18.11.2023, 14:56
Hallo zusammen,
ich habe kürzlich das zweite Examen abgeschlossen und es war schon immer mein Traum, Richterin zu werden. Habe auch eine Einstellungszusage zu Anfang nächsten Jahres. Nun bin ich auf dieses Forum gestoßen und etwas perplex von der Arbeitsbelastung in der Justiz, wie sie hier beschreiben wird, insbesondere bei Proberichterin.
Nun überlege ich, ob der Schritt vielleicht doch der falsche war. Ich habe wenig Mut, jeden Tag ins Büro zu kommen mit einem Berg an Akten und 60+ Stunden zu kloppen.
Kann mir da evtl jemand die guten wie auch schlechten Illusionen nehmen?
Grüße aus Schleswig Holstein!
ich habe kürzlich das zweite Examen abgeschlossen und es war schon immer mein Traum, Richterin zu werden. Habe auch eine Einstellungszusage zu Anfang nächsten Jahres. Nun bin ich auf dieses Forum gestoßen und etwas perplex von der Arbeitsbelastung in der Justiz, wie sie hier beschreiben wird, insbesondere bei Proberichterin.
Nun überlege ich, ob der Schritt vielleicht doch der falsche war. Ich habe wenig Mut, jeden Tag ins Büro zu kommen mit einem Berg an Akten und 60+ Stunden zu kloppen.
Kann mir da evtl jemand die guten wie auch schlechten Illusionen nehmen?
Grüße aus Schleswig Holstein!
Erste Infos zum Bewerbungsverfahren für den Justizdienst findest Du auf den Richter-Infoseiten von Juristenkoffer.de:
https://www.juristenkoffer.de/richter/
Darüber hinaus sollte man sich dann mit dem Karriere-Dossier über die Einstellungschancen und Bewerbungsvoraussetzungen informieren. Optional besteht zudem die Möglichkeit, auf die vielen hunderten Erfahrungsberichte anderer Juristen zuzugreifen, die bereits das Bewerbungsverfahren erfolgreich absolviert haben:
https://www.juristenkoffer.de/richter/karriere-dossier-richter-staatsanwalt-werden.php
https://www.juristenkoffer.de/richter/
Darüber hinaus sollte man sich dann mit dem Karriere-Dossier über die Einstellungschancen und Bewerbungsvoraussetzungen informieren. Optional besteht zudem die Möglichkeit, auf die vielen hunderten Erfahrungsberichte anderer Juristen zuzugreifen, die bereits das Bewerbungsverfahren erfolgreich absolviert haben:
https://www.juristenkoffer.de/richter/karriere-dossier-richter-staatsanwalt-werden.php
18.11.2023, 15:53
Ich bin wohl kein Richter, aber ich erinnere mich an meine Zivilstation im Ref. Damals war ich bei einer Richterin, die erst vor kurzem zur Richterin auf Lebenszeit ernannt worden ist. Sie erzählte mir, dass sie als Proberichterin in der Regel am Wochenende nicht gearbeitet habe, aber auch ganz am Anfang mal 50-60 h gearbeitet habe. Dies begründete sie damit, dass sie sich damals in die ganzen Akten einarbeiten musste, was viel Zeit kostete. Aber mit der Zeit und der Routine pendele sich das ein. Nun arbeite sie in der Regel 40-45 Stunden die Woche.
Vielleicht hilft der Beitrag etwas.
Vielleicht hilft der Beitrag etwas.
18.11.2023, 15:56
Guten Morgen,
vorab: Willkommen in einem der abwechslungsreichsten Jobs, die man haben kann.
Natürlich ist jeder Berufsanfang schwer, weil alles neu ist und ja, es sind am Anfang viele Akten. Je nachdem, in welcher Kammer und mit welchem Pensum Du beginnst, schwankt die Belastung. Die Bearbeitung der einzelnen Akte dauert aber am Anfang deutlich länger, als später mit mehr Berufserfahrung. Beispielsweise einige Ausführungen zum Start in einer erstinstanzlichen Zivilkammer:
Ein Beispiel: Wenn Du am 02.01 eingestellt wirst, kann es gut sein, dass Du am 15.01 deine erste Sitzung als Einzelrichter hast mit vielleicht 3 oder vier vom Vorgänger/in terminierten Akten hast, wo Du nun vor dem 15.01 die gesamte Akte nachvollziehen musst, eventuelle Hinweise deiner Vorgänger und auch die Frage, warum welche Zeugen geladen wurden. Akten, wo die Klage aber am 03.01.24 eingeht, wirst du von Anfang an begleiten und wenn die terminiert sind, für die Terminsvorbereitung weniger Zeit brauchen, weil Du die Vorarbeit bereits geleistet hast (Entscheiden, welche Zeugen man braucht und den Sachverhalt bereits erfasst hast).
