18.04.2025, 23:16
Hallo zusammen,
ich habe folgendes Problem: Versicherungsrecht, Beweiswürdigung und ich verzweifel dran, weil ich irgendetwas nicht kapiere / falsch verstanden habe. Ich bin noch ganz am Anfang vom Ref und werd auch aus dem Anders Gehle und dem VVG-Kommentar dazu nicht schlauer
Es geht im Kern um die "unbenannte Gefahr" im Fall einer Versicherung - Dort trägt der VN die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass der Schaden unvorhersehbar und unabwendbar war.
Der Schaden an sich liegt unstrittig vor.
Streitig ist, ob das Ereignis ein versichertes Ereignis ist. Einige Ereignisse sind ausdrücklich versichert. Einige Ereignisse sind ausdrücklich ausgeschlossen. Unbenannte Gefahren sind ebenfalls versichert.
Die Klägerin tritt Beweis an, dass ihre Behauptung, ihre Schilderung der Entstehung eines Schadens plausibel und kein unbekanntes Phänomen sei. Wäre die Behauptung wahr, läge ein ausdrücklich versicherter Fall vor.
Laut SV-Gutachten ist dies mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht der Fall. (Behauptung der Klägerin sei technisch unmöglich)
Damit ist das Beweismittel doch negativ ergiebig? Dh. der Beweis nicht erbracht.
Mein Problem ist jetzt:
Der einzig mögliche ausdrücklich versicherten Fall liegt damit nicht vor.
Alle ausdrücklich ausgeschlossenen Fälle liegen auch nicht vor.
Einzig denkbar plausible Erklärung bleibt die unbekannte Gefahr. Denn im Sinn einer Allgefahrklausel ist unbenannte Gefahr jeder nicht ausdrücklich ausgeschlossene oder anderweitig versicherte Fall, der nicht vorhersehbar war.
Dazu müsste die Klägerin den Beweis antreten, dass der Schaden unvorhersehbar und unabwendbar war.
"Entscheidend für die Vorhersehbarkeit ist allein, dass die Möglichkeit eines Schadenseintritts in seinen wesentlichen Komponenten erkannt wurde." - Es muss also zur Unvorhersehbarkeit nicht bewiesen werden, dass jede/eine Möglichkeit erkannt wurde, sondern pauschal das keine Möglichkeit erkannt wurde.
"Der Versicherer trägt aber jedenfalls die Substanziierungslast für das Fehlen eines Merkmals der – vom Versicherungsnehmer zunächst nur pauschal vorzutragenden – Unvorhersehbarkeit, weil es sich dabei um eine negative Tatsache handelt ( OLG Saarbrücken: Eintritt des Versicherungsfalls der „unbenannten Gefahren“(NJW-RR 2022, 1483 Rn. 20) Prölss/Martin/Voit AMB A. § 2 Nr. 1 Rn. 8; Beckmann/Matusche-Beckmann/Schepers, Versicherungsrechts-HdB, 3. Aufl., § 35 Rn. 172)"
Dazu hat die Klägerin nicht ausdrücklich vorgetragen. Auch Beweis hat die Klägerin (lt. Akte) nicht ausdrücklich angetreten.
Die Versicherung hat allerdings auch nicht ausdrücklich substantiiert dazu vorgetragen.
Die Akte ist entscheidungsreif.
Denklogisch wurde doch aber mit dem, hinsichtlich des versichterten Falls, negativ ergiebigen Beweismittel für den versicherten Fall zugleich im Umkehrschluss auch der positiv ergiebige Beweis erbracht, dass die unbenannte Gefahr vorliegt?
Indem die Klägerin gerade bewiesen wollte, dass ihre Aussage plausibel ist, also der ausdrücklich geregelter Versicherungsfall vorliegt, ist denklogisch doch gerade bewiesen, dass die Klägerin die Möglichkeit des konkreten Schadenseintritts in seinen wesentlichen Komponenten gerade nicht erkannt hat?
Das der Beweis über ihre behauptete Tatsache nicht erbracht wurde (sondern sogar das exakte Gegenteil dessen) ist beweist doch umgekehrt denklogisch, dass sie den Schaden nicht vorhersehen konnte. Was sie beweisen wollte, musste sie vorhersehen, das Gegenteil hat sie (denklogisch) nicht vorhergesehen.
Versteht mich jemand und kann mir helfen? Ich komm mir unsäglich blöd vor und kann/darf meinen Ausbilder nicht dazu fragen. Hab das Gefühl ich habe irgendetwas grundliegendes nicht oder völlig falsch verstanden.
Ganz streng nach Lehrbuch würde doch folgendes gelten:
Ausdrücklich geregelter Versicherungsfall: nicht bewiesen. - negativ Ergiebig
Unbenannte Gefahr: nicht ausdrücklich (nur konkludent) dargelegt, kein ausdrücklicher Beweisantritt (ergibt sich nur konkludent, Kl. beruft sich irgendwo im Schriftsatz darauf, dass unbenannte Gefahren ja lt. Versicherungsbedingung mitversichert seien, tritt nirgendwo ausdrücklich den Beweis der unbenannten Gefahr an)
Damit Entscheidung nach Darlegungs- und Beweislast.
