19.04.2025, 19:16
(19.04.2025, 18:12)Praktiker schrieb:(19.04.2025, 18:04)Praktiker schrieb: Warum ist denn Beweis über das Vorliegen der benannten Fälle erhoben worden? Darauf käme es doch dann gar nicht an?
Normalerweise würde es vielleicht so ablaufen: Kläger behauptet, der Schaden sei z.B. durch Sturm entstanden, was bestritten wird. An die unbenannten Gefahren denkt niemand, daher Beweiserhebung. Die Beweiserhebung geht zum Nachteil des Klägers aus. Ist das Dein Fall? Dann würde ich jetzt darauf hinweisen, dass ja auch unbenannte Gefahren versichert sind und was die voraussetzen. Dann trägt der Kläger gescheit vor und die Beklagte erwidert. Aber so lief es bei Dir nicht? Sorry, Dein Sachbericht ist wirklich etwas durcheinander... ;)
Deinen Ausführungen über den normalen Fall habe ich nichts hinzuzufügen

(Ausführungen nur sinngemäß)
Kläger behauptet, sein Gebäudeschaden wäre durch Schnee entstanden. Wird bestritten "Es liegt kein versicherte Ereignis vor".
Verfahren wird eröffnet.
Kläger weist nach umfassenden Hinweis, dass sein Vortrag doch arg unsubstantiiert ist, unter anderem darauf hin, das auch die unbekannte Gefahr versichert sei. Tritt den Beweis aber nicht an, dass diese vorliegt.
Unbenannte Gefahr wird von den Parteien fortan nicht mehr erwähnt.
Beweiserhebung durch Zeugen - unergiebig. (Warum überhaupt der Zeuge erschließt sich nicht, da sich schon nach dem Klägervortrag deutlich abzeichnet, dass er weder positiv noch negativ ergiebig sein wird, weil schlicht nicht vor Ort zum fraglichen Zeitpunkt)
Dann Beweisbeschluss Sachverständiger hinsichtlich der Beweisfrage: "Ist die Behauptung des Klägers, das Schadensereignis ist eingetreten, wie sie es darstellt plausibel?".
Gleichzeitig Hinweisbeschluss: "Kläger kann sich womöglich auf unbenannte Gefahr berufen, abhängig von Beweisergebnis."
Natürlich ist der Schaden über 24 Monate später längst behoben, als der Gutachter beauftragt wird.
SV stellt fest "Die Schilderung der Klägerin ist völlig unplausibel und technisch nicht möglich.". Die genaue Ursache ließe sich mit absoluter Sicherheit nur durch zerstörende Bauteilöffnung beantworten, danach sei aber auch nicht gefragt worden. Auf die Bauteilöffnung wurde verzichtet. Noch einige Fragen an den SV durch den Kläger - i.Erg. negativ ergiebig zu der Tatsache.
- Bis hierhin alles mehr oder weniger normal -
Jetzt würde ich dann normalerweise die Parteien hinweisen auf die unbenannte Gefahr.
Ggfs. Beweis erheben. Dann entscheiden.
Die Akte ging durch 2-3 Richter, bis sie bei meinem Ausbilder landete. Der verfasste den Beschluss, in dem zunächst der Beweisbeschluss zum SV drin war und im direkt folgenden Absatz der Hinweis an die Parteien, dass der Kläger sich auf die unbenannte Gefahr berufen könnte, was vom Ergebnis der Beweisaufnahme zu der Plausibilität der Behauptung der Klägerin abhängt.
Und damit endet die Sache. Der Verkündungstermin war schon vor ein paar Wochen. Mein Ausbilder will eben nur, dass ich dazu auch noch ein Urteil schreibe.
@Paul Klee ich sehe nicht den Hinweis, dass die Parten bittschön auch zu der unbenannten Gefahr vorzutragen haben, weil ihr Vortrag dazu unsubstantiiert sein könnte.
Nur, dass abhängig vom Ergebnis der Beweisaufnahme die Klägerin sich darauf berufen könne.
Sprich: Eigentlich müsste ich jetzt nach der Beweisaufnahme drauf hinweisen, dass der Vortrag zur unbekannten Gefahr unsubstantiiert sein könnte, die Klägerin keinen Beweis für ihren Vortrag angetreten hat und damit beweisfällig bleiben wird.
Das ist genau der Punkt, an dem ich die Reichweite des § 139 ZPO (v.a. in der Praxis!) nicht überblicke!

Einerseits liefe das letztlich der Verhandlungsmaxime, dass die Parteien die Tatsachen vorzutragen und zu beweisen haben, zuwider. Hier bei einer – immerhin anwaltlich vertretenen Partei – nach dem eigentlich sehr deutlichen Wink mit dem Zaunpfahl noch bevor der Sachverständige sein Gutachten angefertigt hat, jetzt nach der Beweisaufnahme erneut darauf hinzuweisen, dass dazu (immer) noch nicht vorgetragen wurde, liefe der Arbeitsteilung der an der Rechtspflege beteiligten Organe und der richterlichen Neutralität zuwider. So stehts jedenfalls im Zöller (ZPO § 139 Rn 12a). Sehe ich unjuristisch auch so. Der Richter soll ja nicht den Parteien die Arbeit abnehmen. Auch wenn manche Anwälte mit jedem Schriftsatz erwähnt haben wollen, dass "das Gericht schon konkret darauf hinweisen muss, was an Vortrag noch erwartet". Mal abgesehen, dass das den Prozess vollkommen unnötig in die Länge zieht und nur unnötige Gutachterkosten produziert.
Aber der Zöller sagt postwendend, dass auch hier grundsätzlich ein Hinweis notwendig wäre (Zöller ZPO § 139 Rn 17). Denn der BGH zieht die Grenze hier ganz niedrig zugunsten der Parteien, sprich das Gericht muss eigentlich im Zweifel immer hinweisen.
PS: Das Kaiserskript kenne ich nicht. Ich nehme auch an, dass er abgewiesen hat. Aber mit dem vorgesagten landet das doch gleich ein paar Monate später wieder auf seinem Tisch.
PPS: Und das ist doch auch letztlich nicht Sinn der Sache. Angreifbare Urteile fällen, nur weil ich hoffe die Parteien werden schon a Ruh geben... Da kriegt die Iustitia doch das kalte Kotzen..
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Beweiswürdigung - ich blicks nicht. - von Eifelman - 18.04.2025, 23:16
RE: Beweiswürdigung - ich blicks nicht. - von Paul Klee - 19.04.2025, 10:43
RE: Beweiswürdigung - ich blicks nicht. - von Eifelman - 19.04.2025, 16:01
RE: Beweiswürdigung - ich blicks nicht. - von Eifelman - 19.04.2025, 16:47
RE: Beweiswürdigung - ich blicks nicht. - von Paul Klee - 19.04.2025, 18:21
RE: Beweiswürdigung - ich blicks nicht. - von Praktiker - 20.04.2025, 12:44
RE: Beweiswürdigung - ich blicks nicht. - von Eifelman - 20.04.2025, 15:36