01.05.2021, 15:26
Ich muss vorweg auch anmerken, dass ich den Fall in dieser Woche nur ganz am Rande verfolgt habe. Wer das Ergebnis der Strafzumessung würdigen möchte, der muss natürlich eigentlich der Hauptverhandlung gefolgt haben und bestenfalls auch das schriftliche Urteil kennen, um zu schauen, was alles hätte einfließen können und was tatsächlich eingeflossen ist. Insbesondere bin ich mir nicht sicher, ob am Ende noch diese Rede von "an insgesamt 3 Frauen verschickt" war. Ich kenne nur den Vorwurf bezüglich der einen Frau, die ihn genau dazu aufgefordert hat und damit dann sofort zur BILD-Zeitung gerannt ist. Übrigens wird gegen diese Frau derzeit ermittelt.
Trotz allem halte ich das Urteil für recht happig. Wer hat sich denn was erhofft? Lebenslang? Oder einfach keine Bewährung? Wenn diese Maßstäbe auch insgesamt angewendet werden würden, würde die deutsche Strafrechtspraxis aber ganz anders aussehen. Ich will nicht sagen, ob das besser oder schlechter wäre. Aber es wäre ganz anders.
10 Monate Knast, das ist hart. Insbesondere wenn man sich die "Fallhöhe" ansieht. Die Strafe wird nur dadurch relativiert, dass es sie aufgrund der Bewährung de facto wohl nur auf dem Papier geben wird. Das ist aber allgemein so bei Bewährungsstrafen. Wird hier jetzt auch dafür plädoyiert, auch bei weniger als 12 Monaten nur sehr sparsam mit Bewährungsaussetzungen umzugehen? Kann man machen, wobei man dann aber auch die Dimension dieser Forderung bedenken sollte.
Und die Strafe sollte nicht singulär betrachtet werden, sondern die gesamte Wirkung des Strafverfahren auf den Beschuldigten (wie auch auf die Öffentlichkeit) muss einbezogen werden. Der Mann wurde medial zerrissen und wird sozial geächtet werden. Nicht gerade geil. Und ja, da macht es tatsächlich einen Unterschied, ob man Promi ist oder nicht. Wenn bei Max Mustermann verdächtige Dateien gefunden werden, dann wird das im Idealfall (je nach genauem Vorwurf) durch Einstellung oder Strafbefehl erledigt. Selbst wenn es zu öffentlichen Hauptverhandlung kommt: Das erfährt im Idealfall niemand aus deinem persönlichen Umfeld und im Saal werden allenfalls die üblichen Freaks (bei uns zumindest gibt es die) sitzen. Im Falle eines Prominenten wird absolut jeder davon wissen und er muss sich anschließend noch in einem Forum für Referendare beschimpfen lassen.
Hier hatte diese gesellschaftliche Schädigung nochmals zwei besondere Dimensionen: Zum einen war die die BILD-Zeitung, die (wie gewohnt) eine ganze Kampagne gefahren hat. Auch das ist "Strafe" und witzigerweise führt genau sowas zu einer (leicht) gemilderten Strafe, sodass die eben jene BILD-Zeitung sich dann über die Milde der Strafe aufregen kann. Zum anderen wurde er schon lange vor Beginn der Hauptverhandlung durch tendenziöse und einseitige Öffentlichkeitsarbeit der Justiz in seinem Persönlichkeitsrecht (das ist dieses § 1 Grundgesetz) verletzt, was er durch zwei verwaltungsgerichtliche Instanzen durchfechten musste.
Was genau hat er eigentlich verbrochen? Ein bloßer Verstoß gegen das allgemeine Anstandsgefühl oder die öffentliche Sittlichkeit wird in einem "modernen" Strafrecht eher nicht mehr erfasst und soll (angeblich) durch das deutsche Strafrecht auch nicht mehr verfolgt werden. Wie "unanständig" oder "ekelhaft" oder sonstwas diese Bilder waren, kann daher egal sein.