Alles weitere wird sich mit der Zeit einpendeln, man lernt super schnell und die Kolleginnen und Kollegen sind oftmals hilfsbereit. Auch in der Kammer kann man vieles fragen, das ist das wichtigste am Anfang. Man erfindet eigentlich nie das Rad neu, das muss man sich bewusst sein.
Mittel- und langfristig bekommt man hoffentlich sein Dezernat in Griff, dafür muss man die Akten erledigen und ein gewisses Maß an Entscheidungsfreude mitbringen. Und dann wechselt man das Dezernat oder das Gericht und das Spiel beginnt erneut von vorne...
Aber auch in Kanzleien und Behörden ist der Berufseinstieg viel Arbeit, weil alles neu ist und man sich inhaltlich und organisatorisch einarbeiten muss. Die Belastung in der Justiz ist so hoch, weil Du meistens so viele Akten bekommst, wie ein erfahrener Kollege. Und wenn deine Vorgänger auch Proberichter/innen und Berufseinsteigerinnen waren, dann wäre es möglich, dass es zu Rückständen gekommen ist...
Aber aus meiner persönlichen Erfahrung wird es am Anfang die Herausforderung sein, sich inhaltlich und organisatorisch zurechtzufinden. Die Belastungsspitze ist wohl nach ca 7 bis 8 Wochen, wenn die ersten Urteile geschrieben sein müssen und gleichzeitig die laufenden Termine vorbereitet und das Dezernat bearbeitet sein müssen. Danach wird die Belastung meist deutlich besser, weil man die Akten kennt und vieles in organisatorischer Hinsicht und auch in rechtlicher Hinsicht sich dann wiederholt... Und gerade im Zivilrecht ist es unfassbar wichtig, auch Vergleiche abzuschließen. Und die Argumentation dafür und ein gewisses Gefühl lernt man auch on the job, und jeder Vergleich führt dazu, dass kein Urteil geschrieben werden muss. Und ganz zuletzt spielt das Glück eine Rolle, ist die bei dir eingehende Klage eine wegen eines (einfachen) Verkehrsunfalls oder bekommst du eine komplexe Verkehrssicherungspflichtverletzung mit Wiederklage etc.pp und wie vergleichsbereit die Parteien / Anwälte sind. Ebenso wirkt sich die Komplexität der Kammersachen auf die Arbeitsbelastung aus (z.B. umfangreiche Bausachen können andere Belastungen bringen als z.B. Bankrechtsstreitigkeiten etc.).
Wochenendarbeit wird es geben. Aber vermutlich nicht auf Dauer.
Viel Erfolg für den Berufseinstieg.
vorab: Willkommen in einem der abwechslungsreichsten Jobs, die man haben kann.
Natürlich ist jeder Berufsanfang schwer, weil alles neu ist und ja, es sind am Anfang viele Akten. Je nachdem, in welcher Kammer und mit welchem Pensum Du beginnst, schwankt die Belastung. Die Bearbeitung der einzelnen Akte dauert aber am Anfang deutlich länger, als später mit mehr Berufserfahrung. Beispielsweise einige Ausführungen zum Start in einer erstinstanzlichen Zivilkammer:
Ein Beispiel: Wenn Du am 02.01 eingestellt wirst, kann es gut sein, dass Du am 15.01 deine erste Sitzung als Einzelrichter hast mit vielleicht 3 oder vier vom Vorgänger/in terminierten Akten hast, wo Du nun vor dem 15.01 die gesamte Akte nachvollziehen musst, eventuelle Hinweise deiner Vorgänger und auch die Frage, warum welche Zeugen geladen wurden. Akten, wo die Klage aber am 03.01.24 eingeht, wirst du von Anfang an begleiten und wenn die terminiert sind, für die Terminsvorbereitung weniger Zeit brauchen, weil Du die Vorarbeit bereits geleistet hast (Entscheiden, welche Zeugen man braucht und den Sachverhalt bereits erfasst hast).
