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Die Chance des EVD - ein Erfahrungsbericht
hyaene_mit_hut
Senior Member
****
Beiträge: 364
Themen: 20
Registriert seit: Jan 2024
#1
22.06.2025, 13:58
Ein Durchfallen im Erstversuch muss nicht heißen, dass es dauerhaft vorbei ist, oder es nur noch ein schlechtes Examen werden kann. 
Dieser Erfahrungsbericht soll Mut machen.

Mein reguläres Referendariat verlief, gelinde gesagt, katastrophal. Bis auf wenige Aufnahmen unambitionierte Ausbilder:innen, die viel an Verantwortung auf kommerzielle Reps abgeschoben haben, und sei es nur dahingehend, welche Rechtsgebiete und Normen besonders relevant im Examen sind. "Das einzuschätzen traue ich mir nicht zu. Das wird Ihnen im Rep gesagt", ist mir noch sehr deutlich im Kopf. Schade dann für die, die sich kein Rep leisten konnten.
Ich war, jedenfalls was die Breite des Stoffs angeht, sehr schlecht aufgestellt, was an einem Studium lag, in dem ich weit überwiegend abwesend war, um zu arbeiten, und mir den Bums irgendwie selbst beibringen musste. Jedenfalls in unserer AG war schnell klar, dass schwächere Referendar:innen nicht mitgenommen wurden; wer auf der Strecke blieb, blieb eben auf der Strecke.
Es trifft zu, dass ich hinsichtlich AG und Klausuren wenigstens ein halbes Jahr vor dem Examen aufgegeben hatte. Meine Stationen erledigte ich gut und in den Fällen nahezu immer erfolgreich, und konzentrierte mich darauf. Sehr spezielle Schwierigkeiten, die hier in der Sache irrelevant sind, sorgten schnell dafür, dass für mich Monate vorher klar war, dass ich im Examen maximal irgendetwas hinkritzeln würde, und der Zweitversuch notwendig wird. Meine Mühen konzentrierten sich darauf, anwesend zu sein.

Die Noten des Zweitversuchs kamen Anfang Mai, und ich musste erstmal einen Screenshot an meine Freundin schicken, um zu fragen, was das denn jetzt heißt - ich verstand gar nicht, was ich da las. 
Der Notendurchschnitt im Erstversuch lag bei 3,6 (glaube ich), bei bestanden:durchgefallen 2:6. Strafrecht schwächstes Fach.
Meine Noten im Zweitversuch waren für mich - überwältigend. Ich verstand nicht, was das "vollbefriedigend" bedeutete, das mehrfach vorkam. Alle Klausuren bestanden, Strafrecht mein stärkstes Fach (still, WTF?!?). Der Notendurchschnitt gut genug für die Bestenauslese (jedenfalls in meinem Land), und es war klar, dass ich nicht mehr durchfallen können würde, selbst wenn ich in der Mündlichen nichts sagen würde.

Der Grund dafür: der EVD. Und zwar allein der EVD.

Was lief anders im EVD, und was habe ich anders gemacht? Wie wird man vom juristischen Darwin-Award-Gewinner zum Bewerber für eine Richterstelle? Darum geht es in diesem Erfahrungsbericht.
Er bezieht sich auf dem EVD am OLG Hamm.

1. Was war anders am EVD?

Alles.

Didaktisch. Wir hatten plötzlich AG-Leiter:innen, die wirklich Freude daran und Erfahrung darin hatten, AGs zu leiten und Wissen zu vermitteln. Da unterrichte(te)n Menschen, die didaktische Fähigkeiten haben. Denen man anmerkte, dass sie an Gespräch und Fortschritt der Zöglinge Interesse haben und für die Materie brennen - und ich wage mich dahingehend zu versteigen, dass sie auch für die Lehre selbst brennen.

Die Atmosphäre. Alle, die sich dort zur AG zusammengefunden haben, kamen ziemlich geknickt dorthin; das Durchfallen im Erstversuch ist ja jetzt nichts, was man im Lebenslauf unter "besondere Fähigkeiten" highlightet. Damit war aber auch das (excuse my grafic language, please) Notengewichs* kein Thema bei uns. Das, was bei uns in der AG so dominant war - "Wenn du das nicht kannst, bist du dumm und bist bitte still" -, fand hier nicht statt. Jede:r* dort hatte dokumentiert, dass eine einmal abgelegte Leistung nicht ausreichend war, und entsprechend gab es kein Über-/Unterordnungsverhältnis. Wir hatten alle Lücken im Zaun des Wissens, mal größere, mal kleinere. Ich hatte nicht mal einen Zaun, sondern einzelne Holzlatten, die mehr schlecht als recht in der Landschaft rumstanden und keine Ahnung hatten, dass man sie überhaupt verbinden kann.