Die Pornografiedelikte schützen zunächst vor ungewollter Konfrontation. Eine Frau, die den Täter genau dazu auffordert, ihr solche Materialien zu verschaffen, kann sich anschließend nicht darüber beschweren, mit diesen konfrontiert worden zu sein.
Speziell die Kinderpornografie unterliegt einem absoluten Verbreitungsverbot. Da es (maßgeblich) gerade die Verbreitung ist, die untersagt werden und vor der die §§ 184b, 184c schützen sollen, muss man sich nicht wundern, wenn das Gericht bei der Beurteilung der konkreten Gefährlichkeit der Tat für das geschützte Rechtsgut einfließen lässt, inwiefern die Empfänger solcher Dateien diese dann wohl weiterverbreitet haben oder (nach der Vorstellung des Beschuldigten) hätten weiterverbreiten können. Ich würde doch meinen, dass es einen Unterschied macht, ob er die Dateien an eine bestimmte Personen sendet (von der eine Weiterverbreitung nicht zu erwarten ist) oder ob er sie bei Instagram hochlädt.
Im Hinterkopf sollte man im Allgemeinen (!) bei Kinderpornografiedebatten auch behalten, was das Gesetz alles unter "Kinderpornografie" versteht und welche Tathandlungen alle erfasst sind. Kinderpornografie umfasst im Zweifelsfall auch bloße Textdokumente, Computeranimationen, "Nacktbilder in unnatürlicher Haltung" und/oder Materialien, bei denen eine eigentlich volljährige(/jugendliche) Person nur etwas jünger aussieht; der Unrechtswert dieser Materialien spricht zumindest nicht als besonders krass sofort ins Auge. Tathandlung kann auch schon sein, dass entsprechende "Inhalte" (neuer Gesetzeswortlaut!) aus dem ohne irgendwelche Schwierigkeiten öffentlich zugänglichem Bereich des Internets an seinem Bildschirm betrachtet; auch die Gefährlichkeit dieser Handlungen liegt nicht gerade auf der Hand. Im vorliegenden Fall kann man diese Erkenntnisse wohl aber im Hinterkopf behalten, das es sich hier (soweit ich das aus den Medien erfahren habe) tatsächlich um "Hardcore" gehandelt haben soll und diese Daten von ihm ja auch (wenn auch nur in denkbarst geringen Maße) verbreitet worden sein sollen.
Warum also das absolute Verbreitungsverbot für Kinderpornografie? Angeführt wird oft der Persönlichkeitsschutz der gezeigten "Darsteller". Das ist aber zweifelhaft. Denn ersten wäre dieser Schutzzweck im Sexualstrafrecht sonst eher fremd. Denn zweitens wird dieser Zweck bereist durch andere Vorschriften (außerhalb des Sexualstrafrechts) verfolgt. Denn drittens ist nicht so ganz ersichtlich, warum Kinder hier besser geschützt werden müssten als Erwachsene. Denn viertens ist dann erklärungsbedürftig, warum die Vorschrift auch bei volljährigen Darstellern greifen soll, die nur jünger aussehen. Und fünftens ist dieser Schutzzweck (allein) nicht dazu in der Lage zu erklären, warum die Strafbarkeit auch bei bloßen Textdokumenten oder Computeranimationen gegeben sein soll. Dieser Schutzzweck zur "Legitimierung" der Strafbarkeit stinkt also ziemlich ab. Tatsächlich werden in der strafrechtlichen Praxis dann ja auch nicht wirklich die Interessen der "Darsteller" (wenn es denn überhaupt welche gibt), die insbesondere bei (anfänglicher oder zwischenzeitlich eingetretener) Volljährigkeit vielleicht gar keine Verfolgung wünschen. [Daher wirkt es auch etwas "skurill", dass der Bundestag vor kurzem die Verjährung an das Erreichen des 30. Lebensjahrs der "Darsteller" (die es möglicherweise gar nicht gibt) geknüpft hat. In aller Regel bleiben diese nämlich dauerhaft unbekannt und erfahren auch niemals von der Strafverfolgung, leben möglicherweise auch am anderen Ende der Welt.]