Alles weitere wird sich mit der Zeit einpendeln, man lernt super schnell und die Kolleginnen und Kollegen sind oftmals hilfsbereit. Auch in der Kammer kann man vieles fragen, das ist das wichtigste am Anfang. Man erfindet eigentlich nie das Rad neu, das muss man sich bewusst sein.
Mittel- und langfristig bekommt man hoffentlich sein Dezernat in Griff, dafür muss man die Akten erledigen und ein gewisses Maß an Entscheidungsfreude mitbringen. Und dann wechselt man das Dezernat oder das Gericht und das Spiel beginnt erneut von vorne...
Aber auch in Kanzleien und Behörden ist der Berufseinstieg viel Arbeit, weil alles neu ist und man sich inhaltlich und organisatorisch einarbeiten muss. Die Belastung in der Justiz ist so hoch, weil Du meistens so viele Akten bekommst, wie ein erfahrener Kollege. Und wenn deine Vorgänger auch Proberichter/innen und Berufseinsteigerinnen waren, dann wäre es möglich, dass es zu Rückständen gekommen ist...
Aber aus meiner persönlichen Erfahrung wird es am Anfang die Herausforderung sein, sich inhaltlich und organisatorisch zurechtzufinden. Die Belastungsspitze ist wohl nach ca 7 bis 8 Wochen, wenn die ersten Urteile geschrieben sein müssen und gleichzeitig die laufenden Termine vorbereitet und das Dezernat bearbeitet sein müssen. Danach wird die Belastung meist deutlich besser, weil man die Akten kennt und vieles in organisatorischer Hinsicht und auch in rechtlicher Hinsicht sich dann wiederholt... Und gerade im Zivilrecht ist es unfassbar wichtig, auch Vergleiche abzuschließen. Und die Argumentation dafür und ein gewisses Gefühl lernt man auch on the job, und jeder Vergleich führt dazu, dass kein Urteil geschrieben werden muss. Und ganz zuletzt spielt das Glück eine Rolle, ist die bei dir eingehende Klage eine wegen eines (einfachen) Verkehrsunfalls oder bekommst du eine komplexe Verkehrssicherungspflichtverletzung mit Wiederklage etc.pp und wie vergleichsbereit die Parteien / Anwälte sind. Ebenso wirkt sich die Komplexität der Kammersachen auf die Arbeitsbelastung aus (z.B. umfangreiche Bausachen können andere Belastungen bringen als z.B. Bankrechtsstreitigkeiten etc.).
Wochenendarbeit wird es geben. Aber vermutlich nicht auf Dauer.
Viel Erfolg für den Berufseinstieg.
19.11.2023, 09:52
Das hängt alles ganz erheblich von der individuellen Situation vor Ort ab - wer vorher auf der Stelle war, wie die Geschäftsverteilung ist, welche Verfahren Du hast - und natürlich von Dir selbst - wie zielgerichtet, entschlussfreudig, kommunikativ und fachlich gut Du bist.
Ich habe mich zwar in der Justiz nie gelangweilt, aber auch nicht im Ansatz solche Horrorgeschichten erlebt, wie sie mitunter berichtet werden. Jetzt in der Verwaltung (allerdings in herausgehobener Position) arbeite ich jedenfalls mehr und zu ungünstigeren Arbeitszeiten als damals als Proberichter ;)
Freu dich auf den schönen Beruf, probiere es aus und schau, wo es Dir am besten gefällt - es ist ja auch nicht gesagt, dass Du langfristig auf der ersten Stelle bleiben wirst. Eine gute Zeit Dir!
Ich habe mich zwar in der Justiz nie gelangweilt, aber auch nicht im Ansatz solche Horrorgeschichten erlebt, wie sie mitunter berichtet werden. Jetzt in der Verwaltung (allerdings in herausgehobener Position) arbeite ich jedenfalls mehr und zu ungünstigeren Arbeitszeiten als damals als Proberichter ;)
Freu dich auf den schönen Beruf, probiere es aus und schau, wo es Dir am besten gefällt - es ist ja auch nicht gesagt, dass Du langfristig auf der ersten Stelle bleiben wirst. Eine gute Zeit Dir!