Die Fehlerkultur. Jeder, wirklich jeder Fehler war erlaubt und willkommen. Fehler wurden willkommen geheißen, weil sie zum Lernprozess dazu gehören. Es gab nicht einen einziges abschätzigen Kommentar, während meiner gesamten Zeit dort, weder von den AG-Leiter:innen, noch von den anderen Teilnehmenden.

Die Klausurkorrekturen. Gerade schlechte Klausuren waren in den Standard-AGs spärlich korrigiert. Mehrere Klausuren enthielten einen Dreizeiler, der neben den vier, fünf Anmerkungen am Text original null Möglichkeit dazu boten, die Fehler systematisch zu erfassen und wirklich Ansätze zur Verbesserung zu finden. Hier war es anders. Ausführliche Anmerkungen am Text, Unterstützung dabei, wie es besser formuliert oder rechtlich besser gedacht hätte werden können, und lange Voten, die wirklich halfen, zu verstehen, was man richtig hatte und was noch nicht. 

2. Was habe ich anders gemacht?

A lot. Und hätte ich mich dahingehend nicht umgestellt, hätte ich auch den Zweitversuch nicht gepackt.

Sei der Idiot, der du bist. Etwas polemisch formuliert, aber aufmunternd gemeint. Ich habe nicht versucht, mich in irgendeiner Art und Weise besser darzustellen, als ich war. Ich wusste nix, und wenn ich daran wirklich etwas andern wollte, dann musste ich genau da ansetzen. Das hieß aber auch, dass ich es erlauben musste, dass andere sehen, dass ich noch nichts kann. Ich habe deshalb Fragen gestellt bis zum Umfallen. Die dümmsten Fragen. Mehrfach. Und wenn ich es nach dem dritten Mal noch nicht verstanden hatte, dann auch ein viertes Mal. Ich nutzte den EVD für mich. Sollten die Leute doch denken, was sie wollten, hier ging es darum, eine Chance zu nutzen, war mein Motto von Anfang an. Die Leute dort würde ich statistisch gesehen wohl nie wieder sehen, dann durften die auch gerne wissen, dass ich fachlich schlechter war als sie. Lieber ein halbes Jahr als Volldepp dastehen, als die Chance verschenken, den Abschluss zu erreichen. 
Ich bin nie, wirklich nie abschätzig behandelt oder angesehen worden, weil ich Fehler machte, Sachen nicht verstanden habe, oder einfach oft gerne ein Brett vorm Kopf. Aus diesen Brettern habe ich den bildlich erwähnten Zaun gezimmert, der letztlich auch dem Examen standgehalten hat.

Mach jeden Fehler! Mir hat es nie etwas gebracht, wenn ich etwas in Klausuren richtig hatte, das habe ich nahezu sofort wieder vergessen. Wenn ich etwas nicht wusste, unsicher war (und das war ich bei fast allem), oder einfach kein klares Bauchgefühl hatte, habe ich eben hingeschrieben, was ich meinte. War meistens falsch. und das war gut so! Mir wurde erklärt, warum es falsch ist, was ich schreibe. Wie es richtig sein muss, und warum es anders richtig ist. Die Arbeit am Fehler war für mich essentiell. Ich habe nie absichtlich Fehler gemacht, aber ich habe auch absolut keinen gescheut oder bereut, den ich gemacht habe. Neben den Gesprächen in der AG waren die Fehlerkorrekturen meine größte Lernquelle. Ich weigere mich, konkrete Noten zu nennen, wenn es gut gelaufen ist (weswegen ich meine Endnote auch hier nicht posten werde), aber ich habe null Problem damit, schlechte Noten transparent zu machen. 