Daneben wird oft angeführt, dass die "Verbreitung", die schon den bloßen heimlichen Besitz oder das Betrachten am Computerbildschirm umfasst, "mittelbar" die Begehung von realen Missbrauchstaten fördert. Ob diese Theorie auch nur plausibel ist, ist schon fragwürdig. Gestützt wird sie normalerweise auf zwei Gedanken: Entweder wird durch das Betrachten bei den Empfängern oder (beim bloßen Besitz oder Betrachten am Bildschirm) bei einem selber (!) ein Interesse an der Begehung von Missbrauchstaten geweckt und eine entsprechende Hemmschwelle gesenkt. Oder durch den Bezug dieser Materialein vom "Markt" wird dort die Nachfrage am Leben erhalten, was Anreize zur weiteren Produktion schafft, die dann ggf. die Begehung von Missbrauchstaten bedeutet (wobei Kinderpornografie ebenhalt auch mit erwachsenen Darstellern, mit Computeranimationen oder Textdateien hergestellt werden könnte). Letztere Form der "Förderung" von Missbrauchstaten kann man dem Ex-Fußballer aber nicht wirklich zum Vorwurf machen. Denn er hat das Material in digitaler Kopie aus dem frei zugänglichen Internet bezogen. Er hat einen etwaigen "Markt" also völlig unangetastet und dort keine Nachfrage erzeugt. Der Gedanke mit der Förderung einer entsprechen Tatbereitschaft kann schon eher greifen. Nur sollte man sich dabei vor Augenhalten: Zum Vorwurf würde man ihm entweder machen müssen, dass der durch das Versenden dieses Materials bei sich selber (!) eine entsprechende Tatbereitschaft gefördert haben könnte. Oder dass er bei den Empfängern dies getan haben könnte. Letztere waren (angeblich) von dem Material aber völlig angewidert, sodass die befürchtete gefährliche Wirkung nicht eingetreten sein kann.
Zusammenfassung:
Wer ernsthaft "jetzt aber mal an die Kinder denken" möchte, der muss ich Gedanken über sinnvolle Prävention machen. Das macht aber niemand gerne. Das ist auch sehr aufwändig und kostspielig. In diesem Zusammenhang: Der Bundestag hat vor kurzem unter anderem ein Verbot von "Kinder-Sexpuppen" beschlossen. Das ist seine Vorstellung von Prävention. Dabei wäre aber plausibel, dass die Benutzung solcher Sexpuppen die Begehung realer Missbrauchstaten gerade unwahrscheinlicher gemacht hätte. Die Richtigkeit dieser These unterstellt, hätte der Bundestag gerade der Prävention den Kampf angesagt. Wo ist der Aufschrei? Ganz nebenbei: Es wird auch vertreten, dass namentlich der Besitz von Kinderpornografie das reale Missbrauchsrisiko senken könnte (also ganz entgegen der oben genannten Theorie von der Förderung).
Durch die Vorschriften zur Kinderpornografie werden Kinder allenfalls sehr sehr bedingt geschützt, wenn nicht (siehe vorheriger Absatz) sogar bedroht. Auch die für Kinder durch entsprechende Taten drohende Gefahren sind vergleichsweise gering. Was für Kinder eine Katastrophe ist, ist der reale Missbrauch. Den zu verhindern versucht die Politik gar nicht erst besonders konsequent. Politik wie auch Gesellschaft sehen über Einzelfälle auch gerne mal hinweg (solange die nicht an die Öffentlichkeit geraten). Die Verfolgung solcher Taten (sie eigentlich sowieso zu spät kommt) gelingt nur eingeschränkt. Es scheitert entweder an der fehlenden Kompetenz/Ausstattung der Verantwortlichen oder auch einfach an einer gewissen "Machtlosigkeit" gegenüber einem Phänomen, das nie ganz wegzudenken sein wird. Das gilt erst recht, wenn man die vielen Missbrauchstaten bedenkt, die (leider?) nicht vor einer Kamera (!) erfolgen.