Beweislast bei Kläger, nicht ausdrücklich angetreten, Beweisfällig geblieben.
Damit i.Erg. unbegründet.
Das widerspricht aber zutiefst meinem Gerechtigkeitsempfinden, da meiner Ansicht nach mit dem Beweis zugleich denklogisch positiv bewiesen wurde, dass sie Klägerin es nicht vorhersehen konnte.
Nachklapp: "Es entspricht einem allgemeinen Grundsatz, dass sich eine Partei die bei einer Beweisaufnahme zu Tage tretenden Umstände jedenfalls hilfsweise zu Eigen macht, soweit sie ihre Rechtsposition zu stützen geeignet sind. Das Gericht hat auch diesen Vortrag der Partei bei der Beweiswürdigung zu berücksichtigen." BGH NJW 2001, 2177
Das Vorbringen der Klägerin hinsichtlich der unbenannten Gefahr beschränkt sich über die gesamte Akte darauf, dass ein Mal (!) erwähnt wird, diese sei mit versichert. Sonst wird sich ausführlich über die anderen versichterten Fälle ausgelassen. Die Beklagte geht auf diese unbenannte Gefahr gar nicht ein. Der Klägervertreter weist nur wiederholt darauf hin, dass das Gericht schon hinzuweisen habe, wenn ihm etwas nicht reicht. (Ja lol, soll der Richter doch deine Arbeit machen, oder wie?)
Im Hinweisbeschluss wird ausdrücklich erwähnt, dass die Klägerin u.U. einen solchen Anspruch hat, und dass die wesentlich vom Ergebnis der im gleichen Zuge beschlossenen Beweisaufnahme abhängt.
Der bei der Beweisaufnahme zu Tage tretende Umstand wäre ja hier, dass die Klägerin es nicht vorhersehen konnte.
Dann hätte die Beklagte substantiiert vortragen müssen, warum dies nicht der Fall ist - was sie nicht getan hat.
ich habe folgendes Problem: Versicherungsrecht, Beweiswürdigung und ich verzweifel dran, weil ich irgendetwas nicht kapiere / falsch verstanden habe. Ich bin noch ganz am Anfang vom Ref und werd auch aus dem Anders Gehle und dem VVG-Kommentar dazu nicht schlauer
Es geht im Kern um die "unbenannte Gefahr" im Fall einer Versicherung - Dort trägt der VN die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass der Schaden unvorhersehbar und unabwendbar war.
Der Schaden an sich liegt unstrittig vor.
Streitig ist, ob das Ereignis ein versichertes Ereignis ist. Einige Ereignisse sind ausdrücklich versichert. Einige Ereignisse sind ausdrücklich ausgeschlossen. Unbenannte Gefahren sind ebenfalls versichert.
Die Klägerin tritt Beweis an, dass ihre Behauptung, ihre Schilderung der Entstehung eines Schadens plausibel und kein unbekanntes Phänomen sei. Wäre die Behauptung wahr, läge ein ausdrücklich versicherter Fall vor.
Laut SV-Gutachten ist dies mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht der Fall. (Behauptung der Klägerin sei technisch unmöglich)
Damit ist das Beweismittel doch negativ ergiebig? Dh. der Beweis nicht erbracht.
Mein Problem ist jetzt:
Der einzig mögliche ausdrücklich versicherten Fall liegt damit nicht vor.
Alle ausdrücklich ausgeschlossenen Fälle liegen auch nicht vor.
Einzig denkbar plausible Erklärung bleibt die unbekannte Gefahr. Denn im Sinn einer Allgefahrklausel ist unbenannte Gefahr jeder nicht ausdrücklich ausgeschlossene oder anderweitig versicherte Fall, der nicht vorhersehbar war.
Dazu müsste die Klägerin den Beweis antreten, dass der Schaden unvorhersehbar und unabwendbar war.
"Entscheidend für die Vorhersehbarkeit ist allein, dass die Möglichkeit eines Schadenseintritts in seinen wesentlichen Komponenten erkannt wurde." - Es muss also zur Unvorhersehbarkeit nicht bewiesen werden, dass jede/eine Möglichkeit erkannt wurde, sondern pauschal das keine Möglichkeit erkannt wurde.
"Der Versicherer trägt aber jedenfalls die Substanziierungslast für das Fehlen eines Merkmals der – vom Versicherungsnehmer zunächst nur pauschal vorzutragenden – Unvorhersehbarkeit, weil es sich dabei um eine negative Tatsache handelt ( OLG Saarbrücken: Eintritt des Versicherungsfalls der „unbenannten Gefahren“(NJW-RR 2022, 1483 Rn. 20) Prölss/Martin/Voit AMB A. § 2 Nr. 1 Rn. 8; Beckmann/Matusche-Beckmann/Schepers, Versicherungsrechts-HdB, 3. Aufl., § 35 Rn. 172)"
Dazu hat die Klägerin nicht ausdrücklich vorgetragen. Auch Beweis hat die Klägerin (lt. Akte) nicht ausdrücklich angetreten.
