überhaupt relevant welche Hand betroffen ist. An beiden Händen ist der Zeigefinger zum Zeigen und auch zum Greifen da und ist daher ein wichtiges Glied.
Zum letzteren: Ja eben, es lag höchstens dolus eventualis vor, welcher keinesfalls ausreicht. Bin daher im B-Gutachten von "mehr als 2 Jahren" ausgegangen.
11.04.2016, 20:25
Ich denke, es ist viel mit entsprechender Argumentation vertretbar.
M.M. ist es schon absichtlich und wissentlich, wenn man jemanden mit dem Messer auf den Finger hackt, dass dieser dauerhaft unbrauchbar oder entstellt wird.
Habe allerdings auch 226 I Nr. 1 und 2 angenommen.
M.M. ist es schon absichtlich und wissentlich, wenn man jemanden mit dem Messer auf den Finger hackt, dass dieser dauerhaft unbrauchbar oder entstellt wird.
Habe allerdings auch 226 I Nr. 1 und 2 angenommen.
11.04.2016, 20:31
(11.04.2016, 20:25)gast schrieb: Ich denke, es ist viel mit entsprechender Argumentation vertretbar.Nr. 1? Hattet ihr einen anderen Fall?
M.M. ist es schon absichtlich und wissentlich, wenn man jemanden mit dem Messer auf den Finger hackt, dass dieser dauerhaft unbrauchbar oder entstellt wird.
Habe allerdings auch 226 I Nr. 1 und 2 angenommen.
Der Zeigefinger, auf den geschlagen wurde (so in S-A) wurde aber versteift und nicht der Mittelfinger, der gekürzt wurde, aber benutzbar blieb. Daher ist bei meiner Lösung nur bezogen auf den versteiften Finger Nr. 2 Alt. 2 herausgekommen.
Vielleicht waren die Sachverhalte in den Bundesländern ja doch wieder einmal auch im Detail verschieden...
11.04.2016, 20:40
(19.06.1970, 02:39)AausD schrieb:(11.04.2016, 20:25)gast schrieb: Ich denke, es ist viel mit entsprechender Argumentation vertretbar.Nr. 1? Hattet ihr einen anderen Fall?
M.M. ist es schon absichtlich und wissentlich, wenn man jemanden mit dem Messer auf den Finger hackt, dass dieser dauerhaft unbrauchbar oder entstellt wird.
Habe allerdings auch 226 I Nr. 1 und 2 angenommen.
Der Zeigefinger, auf den geschlagen wurde (so in S-A) wurde aber versteift und nicht der Mittelfinger, der gekürzt wurde, aber benutzbar blieb. Daher ist bei meiner Lösung nur bezogen auf den versteiften Finger Nr. 2 Alt. 2 herausgekommen.
Vielleicht waren die Sachverhalte in den Bundesländern ja doch wieder einmal auch im Detail verschieden...
Vertippt.. meinte Nummer 2 und 3. Nr 2 bzgl des versteiften Fingers und Nr. 3 bzgl des abgehackten Teils.
11.04.2016, 20:54
(11.04.2016, 20:06)Jupp schrieb: Sorry, muss nochmal nachhaken: Welche Hand war denn nun betroffen?
Den 226 II hab ich angesprochen, aber abgelehnt. Muss ja mindestens dolus directus 2. Grades vorliegen, und das war - für mich - nicht ersichtlich.
Es war definitiv die linke Hand betroffen!
Und bezüglich Anklage zum LG oder SchöffG: Man konnte sicher beides vertreten, hatte auch erst überlegt, ob ich zum SchöffG anklage...tateinheitlich war bei mir straferschwerend halt auch noch die gef. KV zu berücksichtigen und + die einschlägige Vorbestrafung habe ich mich dann fürs LG entschieden
Zur abstrakten Lebensgefährdung: Der Arzt hat gesagt, dass sowas im Regelfall nicht tödlich ausgeht und es auch bei der Geschädigten nicht so war. Das heißt aber doch im Umkehrschluss = abstrakt lebensgefährdend (+)?!