Die eigentlichen Gefahren, die fehlende Ausstattung/Kompetenz und die Machtlosigkeit schmerzen sehr. Weil man aber wenig dran ändern kann oder will (wohl eine Mischung aus beidem), schimpft man lieber laut und auf allen Kanälen auf den Ex-Fußballer. Dabei ist dieser der kleinste Fisch im Ozean.
Viel schlimmer sind für mich diejenigen, die sich wirkungsvoller Prävention versperren. Sei es auf ideologischer Verblendung, auch Angst vor den Kosten, weil Prävention so viel weniger cool ist als Strafprozesse oder einfach aus Dummheit heraus. Letzteres insbesondere bei unüberlegter Kriminalpolitik.
Zum Begriff der "Pädophilie", der hier gefallen ist: Das ist in erster Linie eine medizinische/psychiatrische Diagnose. Ob diese auf den Ex-Fußballer zutrifft, kann hier keiner wissen und könnte selbst ein Fachmann nicht anhand der bekannten Details beurteilen. Selbst wenn sie zutrifft, wäre das nur eine Ausgestaltung seines Seelenlebens, für die er absolut nichts könnte. Das weiß auch der deutsche Strafgesetzgeber und macht aus einer solchen Veranlagung keine Straftat.
Etwas erschreckend, was man in einem Forum lesen muss, dessen durchschnittlicher User eine rechtswissenschaftliche Ausbildung genossen hat und in der Lage sein sollte, ein Strafverfahren umfassend zu betrachten, Hintergründe zu beleuchten, differenziert zu überlegen und sich vor allem durch Lektüre entsprechender Literatur (+ Gerichtsentscheidungen + Gesetzgebungsbegründungen) etwas Fachkompetenz anzueignen.
Trotz allem halte ich das Urteil für recht happig. Wer hat sich denn was erhofft? Lebenslang? Oder einfach keine Bewährung? Wenn diese Maßstäbe auch insgesamt angewendet werden würden, würde die deutsche Strafrechtspraxis aber ganz anders aussehen. Ich will nicht sagen, ob das besser oder schlechter wäre. Aber es wäre ganz anders.
10 Monate Knast, das ist hart. Insbesondere wenn man sich die "Fallhöhe" ansieht. Die Strafe wird nur dadurch relativiert, dass es sie aufgrund der Bewährung de facto wohl nur auf dem Papier geben wird. Das ist aber allgemein so bei Bewährungsstrafen. Wird hier jetzt auch dafür plädoyiert, auch bei weniger als 12 Monaten nur sehr sparsam mit Bewährungsaussetzungen umzugehen? Kann man machen, wobei man dann aber auch die Dimension dieser Forderung bedenken sollte.
Und die Strafe sollte nicht singulär betrachtet werden, sondern die gesamte Wirkung des Strafverfahren auf den Beschuldigten (wie auch auf die Öffentlichkeit) muss einbezogen werden. Der Mann wurde medial zerrissen und wird sozial geächtet werden. Nicht gerade geil. Und ja, da macht es tatsächlich einen Unterschied, ob man Promi ist oder nicht. Wenn bei Max Mustermann verdächtige Dateien gefunden werden, dann wird das im Idealfall (je nach genauem Vorwurf) durch Einstellung oder Strafbefehl erledigt. Selbst wenn es zu öffentlichen Hauptverhandlung kommt: Das erfährt im Idealfall niemand aus deinem persönlichen Umfeld und im Saal werden allenfalls die üblichen Freaks (bei uns zumindest gibt es die) sitzen. Im Falle eines Prominenten wird absolut jeder davon wissen und er muss sich anschließend noch in einem Forum für Referendare beschimpfen lassen.
Hier hatte diese gesellschaftliche Schädigung nochmals zwei besondere Dimensionen: Zum einen war die die BILD-Zeitung, die (wie gewohnt) eine ganze Kampagne gefahren hat. Auch das ist "Strafe" und witzigerweise führt genau sowas zu einer (leicht) gemilderten Strafe, sodass die eben jene BILD-Zeitung sich dann über die Milde der Strafe aufregen kann. Zum anderen wurde er schon lange vor Beginn der Hauptverhandlung durch tendenziöse und einseitige Öffentlichkeitsarbeit der Justiz in seinem Persönlichkeitsrecht (das ist dieses § 1 Grundgesetz) verletzt, was er durch zwei verwaltungsgerichtliche Instanzen durchfechten musste.