Lern so, wie es dir entspricht! Die bottom line ist: Ich kann nicht gut lesen. Ich lese langsam, was bei juristischen Lehrbüchern und Skripten nicht wirklich von Vorteil ist. Noch schöner: Ziffern und Zahlen sind mein Endgegner. Ich muss mich unheimlich konzentrieren, wenn ich Zahlen lese. Wenn ich sie höre, ist es kein Problem, das Lesen ist immer aufwändiger. Auch deswegen habe ich vom Unterricht in der AG so profitiert: Hier wurde viel ausgesprochen, es war wenig Lesearbeit vor Ort. Wenn es um konkrete Normen ging, bat ich darum, dass sie kurz vorgelesen würden, was anstandslos gemacht wurde. Normen sprach ich oft Ziffer für Ziffer aus, um ein Gefühl dafür zu bekommen, und auch die AG-Leiter:innen ließen sich auf diese Einschränkung ein, schickten einem ausgesprochenen "Siebenhundertsiebenundsechzig" einfach ein "sieben-sechs-sieben" hinterher, und schon war ich auch mit an Bord.
Schäm(t)e ich mich für diese Einschränkung, die in Form einer LRS als Folge meiner ADHS-Erkrankung daherkommt? Klar. Aber ich habe sie nun mal. Ich kann entweder damit arbeiten, oder es ganz sein lassen. Ich entschied mich, zu diesem Problem zu stehen und zu schauen, was für mich funktioniert, anstatt mich konstant minderwertig zu fühlen. (Das war besonders schwer, weil sich in meiner regulären Ref-AG-Gruppe sehr darüber lustig gemacht worden war, dass ich etwas falsch geschrieben hatte, was sowohl persönliches, als auch Mobbing innerhalb unserer Whatsapp-Gruppe nach sich gezogen hatte - obwohl bereits bekannt war, dass das nun mal eine anerkannte Behinderung bei mir ist.)
Entsprechend wich auch auch auf Lehr- und Lernmedien aus, die meinem Lerntyp entgegenkamen, und mied die, die insbesondere im Vergleich zum Zeitaufwand keinen Nutzen hatten. Ich schlug während des EVD nicht ein einziges Mal ein Skript auf. Stattdessen lerne ich mit dem RefPod (immer noch meine allerwärmste Empfehlung für alle Phasen des Refs!) und den Podcasts von AG Zivilrecht und AG Strafrecht, wobei dem RefPod der größte Lerneffekt zukam. Die langen Folgen förderten mein Gesamtverständnis ungemein, die Wiederholbarkeit zu Folgen half mir bei der Festigung.

Mach Pausen.
Ich wollte das Examen schon, doch. Ich hielt es für eher unwahrscheinlich, dass das überhaupt im Raum stünde, dafür wusste ich zu Beginn einfach zu wenig, sowohl materiell-rechtlich als auch prozess-rechtlich. Aber versuchen wollte ich es wenigstens. Und EVD war immer noch besser als arbeitslos, mal pragmatisch gedacht. Regelmäßige Pausen gehörten dazu. Ich lernte selten mehr als fünf Stunden am Tag, eher weniger. Und es gab immer Unterbrechungen, ich ging spazieren, ich trieb extrem viel Sport. Und es gab Tage, an denen ich solide gar nichts machte. Was war schon das Schlimmste, was passieren könnte? Ich würde wieder durchfallen. Das war auch das - in meinen Augen - wahrscheinlichste. Dafür war ich nicht bereit, mich kaputt zu machen. Ja, lernen war wichtig, aber meine Lebensqualität war deutlich wichtiger, auch in dieser Zeit. (Das galt umso mehr, als dass ich in dieser Zeit wiederholt Tumore diagnostiziert bekommen habe, die nicht alle operabel sind. Bislang alles gutartig, aber man setzt sich doch anders mit sich und seiner Zeit auseinander, wenn die Perspektive ist, dass das Examen nicht der Endgegner sein wird.) Examen ja, meinetwegen, aber nicht um jeden Preis. Das hat letztlich dazu geführt, dass ich nicht vollkommen ausgebrannt in die Klausuren gegangen bin.

