29.01.2020, 18:03
(29.01.2020, 16:43)Gedankenexperiment schrieb: Kleines Gedankenexperiment: Wir schreiben das Jahr 2030 und insbesondere im Osten sind 2/3 der Richterschaft in Pension gegangen. Die Justiz hat zwar seit 2018/19 wieder angefangen, kontinuierlicher einzustellen, aber bereits dort Probleme gehabt, Nachwuchs zu finden. Entsprechend wurden die Eingangsvoraussetzungen herabgesetzt. 2020 waren so bereits in vielen Bundesländern ein Befriedigend in beiden Staatsexamina ausreichend. 2030 müssen nach den genannten Pensionierungen nun noch viel mehr Richter und Staatsanwälte eingestellt werden - wie werden die Länder reagieren, wenn bereits 2020 erhebliche Nachwuchsprobleme bestanden?
Meine gedanklichen Szenarien sind folgende:
1) Die Notenvoraussetzungen werden auf ein Ausreichend runtergeschraubt
2) Die Bezahlung wird angehoben und das deutlich
3) Legal-Tech kommt vermehrt zum Einsatz, um gerade kleinere Verfahren von geringerer Bedeutsamkeit effizient abzufertigen
4) Die Beamten-/Richterprivilegien werden ausgebaut (zurzeit ja eher runtergeschraubt)
Mich würden mal eure Zukunftsprognosen interessieren. Eins ist klar: Die Justiz stellt trotz Bewusstsein über das Problem auch heute nicht genügend Leute ein (bzw. findet sie nicht), um die Pensionen später aufzufangen. Ich vermute, dass so manches Bundesland oder vielleicht ganz Deutschland dumm aus der Wäsche schaut, wenn plötzlich aufgrund der ungesunden Altersstruktur das jetzt schon überlastete Justizsystem nicht mehr ordnungsgemäß funktioniert.
Zunächst einmal sollte man abwarten, ob nicht möglicherweise wieder mehr Juristen auf den Markt gelangen. 2016 und 2017 gab es bei den Absolventen des ersten Examens einen Anstieg gegenüber den Vorjahren. Während zwischen 2008 und 2015 um die 8.000 Leute das erste Examen ablegten, waren es 2017 wieder fast 10.000. Vielleicht liegt es "nur" an den doppelten Abiturjahrgängen in diversen Bundesländern Anfang der 10er-Jahre und die Kurve sinkt wieder, vielleicht bliebt die Zahl aber auch (zumindest in den nächsten paar Jahren) beständig.
https://www.lto.de/jura/studium-zahlen/z...1959-2017/
zu 1)
Dass die Anforderungen auf ausreichend gesenkt werden, halte ich für abwegig, denn ausreichende Examina sind und bleiben unterdurchschnittliche Examina, erst recht dann, wenn Durchfaller hinausgerechnet werden (ohne diese Diskussion bezüglich des Herausrechnens nun wieder anstoßen zu wollen). Leute mit befriedigend im zweiten Examen gibt es genug. Vielleicht wird man z.B. in NRW die Schwelle von 7,76 um bis zu 0,5 senken, aber viel tiefer wird es IMO nicht gehen.
zu 2)
Die R1-Besoldung oriertiert sich in etwa an der Besoldung für den höheren Dienst. Die unteren Stufen in R1 entsprechen in etwa A13, die mittleren Stufen in R1 in etwa A14, die höchsten Stufen in R1 in etwa A15. Würden nun die Justizgehälter stark erhöht, gäbe es mit Sicherheit einen Aufschrei von sämtlichen Mitarbeitern des höheren Dienstes. Vor allem hätten Behörden es dann wohl noch einen Tick schwerer, geeignete Juristen zu finden, wenn die Justiz bei den gleichen Berufsprivilegien noch finanziell deutlich attraktiver wäre.
Wenn überhaupt an der Besoldung "geschraubt" wird, dann eher in dem Sinne, dass z.B. die Anzahl der Stufen in R1 reduziert und/oder der Aufstieg in R2, R3 usw. einfacher wird, sodass schnellere und größere Gehaltssprünge möglich sind. Denkbar wäre vielleicht noch, dass ein größerer Anteil der Krankenversicherung übernommen wird, sodass von dem Justizgehalt nicht mehr ~250-300 € für die PKV abgehen, sondern nur noch 100-150 €.
GK-Gehälter wird es allerdings in der Justiz niemals geben, davon bin ich überzeugt.
zu 3)
Es wird mehr IT zum Einsatz kommen, das stimmt.
zu 4)
Beamte und Richter haben aktuell schon relativ viele Privilegien. Außerdem stellt sich das gleiche Problem wie oben bei den Gehältern: Gibt man Richtern noch mehr Privilegien, werden andere Beamte das sicherlich nicht kommentarlos hinnehmen.
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