Was genau hat er eigentlich verbrochen? Ein bloßer Verstoß gegen das allgemeine Anstandsgefühl oder die öffentliche Sittlichkeit wird in einem "modernen" Strafrecht eher nicht mehr erfasst und soll (angeblich) durch das deutsche Strafrecht auch nicht mehr verfolgt werden. Wie "unanständig" oder "ekelhaft" oder sonstwas diese Bilder waren, kann daher egal sein.
Die Pornografiedelikte schützen zunächst vor ungewollter Konfrontation. Eine Frau, die den Täter genau dazu auffordert, ihr solche Materialien zu verschaffen, kann sich anschließend nicht darüber beschweren, mit diesen konfrontiert worden zu sein.
Speziell die Kinderpornografie unterliegt einem absoluten Verbreitungsverbot. Da es (maßgeblich) gerade die Verbreitung ist, die untersagt werden und vor der die §§ 184b, 184c schützen sollen, muss man sich nicht wundern, wenn das Gericht bei der Beurteilung der konkreten Gefährlichkeit der Tat für das geschützte Rechtsgut einfließen lässt, inwiefern die Empfänger solcher Dateien diese dann wohl weiterverbreitet haben oder (nach der Vorstellung des Beschuldigten) hätten weiterverbreiten können. Ich würde doch meinen, dass es einen Unterschied macht, ob er die Dateien an eine bestimmte Personen sendet (von der eine Weiterverbreitung nicht zu erwarten ist) oder ob er sie bei Instagram hochlädt.
Im Hinterkopf sollte man im Allgemeinen (!) bei Kinderpornografiedebatten auch behalten, was das Gesetz alles unter "Kinderpornografie" versteht und welche Tathandlungen alle erfasst sind. Kinderpornografie umfasst im Zweifelsfall auch bloße Textdokumente, Computeranimationen, "Nacktbilder in unnatürlicher Haltung" und/oder Materialien, bei denen eine eigentlich volljährige(/jugendliche) Person nur etwas jünger aussieht; der Unrechtswert dieser Materialien spricht zumindest nicht als besonders krass sofort ins Auge. Tathandlung kann auch schon sein, dass entsprechende "Inhalte" (neuer Gesetzeswortlaut!) aus dem ohne irgendwelche Schwierigkeiten öffentlich zugänglichem Bereich des Internets an seinem Bildschirm betrachtet; auch die Gefährlichkeit dieser Handlungen liegt nicht gerade auf der Hand. Im vorliegenden Fall kann man diese Erkenntnisse wohl aber im Hinterkopf behalten, das es sich hier (soweit ich das aus den Medien erfahren habe) tatsächlich um "Hardcore" gehandelt haben soll und diese Daten von ihm ja auch (wenn auch nur in denkbarst geringen Maße) verbreitet worden sein sollen.
Warum also das absolute Verbreitungsverbot für Kinderpornografie? Angeführt wird oft der Persönlichkeitsschutz der gezeigten "Darsteller". Das ist aber zweifelhaft. Denn ersten wäre dieser Schutzzweck im Sexualstrafrecht sonst eher fremd. Denn zweitens wird dieser Zweck bereist durch andere Vorschriften (außerhalb des Sexualstrafrechts) verfolgt. Denn drittens ist nicht so ganz ersichtlich, warum Kinder hier besser geschützt werden müssten als Erwachsene. Denn viertens ist dann erklärungsbedürftig, warum die Vorschrift auch bei volljährigen Darstellern greifen soll, die nur jünger aussehen. Und fünftens ist dieser Schutzzweck (allein) nicht dazu in der Lage zu erklären, warum die Strafbarkeit auch bei bloßen Textdokumenten oder Computeranimationen gegeben sein soll. Dieser Schutzzweck zur "Legitimierung" der Strafbarkeit stinkt also ziemlich ab. Tatsächlich werden in der strafrechtlichen Praxis dann ja auch nicht wirklich die Interessen der "Darsteller" (wenn es denn überhaupt welche gibt), die insbesondere bei (anfänglicher oder zwischenzeitlich eingetretener) Volljährigkeit vielleicht gar keine Verfolgung wünschen. [Daher wirkt es auch etwas "skurill", dass der Bundestag vor kurzem die Verjährung an das Erreichen des 30. Lebensjahrs der "Darsteller" (die es möglicherweise gar nicht gibt) geknüpft hat. In aller Regel bleiben diese nämlich dauerhaft unbekannt und erfahren auch niemals von der Strafverfolgung, leben möglicherweise auch am anderen Ende der Welt.]