21.11.2023, 07:00
Es gibt sicherlich auch abgesoffene Dezernate, die objektiv viel Arbeit machen. Meine Erfahrung ist allerdings, dass die Arbeitsbelastung bei jüngeren Kolleginnen und Kollegen häufig auch sehr an der Entscheidungsfreudigkeit hängt. Vielen fällt der Umstieg von Theorie (insb. nach mit wissenschaftlichen Ehrgeiz verfolgter Promotion) in die Praxis sehr schwer. Da werden dann für die einfachsten Fragen zig Kommentare herangezogen, alles ausrecherchiert und gedanklich sieben Mal hin und her gewälzt, um bloß nichts „falsch“ zu machen.
21.11.2023, 07:09
Ich kann die Horrorgeschichiten ebenfalls nicht bestätigen. Auch nicht aus meinen doch recht großen Kreis an Freunden und Bekannten aus der Justiz. Als Proberichter habe ich eigentlich selten mehr als 40 Stunden gearbeitet. Wie schon von meinen Kollegen zuvor ausgeführt, kommt es sehr auf deine individuelle Arbeitsweise an. Viele Kollegen sind sehr hilfsbereit, ob Du nun in einer Kammer beginnst oder als Einzelrichter.
Ich hatte auch seinerzeit richtig Lust, "loszulegen" und kein Problem damit, Anfangs mal auch länger zu bleiben. Gerade in der Einarbeitungsphase war es für mich gut, jeden Tag vor Ort zu sein. Aber nach 6-8 Monaten hatte ich auch "den Dreh raus" und habe es mir dann auch von den Zeiten passend gemacht.
Also: Nicht so viel darauf geben, was die Leute hier an negativen Dingen schreiben. Das verzerrt das Bild gehörig. Im Einzelfall kann es sicher mal unglücklich laufen, das ist aber nicht der Regelfall. Und wenn es mal nicht rund läuft, muss man entsprechende Gegenmaßnahmen ergreifen. Immerhin bist Du jetzt Richter, mit allen Pflichten aber auch Rechten. Viel Spaß in einem wunderschönen Beruf :)
Ich hatte auch seinerzeit richtig Lust, "loszulegen" und kein Problem damit, Anfangs mal auch länger zu bleiben. Gerade in der Einarbeitungsphase war es für mich gut, jeden Tag vor Ort zu sein. Aber nach 6-8 Monaten hatte ich auch "den Dreh raus" und habe es mir dann auch von den Zeiten passend gemacht.
Also: Nicht so viel darauf geben, was die Leute hier an negativen Dingen schreiben. Das verzerrt das Bild gehörig. Im Einzelfall kann es sicher mal unglücklich laufen, das ist aber nicht der Regelfall. Und wenn es mal nicht rund läuft, muss man entsprechende Gegenmaßnahmen ergreifen. Immerhin bist Du jetzt Richter, mit allen Pflichten aber auch Rechten. Viel Spaß in einem wunderschönen Beruf :)
21.11.2023, 15:54
Ich kann solche Horrorgeschichten auch nicht ansatzweise bestätigen. Auch als ProRi hat man durchaus freie Hand. Nur weil der Vorgänger nach dem Motto "nach mir" die Wochen nach seinem Ausscheiden völlig überfrachtet hat mit Terminen, muss man das auch nicht durchziehen. Da muss man auch Haltung haben und ENTSCHEIDEN, ggfs. umzuladen.
Auch am LG in Zivilsachen hat man im Übrigen teils durchaus übersichtliche Verfahren (tatsächlich und rechtlich), man muss nicht aus allem das nächste Urteil machen, das als Entwurf für den BGH taugt.
Man muss sich auch keine Sorgen machen, gleich wieder entlassen zu werden ;) der Aufwand dich einzustellen ist ziemlich groß. Es zeugt zudem eher von Organisationsfähigkeit, gleich anfangs nicht nur stur in die blinde Aktenbearbeitung zu stürzen.
Auch am LG in Zivilsachen hat man im Übrigen teils durchaus übersichtliche Verfahren (tatsächlich und rechtlich), man muss nicht aus allem das nächste Urteil machen, das als Entwurf für den BGH taugt.
Man muss sich auch keine Sorgen machen, gleich wieder entlassen zu werden ;) der Aufwand dich einzustellen ist ziemlich groß. Es zeugt zudem eher von Organisationsfähigkeit, gleich anfangs nicht nur stur in die blinde Aktenbearbeitung zu stürzen.