13.05.2024, 11:12
(13.05.2024, 10:00)3. Versuch schrieb: Ich dachte, ich poste meinen Beitrag, den ich bereits an anderer Stelle geschrieben habe, auch hier rein in der Hoffnung, den Betroffenen, die 2x durchgefallen sind und sich hier aufhalten, ein wenig Mut zu machen.
Auch ich habe den 3. Versuch / Gnadenversuch im Dezember in NRW geschrieben, die Schriftlichen mit knapp 7 Punkten bestanden und bin jetzt Volljuristin. Es ist möglich und liegt nicht daran, dass man zu dumm ist o.ä., also lasst den Gedanken gar nicht erst zu, sondern überlegt euch, was ihr anders machen müsst als die 2 Male davor. Bei mir war es so, dass ich viel Zeit mit den Kaiserskripten verbracht und durchaus Klausuren geschrieben habe, mit Letzteren habe ich mich insgesamt aber zu wenig beschäftigt.
Also habe ich es diesmal anders gemacht. Hier deshalb meine Tipps zum weiteren Vorgehen für diejenigen, deren Vorbereitung ähnlich abgelaufen ist und die die eigene Prüfungsnummer ein 2. Mal auf der Liste auffinden mussten:
1. Durchatmen + Infos beim OLG einholen + arbeitslos melden
Nehmt euch 1-2 Tage zum Durchatmen und fangt dann an, da die Zeit läuft. Ihr habt in NRW idR 4 Monate Zeit, um euch auf den 3. Versuch vorzubereiten. Ruft bei der zuständigen Stelle an und sagt bereits jetzt, dass ihr den Gnadenversuch wahrnehmen wollt und fragt, bis wann ihr spätestens den Antrag stellen müsst. Es gab in meinem OLG Bezirk keinen Antrag, der nicht genehmigt wurde. Je nach OLG sind dafür auch schon entsprechende Formulare online. Für diejenigen, die das Ref nach der neuen Prüfungsordnung begonnen haben, gilt, dass man im 2. Versuch eine Mindestpunktzahl erreicht haben muss, um ein 3. Mal zugelassen zu werden. Hier hilft ein Blick in die Prüfungsordnung oder ein Anruf beim OLG. Des Weiteren müsst ihr euch arbeitslos melden. Wenn ihr Glück habt und sagt, dass ihr in 3-4 Monaten den Gnadenversuch schreibt, werdet ihr weitestgehend in Ruhe gelassen. Wenn es geht, würde ich an eurer Stelle nicht nebenbei arbeiten, sondern den vollen Fokus auf die Examensvorbereitung legen.
2. Klausuren zur Einsicht anfordern
Notiert euch die Fehler und fragt ggf auch mal einen Richter aus dem EVD, ob dieser einen Blick auf einzelne Klausuren werfen kann. Wenn ihr jemanden kennt, der in demselben Durchgang ebenfalls geschrieben hat und euch einen Blick in die eigenen Klausuren gewährt, wäre das toll, weil man so sieht, an welchen Stellen man zu viel Zeit verbracht hat und wie man es hätte eigentlich machen sollen. Seid realistisch und ehrlich mit euch selbst. Es blauäugig "einfach nochmal zu versuchen" ist ggf. nicht der Weg zum Erfolg - deshalb ist die Fehleranalyse wichtig.
3. Überblick verschaffen + Lernplan erstellen
Ich habe mir einen Lernplan erstellt, in dem ich die skizzierten / geschriebenen Klausuren und die jeweiligen Themen notiert habe, die ich an dem jeweiligen Lerntag wiederholen möchte. Im besten Fall verknüpft ihr die Fälle mit der passenden Theorie. Eure Zeit ist begrenzt - plant diese klug ein und verbringt diese mit den Rechtsgebieten, die häufig drankommen.
4. Lernort so wählen, dass der Lernplan eingehalten wird
Ich habe die gesamten 4 Monate in der Bibliothek gelernt. Das war für mich die beste Entscheidung, weil man hier A) die Sorgen und Versagensängste gut beiseite schieben kann und B) nicht alleine ist und C) einen geregelten Tagesablauf hat (kein Lernen bis in die Nacht) und sich ggf die Zeit fürs Kochen dank der Mensa sparen kann.