Jammer. Hinterfrag. Bleib mit deinen Sorgen nicht allein. Und bleib nicht beim Jammern stehen. Ich habe sehr, sehr viel an Zweifel, Sorgen, und Ängsten hier im Forum gelassen. Die gewichtigen Sachen nicht, aber alles andere. Mir hat das sehr geholfen. Die - in meinem Fall ja nun wirklich nicht hohe - Anonymität und die Verschriftlichung halfen mir, die Rückmeldungen noch mehr. Es half mir, ehrlich zu sein und zu sagen "Jo, ich bin nicht die perfekte Juristin. Ich habe Ängste, ich habe Schwierigkeiten, ich habe Fehler und ich komme nicht mit allen davon zurecht. Neben mir darf sich jede:r als was Besseres fühlen, there you go." Ein aufrichtiges und ehrliches Danke daher an alle, die sich die Zeit genommen haben, um meinen Weg zu begleiten. Ohne euch wäre er ein ärmerer gewesen.

Zusammenfassung.

Mein Wissensstand vor dem EVD war, wenn ich ehrlich bin, nicht einmal ausreichend für das erste Staatsexamen. Ich weiß bis heute nicht, wie ich das damals geschafft habe. Ich habe sehr gutes Spezialwissen in einzelnen, nicht prüfungsrelevanten Gebieten, aber in der Fläche war das eine karge Landschaft. Ich war nicht dumm, ich war nur hinreißend ungebildet. Und verschüchtert von den durchweg negativen Erfahrungen im Referendariat. Zu meinem Glück war ich aber auch dreist genug zu sagen "fuck it, ich versuch's jetzt einfach. Schlimmstenfalls gibt's nen Dämpfer für mein Ego, und vielleicht brauche ich den auch."

Ich gab dem EVD eine Chance, viel wichtiger ist aber, dass der EVD mir eine Chance gab. Ich wurde an der Stelle abgeholt, an der ich war, und das war etwa die, an der ein:e Drittsemester:in steht. Keine Ahnung von Schuldrecht BT (seriously, keine), keine Ahnung von ÖR (nicht einmal von Verwaltungsrecht AT), und zu Strafrecht wollte ich im Erstversuch eigentlich überhaupt nicht hingehen, weil ich da original genau nichts wusste. Ich hatte mal im Rengier geblättert, that's it. Und das war 10 Jahre her. Wenn ihr in den EVD kommt: In meinen Augen ist es ein Jackpot, jedenfalls bei den Menschen, die ich kennenlernen und bei denen ich lernen durfte. Im Erstversuch zu verkacken, es auch wirklich noch nicht zu können, muss nicht bedeuten, dass man nicht zur:m Volljurist:in geeignet ist. 

Tja. Nun sitz ich hier. Seit Mitte dieser Woche als Volljuristin. Verstanden habe ich es immer noch nicht. Der EVD hat mir Wege und Türen geöffnet, die mir bis zu dessen Beginn dauerhaft verschlossen gewesen sind, und es ohne diesen konkreten EVD auch dauerhaft verschlossen geblieben wären. Ich möchte immer noch am Liebsten zur Bundeswehr. Aber ich werde mich auch für die Sozialgerichtsbarkeit bewerben. Meine Noten reichen dafür. (Für die StA auch, aber das ist meinerseits bereits per se ausgeschlossen.) 
Meine AG-Leiter im EVD haben mich innerhalb von vier Monaten (plus 2 Monate Krankschreibung) befähigt, materielles und prozessuales Recht zu verstehen und anzuwenden. Sie haben mir in vier Monaten beigebracht, was eigentlich ein ganzes Studium und ein zweijähriges Referendariat erfordert. Der Abschluss konnte nur deshalb zustande kommen, weil ich mich auf den EVD eingelassen habe, offen, schonungslos ehrlich in Bezug auf meine juristischen (und persönlichen) Unzulänglichkeiten.
Dieses Examen ist nicht mein Verdienst. Es ist ihrer.
(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 24.06.2025, 15:06 von hyaene_mit_hut.)
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Die Chance des EVD - ein Erfahrungsbericht - von hyaene_mit_hut - 22.06.2025, 13:58
RE: Die Chance des EVD - ein Erfahrungsbericht - von ausgelawt - 22.06.2025, 21:04
RE: Die Chance des EVD - ein Erfahrungsbericht - von hyaene_mit_hut - 22.06.2025, 22:06
RE: Die Chance des EVD - ein Erfahrungsbericht - von Praktiker - 22.06.2025, 22:27
RE: Die Chance des EVD - ein Erfahrungsbericht - von Weltenbummler - 25.06.2025, 11:31
RE: Die Chance des EVD - ein Erfahrungsbericht - von hyaene_mit_hut - 25.06.2025, 18:58


 

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