Daneben wird oft angeführt, dass die "Verbreitung", die schon den bloßen heimlichen Besitz oder das Betrachten am Computerbildschirm umfasst, "mittelbar" die Begehung von realen Missbrauchstaten fördert. Ob diese Theorie auch nur plausibel ist, ist schon fragwürdig. Gestützt wird sie normalerweise auf zwei Gedanken: Entweder wird durch das Betrachten bei den Empfängern oder (beim bloßen Besitz oder Betrachten am Bildschirm) bei einem selber (!) ein Interesse an der Begehung von Missbrauchstaten geweckt und eine entsprechende Hemmschwelle gesenkt. Oder durch den Bezug dieser Materialein vom "Markt" wird dort die Nachfrage am Leben erhalten, was Anreize zur weiteren Produktion schafft, die dann ggf. die Begehung von Missbrauchstaten bedeutet (wobei Kinderpornografie ebenhalt auch mit erwachsenen Darstellern, mit Computeranimationen oder Textdateien hergestellt werden könnte). Letztere Form der "Förderung" von Missbrauchstaten kann man dem Ex-Fußballer aber nicht wirklich zum Vorwurf machen. Denn er hat das Material in digitaler Kopie aus dem frei zugänglichen Internet bezogen. Er hat einen etwaigen "Markt" also völlig unangetastet und dort keine Nachfrage erzeugt. Der Gedanke mit der Förderung einer entsprechen Tatbereitschaft kann schon eher greifen. Nur sollte man sich dabei vor Augenhalten: Zum Vorwurf würde man ihm entweder machen müssen, dass der durch das Versenden dieses Materials bei sich selber (!) eine entsprechende Tatbereitschaft gefördert haben könnte. Oder dass er bei den Empfängern dies getan haben könnte. Letztere waren (angeblich) von dem Material aber völlig angewidert, sodass die befürchtete gefährliche Wirkung nicht eingetreten sein kann.
Zusammenfassung:
- Der gemachte Vorwurf ist vergleichsweise gering. Es gibt zwar noch geringere Vorwürfe, was Material und Tathandlung betrifft. Aber es geht auch deutlich darüber hinaus.
- Die Persönlichkeitsrechte der (wohl) gezeigten Kinder sind fraglos verletzt. Diese im Rahmen der §§ 184b, 184c zu verfolgen, ist aber etwas inkonsequent bis unerklärlich.
- Er hat keine Nachfrage nach weiterem Material dieser Arbeit erzeugt und daher keine weitere Produktion gefördert.
- Bei den Empfängern hat er keine Bereitschaft zur Begehung von Missbrauchstaten gefördert. Bei sich selber nach eigener (und plausibler) Angabe ebenfalls nicht; zudem würde eine Bestrafung aufgrund dieses Gedankens weit im Vorfeld der befürchteten Missbrauchstat erfolgen.
- Die Strafe ist durchaus happig.
- Auch im Übrigen ist der Mann ordentlich abgestraft.
- Einen "Promibonus" hat er nicht bekommen.
- Die Abschreckungswirkung ist sohol für den Beschuldigten als auch für die Allgemeinheit enorm hoch.