5. Viele Klausuren skizzieren + Lösungen lesen (bei mir waren es ca. 70) und mind. 1 pro Woche ausformulieren (lieber 4,5h nehmen statt 5). Wie die Übungsklausur ausfällt, sagt im Zweifel nichts darüber aus, wie es in eurem Examen läuft. D.h. nehmt jede mit als Learning. Je mehr Klausuren ihr skizziert und lest, desto schneller werdet ihr mit der Sachverhaltserfassung, Skizze, Rubrum / Standard-Zweckmäßigkeitserwägungen etc. Schreibt immer wieder das Rubrum oder typische Formulierungen aus dem Tatbestand runter, damit diese sitzen und ihr im Ernstfall nicht mehr lange überlegen müsst. Ich habe den Tatbestand am Ende der Klausur geschrieben und mir hierfür ca. 30min Zeit gelassen.
6. Nehmt euch Zeit für Sport / Ausgleich
Ich habe von 9 bis ca. 20 Uhr in der Bibliothek gelernt und war ca. 2x die Woche abends beim Sport. Sonntage habe ich bis auf die letzten Wochen vor den Klausuren komplett frei gemacht. Verbringt die Zeit mit den Dingen, die euch gut tun und euch die nötige Energie geben, um durchzuhalten. Es ist okay, in der Zeit auch mal egoistisch zu sein und nur auf sich selbst zu achten. Auch wenn es oft schwierig ist, solltet ihr versuchen, den 3. Versuch irgendwie als Chance zu sehen.
7. Trust the process
Je mehr Wochen vergehen, desto besser werdet ihr im Umgang mit den Klausuren etc. Es ist völlig normal, dass man auch mal schlechte (Lern-)Tage hat und es einem nicht gut geht. Der 3. Versuch ist eine Ausnahmesituation. Auch nach den Schriftlichen war ich mir nicht sicher, ob es diesmal gereicht hat, bis ich den Notenbescheid in den Händen hielt. Bleibt unbedingt dran und schiebt eure Selbstzweifel beiseite. Macht euch klar, dass das Leben, auch wenn es mit dem Examen nicht klappen sollte, nicht vorbei ist. Ich hatte mich kurz vor der Liste nach Stellen umgeschaut, für die man das 2. Examen nicht braucht. Es gibt immer wieder Ausschreibungen für Stellen als juristische Fachkraft, bei denen man nicht nur bei A9 startet, sondern höher. Teilweise muss man für eine Stelle als Legal Counsel in Unternehmen nur das 1. Examen mitbringen. Dass man bei 40k landet, entspricht auch nicht mehr der Realität. Klar, man muss einige Stellen rausfiltern, aber es gibt sie. Das hat hoffentlich den von mir bezweckten Effekt, dass man das alles nicht so absolut sieht.
Behaltet das Ziel im Blick und vertraut auf euer Wissen. Auch während der Schriftlichen wird im Zweifel nicht alles optimal laufen. Dann gilt: neuer Tag und damit eine neue Chance, um die nötigen Punkte zu holen. Ich wünsche jedem, der da durch muss, viel Durchhaltevermögen.
Glückwunsch zum bestandenen Examen

Zu dumm bist du nicht und auch die anderen nicht. Ich habe Leute durchfallen sehen (einmal/zweimal/1. und/oder 2. StEx), von denen niemand es erwartet hätte. Das waren teilweise sehr intelligente Leute, die viel Wissen hatten und nur die falsche Lernstrategie oder was auch immer hatten. Eine wurde durch den Tod eines nahen Familienmitglieds vor den Prüfungen aus der Bahn geworfen. Ein anderer ist nach dem EVD mit 12 Punkten Richter geworden.
Bei mir war es ebenfalls das fehlende Klausurenschreiben, was mich in den EVD zwang. Ich kann nachvollziehen, wie du dich fühlst genauso wie ich aber die Entscheidung einer anderen Refkollegin damals nachvollziehen kann, die den Gnadenversuch nicht mehr in Anspruch genommen genommen hat, wobei die Umstände bei ihr mit Mann und Kindern sicherlich nochmals andere waren.
Du hast es geschafft. Sei stolz auf dich. Du hast durchgehalten, auch wenn es hart war. 7 Punkte sind ein gutes Ergebnis, dass sich sehen lassen kann und mit dem die Jobsuche nicht allzu schwer sein sollte.