04.10.2022, 11:40
(04.10.2022, 11:40)Gast schrieb: Hallo,
ich bin selbst (noch) kein Referendar, aber möchte trotzdem zu dem, was hier geschrieben wird, mal Stellung beziehen.
Zunächst habe ich aus den von euch genannten Gründen vollstes Verständnis dafür, dass das Ref euch keinen Spaß macht. Ich stelle es mir auch sehr stressig vor. Und nach mind. 5 Jahren Studium, wo man viel unnötiges Zeug gelernt hat, scheint das im Ref nicht weniger zu werden. Ich verstehe, dass manche Ausbilder ungeeignet und unsympathisch sind. Ich verstehe auch, dass das alles auf Dauer frustrierend und zermürbend ist.
Dennoch möchte ich allen angehenden Referendaren sagen, dass ich - wenn auch vielleicht in meiner Naivität - ein positives Mindset beibehalten will und das auch allen empfehle. Oft fiel hier das Wort "Hass" oder alles sei zum "Kotzen". Ich denke, wenn man die kommenden Referendare mit sowas abschreckt und diese schon mit Angst ins Ref reingehen, wird das für die kommenden Referendare nicht einfacher. Uns Juristen ist es ja eigen, Horrorgeschichten von Jahr zu Jahr weiterzutragen und Legenden zu bilden. In der Orientierungswoche an meiner Uni hatte man uns schon auf die Examensvorbereitung eingeschworen, dass da ja alle Ritalin nähmen und man den ganzen Sommer kein Sonnenlicht sähen. Geschichten, weswegen zu viele Studierende aus Prinzip viel Zeit in der Bib verbringen, weil sie denken, sie müssten es, um erfolgreich zu sein. Ohne mal die eigene Lernweise zu hinterfrage oder zu prüfen, was man selbst eigentlich braucht.
Diesen Tendenzen will ich diesen Beitrag einfach mal entgegensetzen.
Ich denke, dass ein positives Mindset hilft, Stress in positive Energie umzuwandeln. Eine "Kein Bock"-Stimmung wird jede anfallende Arbeit zur Last machen.
Im Ref kann man endlich sinnvolle Arbeit an realen Akten leisten. Und man kann die Stationen tw. an den eigenen Interessenschwerpunkten auswählen, was ich beides gut finde und worauf ich mich freue.
Am wichtigsten finde ich aber folgenden Punkt:
man kann über alles reden. Wenn der Ausbilder einen schlecht behandelt, muss man ihn damit eben konfontieren. Wenn die Arbeitslast zu hoch ist, dann spricht man mit ihm darüber oder hat andere Anlaufstellen wie das Prüfungsamt. Man muss sich seinem Schicksal nicht hingeben. Alle Juristen waren mal Referendare und werden ein Mindestmaß an Verständnis haben. Und am Ende: die Akten sind nicht allein meine Verantwortung. Wenn die Erledigung der Arbeit für mich unter Einhaltung der 40- maximal 50-Stunden-Woche (inkl. Lernen) unmöglich ist, dann ist da eben ein Fall von § 275 BGB (?) und weise meinen Ausbilder darauf hin. Wie gesagt, vielleicht ist das alles zu naiv gedacht, aber ich werde mir dieses Denken im Vornherein nicht nehmen lassen und versuchen, bestmöglich Einfluss auf MEIN Referendariat zu nehmen.
Die nächste Sache ist, nicht alles, was andere einem sagen für bare Münze zu nehmen. Ob ich 20, 50, 100 oder 150 Klausuren bis zum Stex schreiben muss, werde ich selbst sehen, aber ich lasse mir da weder von Mitstreitern (die vermeintlich viel mehr Lernen als ich), noch von einzelnen Ausbildern (die meinen, ihre Meinung sei repräsentativ für alles) ein schlechtes Gewissen machen. Ich habe ein 1. Staatsexamen geschafft, bin erwachsen und werde das mit der Zeit in kritischer Selbstreflexion selbst beurteilen können. Dabei werde ich mir andere Meinungen und Empfehlungen natürlich einholen und zu Herzen nehmen. Ich will nur sagen, dass nicht alles Gold ist, was andere reden.
Zum Schluss noch ein Appell, auf euch selbst zu achten. Das 1. Staatsexamen hat mich gelehrt, dass Pausen genauso wichtig sind wie Lernzeiten. Es bringt niemandem etwas, nach zwei Monaten kurz vorm Burnout zu stehen. Und 70 Stunden Arbeit die Woche sind auf zwei Jahre gesehen nicht möglich. Kleiner Reminder: Arbeitnehmer in der 4-Tage-Woche sind oft produktiver als jene in einer 5-Tage-Woche. Also: es kommt nicht auf die Quantität an, sondern häufig auf die Qualität.
Ich jedenfalls werde versuchen, mir meinen Freiraum zu holen, sei es für Sport, Freunde, Wochenendausflüge, Familienbesuche. Denn neben dem Ref lebe ich immer noch und befinde mich "in der Blüte meines Lebens".
Vor diesem Hintergrund bin ich bereit und motiviert für neue Herausforderungen. Ich bin auch bereit für stressige Zeiten und unsympathische Ausbilder. Ich werde das alles auf mich nehmen und ich werde es schaffen, wie es schon so viele vor uns geschafft haben. Ich werde meine Lernprozesse optimieren und auf die Menschen, mit denen ich arbeite, zugehen und offen meine Probleme kommunizieren. Ich werde das Ref am Ende vielleicht auch komplett bescheuert finden, aber das ist ok. Es ist auch ok, wenn das andere jetzt tun und ich finde es gut, wenn sie das hier so offen kommunizieren.
Dennoch für alle, die noch dabei sind und bald beginnen: wir haben vieles selbst in der Hand, konzentriert euch auf euch selbst, versucht den Spaß für euch zu finden, wo es andere nicht tun und behaltet eure Jugendlichkeit (und vielleicht auch eure Naivität) bei.
Viele Grüße
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