Die Versicherung hat allerdings auch nicht ausdrücklich substantiiert dazu vorgetragen.
Die Akte ist entscheidungsreif.
Denklogisch wurde doch aber mit dem, hinsichtlich des versichterten Falls, negativ ergiebigen Beweismittel für den versicherten Fall zugleich im Umkehrschluss auch der positiv ergiebige Beweis erbracht, dass die unbenannte Gefahr vorliegt?
Indem die Klägerin gerade bewiesen wollte, dass ihre Aussage plausibel ist, also der ausdrücklich geregelter Versicherungsfall vorliegt, ist denklogisch doch gerade bewiesen, dass die Klägerin die Möglichkeit des konkreten Schadenseintritts in seinen wesentlichen Komponenten gerade nicht erkannt hat?
Das der Beweis über ihre behauptete Tatsache nicht erbracht wurde (sondern sogar das exakte Gegenteil dessen) ist beweist doch umgekehrt denklogisch, dass sie den Schaden nicht vorhersehen konnte. Was sie beweisen wollte, musste sie vorhersehen, das Gegenteil hat sie (denklogisch) nicht vorhergesehen.
Versteht mich jemand und kann mir helfen? Ich komm mir unsäglich blöd vor und kann/darf meinen Ausbilder nicht dazu fragen. Hab das Gefühl ich habe irgendetwas grundliegendes nicht oder völlig falsch verstanden.
Ganz streng nach Lehrbuch würde doch folgendes gelten:
Ausdrücklich geregelter Versicherungsfall: nicht bewiesen. - negativ Ergiebig
Unbenannte Gefahr: nicht ausdrücklich (nur konkludent) dargelegt, kein ausdrücklicher Beweisantritt (ergibt sich nur konkludent, Kl. beruft sich irgendwo im Schriftsatz darauf, dass unbenannte Gefahren ja lt. Versicherungsbedingung mitversichert seien, tritt nirgendwo ausdrücklich den Beweis der unbenannten Gefahr an)
Damit Entscheidung nach Darlegungs- und Beweislast.
Beweislast bei Kläger, nicht ausdrücklich angetreten, Beweisfällig geblieben.
Damit i.Erg. unbegründet.
Das widerspricht aber zutiefst meinem Gerechtigkeitsempfinden, da meiner Ansicht nach mit dem Beweis zugleich denklogisch positiv bewiesen wurde, dass sie Klägerin es nicht vorhersehen konnte.
Nachklapp: "Es entspricht einem allgemeinen Grundsatz, dass sich eine Partei die bei einer Beweisaufnahme zu Tage tretenden Umstände jedenfalls hilfsweise zu Eigen macht, soweit sie ihre Rechtsposition zu stützen geeignet sind. Das Gericht hat auch diesen Vortrag der Partei bei der Beweiswürdigung zu berücksichtigen." BGH NJW 2001, 2177
Das Vorbringen der Klägerin hinsichtlich der unbenannten Gefahr beschränkt sich über die gesamte Akte darauf, dass ein Mal (!) erwähnt wird, diese sei mit versichert. Sonst wird sich ausführlich über die anderen versichterten Fälle ausgelassen. Die Beklagte geht auf diese unbenannte Gefahr gar nicht ein. Der Klägervertreter weist nur wiederholt darauf hin, dass das Gericht schon hinzuweisen habe, wenn ihm etwas nicht reicht. (Ja lol, soll der Richter doch deine Arbeit machen, oder wie?)
Im Hinweisbeschluss wird ausdrücklich erwähnt, dass die Klägerin u.U. einen solchen Anspruch hat, und dass die wesentlich vom Ergebnis der im gleichen Zuge beschlossenen Beweisaufnahme abhängt.
Der bei der Beweisaufnahme zu Tage tretende Umstand wäre ja hier, dass die Klägerin es nicht vorhersehen konnte.
Dann hätte die Beklagte substantiiert vortragen müssen, warum dies nicht der Fall ist - was sie nicht getan hat.
Nachrichten in diesem Thema
Beweiswürdigung - ich blicks nicht. - von Eifelman - 18.04.2025, 23:16
RE: Beweiswürdigung - ich blicks nicht. - von Paul Klee - 19.04.2025, 10:43
RE: Beweiswürdigung - ich blicks nicht. - von Eifelman - 19.04.2025, 16:01
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RE: Beweiswürdigung - ich blicks nicht. - von Praktiker - 20.04.2025, 12:44
RE: Beweiswürdigung - ich blicks nicht. - von Eifelman - 20.04.2025, 15:36
RE: Beweiswürdigung - ich blicks nicht. - von Eifelman - 03.05.2025, 19:15
RE: Beweiswürdigung - ich blicks nicht. - von Praktiker - 05.05.2025, 05:40