Wer ernsthaft "jetzt aber mal an die Kinder denken" möchte, der muss ich Gedanken über sinnvolle Prävention machen. Das macht aber niemand gerne. Das ist auch sehr aufwändig und kostspielig. In diesem Zusammenhang: Der Bundestag hat vor kurzem unter anderem ein Verbot von "Kinder-Sexpuppen" beschlossen. Das ist seine Vorstellung von Prävention. Dabei wäre aber plausibel, dass die Benutzung solcher Sexpuppen die Begehung realer Missbrauchstaten gerade unwahrscheinlicher gemacht hätte. Die Richtigkeit dieser These unterstellt, hätte der Bundestag gerade der Prävention den Kampf angesagt. Wo ist der Aufschrei? Ganz nebenbei: Es wird auch vertreten, dass namentlich der Besitz von Kinderpornografie das reale Missbrauchsrisiko senken könnte (also ganz entgegen der oben genannten Theorie von der Förderung).
Durch die Vorschriften zur Kinderpornografie werden Kinder allenfalls sehr sehr bedingt geschützt, wenn nicht (siehe vorheriger Absatz) sogar bedroht. Auch die für Kinder durch entsprechende Taten drohende Gefahren sind vergleichsweise gering. Was für Kinder eine Katastrophe ist, ist der reale Missbrauch. Den zu verhindern versucht die Politik gar nicht erst besonders konsequent. Politik wie auch Gesellschaft sehen über Einzelfälle auch gerne mal hinweg (solange die nicht an die Öffentlichkeit geraten). Die Verfolgung solcher Taten (sie eigentlich sowieso zu spät kommt) gelingt nur eingeschränkt. Es scheitert entweder an der fehlenden Kompetenz/Ausstattung der Verantwortlichen oder auch einfach an einer gewissen "Machtlosigkeit" gegenüber einem Phänomen, das nie ganz wegzudenken sein wird. Das gilt erst recht, wenn man die vielen Missbrauchstaten bedenkt, die (leider?) nicht vor einer Kamera (!) erfolgen.
Die eigentlichen Gefahren, die fehlende Ausstattung/Kompetenz und die Machtlosigkeit schmerzen sehr. Weil man aber wenig dran ändern kann oder will (wohl eine Mischung aus beidem), schimpft man lieber laut und auf allen Kanälen auf den Ex-Fußballer. Dabei ist dieser der kleinste Fisch im Ozean.
Viel schlimmer sind für mich diejenigen, die sich wirkungsvoller Prävention versperren. Sei es auf ideologischer Verblendung, auch Angst vor den Kosten, weil Prävention so viel weniger cool ist als Strafprozesse oder einfach aus Dummheit heraus. Letzteres insbesondere bei unüberlegter Kriminalpolitik.
Zum Begriff der "Pädophilie", der hier gefallen ist: Das ist in erster Linie eine medizinische/psychiatrische Diagnose. Ob diese auf den Ex-Fußballer zutrifft, kann hier keiner wissen und könnte selbst ein Fachmann nicht anhand der bekannten Details beurteilen. Selbst wenn sie zutrifft, wäre das nur eine Ausgestaltung seines Seelenlebens, für die er absolut nichts könnte. Das weiß auch der deutsche Strafgesetzgeber und macht aus einer solchen Veranlagung keine Straftat.
Etwas erschreckend, was man in einem Forum lesen muss, dessen durchschnittlicher User eine rechtswissenschaftliche Ausbildung genossen hat und in der Lage sein sollte, ein Strafverfahren umfassend zu betrachten, Hintergründe zu beleuchten, differenziert zu überlegen und sich vor allem durch Lektüre entsprechender Literatur (+ Gerichtsentscheidungen + Gesetzgebungsbegründungen) etwas Fachkompetenz anzueignen.
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Prozess gegen Ex-Fußballer - von Ballo - 29.04.2021, 22:15
RE: Prozess gegen Ex-Fußballer - von Gast - 29.04.2021, 22:15
RE: Prozess gegen Ex-Fußballer - von 2xA-Rambo - 29.04.2021, 22:31
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