14.09.2020, 22:28
Nicht immer von sich bzw. seiner Uni auf andere schließen. Es gibt auch Schwerpunkte, bei denen die Dozenten Staatsnoten vergeben. Gibt dazu ja auch anschauliche Statistiken.
14.09.2020, 22:38
(14.09.2020, 22:25)Gast schrieb:(14.09.2020, 13:54)FWW-Anwältin schrieb: Halllo zusammen,
ich möchte hier mal einen Erfahrungsbericht meiner täglichen Arbeit nach rund 1 Jahr Berufserfahrung zusammenfassen, und zwar in einem eigenen Thread. Einerseits weil ich auch Berichte anderer FWW'ler hören möchte, andererseits weil mich da Arbeit massiv nervt und ich schon den Ausstieg aus Jura vorbereite und andere vorwarnen möchte. Natürlich ist nicht alles negativ und ich will auch keinen beunruhigen oder gar entmutigen, aber trotzdem will ich einfach mal sagen, wie es so bei mir abläuft. Wird ein langer Text, daher bitte ich nur diejenigen ihn zu lesen, die sich auch dafür interessieren. Die Mehrheit der Juristen ist nunmal als FWW-Anwalt tätig, daher wird es auch hier einige geben, die diesen Job machen (müssen). Ich würde dafür auch die oft gehässigen und herablassenden Forenmitglieder einmal bitten zu schweigen. Ja, wir wissen, dass ich das Examen mit 2x8 gerockt habt und die Geilsten seid und alle anderen nur der Bodensatz. Sonnt euch in eurem Status und macht den anderen das Leben nicht noch schwerer.
I. Vorbemerkungen
Ich habe in beiden Examen insgesamt 11,5 Punkte erzielt und dürfte damit einigermaßen im Gesamtdurchschnitt liegen, vielleicht auch etwas darunter. Mit etwas mehr Glück hätte ich auch 13 Punkte haben können - oder eben mit Pech auch <8. Daher gehen die Ergebnisse für mich schon so in Ordnung. Ich habe gelernt, was ich konnte, habe alles gegeben, mehr ging halt nicht. Ich kann durchaus anerkennen, dass es viele Juristen gibt, die mehr drauf haben als ich.
Glücklicherweise habe ich zeitnah einen Job in einer FWW-Kanzlei gefunden. Gehalt und zu bearbeitende Rechtsgebiete wurden früh besprochen, aber letztlich wurde sich nicht daran gehalten.
II. Rechtsgebiete
Vorwiegend bearbeite ich ein Nischenrechtsgebiet, das nicht sonderlich einträglich ist oder jedenfalls nur als Massengeschäft. Die Kanzlei möchte es aber betreuen. In der Ausbildung spielt es keine Rolle. Die materiellrechtlichen Normen füllen mehrere Gesetzbücher, auch das Prozessrecht ist eigens gefasst. Ich hatte am Anfang 0.0 Plan davon. Ich habe auch keine große Hilfe bekommen, abseits von irgendwelchen mehr oder weniger professionellen Broschüren. Mittlerweile komme ich damit aber ganz gut zu Recht. Es macht sogar ab und zu Spaß, vielleicht in 50% der Fälle, je nachdem, worum es inhaltlich geht. Leider muss ich oft Beratungshilfe beantragen und den Mandanten ewig hinterherrennen. Die sind juristisch oft völlig grün, was die Arbeit nicht leichter macht. Glücklicherweise gilt hier der Amtsermittlungsgrundsatz, sodass letztlich der Richter mir hinterherlaufen muss, wenn er meint, dass er noch was braucht. Tut mir leid, das mache ich nicht absichtlich, ist aber als Anfänger natürlich angenehm.
Zudem bearbeite ich noch allgemeines Zivilrecht (da trete ich aber kürzer). Das ist selten schwierig. Ich habe einen größeren Fall, bei dem die Rechtslage von 1850 eine Rolle spielt und der viel Arbeit macht, alles andere schüttele ich auch als Unterdurchschnittsjuristin mithilfe von Juris und Beck-Online halbwegs aus dem Ärmel. Ich bemühe mich auch, anders als mein Chef, die Schriftsätze so aufzubauen, wie man es in der Ausbildung gelernt hat. Leider halten sich nicht alle Kollegen daran. Manche schreiben in einer einfachen Angelegenheit 10 Seiten ohne Absätze und fehlerhafter Interpunktion. Tatsachen und Rechtsansichten muss man mühsam voneinander trennen, teilweise liest man Beweisangebote für Rechtsmeinungen.
Die Kompetenz der Kollegen ist selbst verglichen zu meiner eigenen fragwürdig. Eine Kollegin warf mir vor, einen Betrug zu begehen, weil sie die falsche Partei verklagt hatte und ich dies nicht ausreichend gerügt hatte (tatsächlich rügte das der Mandant von sich aus mehrmals telefonisch). Andere Kollegen sind permanent unsachlich und pinkeln mir ständig persönlich ans Bein, nur weil ich teilweise möglicherweise abwegige Rechtsansichten vertreten muss. Gerade in Nachbarschaftssachen sind die Mandanten völlig irrational und man muss entweder "kreativ" werden, um noch irgendwas retten zu können (verteidigt mal einen Zaun von 4m Höhe eures Mandanten, genau auf der Grundstücksgrenze), oder man legt das Mandat nieder, was weder wirtschaftlich ist noch guten Eindruck bei dem Mandanten und seinen Bekannten hervorrruft. Man ist oft gezwungen, Unsinn zu schreiben, um den Mandanten zu verteidigen, während man ihm eindringlich rät, seinen Quatsch einzustellen (was er nicht tun wird im Nachbarschaftsstreit).
Ich finde das ehrlich gesagt zum Kotzen. Man bezeichnet sich als "Kollegen", während man permanent darauf schielt, den Anwalt der Gegenseite vor dessen Mandanten und dem Gericht möglichst minderbegabt erscheinen zu lassen und ihm potentielle Kundschaft abzujagen. Aus diesem Grund bin ich auch nicht im Anwaltsverein.
Ich betreute gezwungenermaßen zuweilen auch noch andere Rechtsgebiete, von denen ich absolut keinen Plan habe, die aber für die Mandanten enorm wichtig sind. Natürlich lernt man mit der Zeit einige Floskeln, um sowohl Mandanten als auch Haftpflichtversicherung glücklich zu machen ("Ihr Fall ist enorm komplex und schwierig, da kann ich so spontan absolut nix sagen, auch die Rechtsprechung ist sich hier uneinig. Das muss ich erstmal in Ruhe prüfen. Ich melde mich dann in 2 Wochen wieder". Wenn ich ehrlich bin: Jemanden in diesem Rechtsgebiet zu finden, der weniger Ahnung hat von dem was er macht als ich, das ist schon echt schwer. Ich mach schon ziemlich beschissene Arbeit. Weiß auch nicht so recht, wie ich das ändern soll. Das Rechtsgebiet interessiert mich null und ich mache es nur, weil ich es muss. Niemals würde ich mich da privat fortbilden.
III. Kanzleiintern
Ich bin Berufsanfängerin, daher war mein Gehalt anfangs ziemlich niedrig (<3k pro Monat). Das bekomme ich auch nach wie vor, da eine entsprechende schriftliche Aufstockungszusage unbenannter Höhe fürs Frühjahr bislang nicht erfolgt ist und wohl auch nicht erfolgen wird, jedenfalls nicht in einer Höhe, die die vorangegangenen Gehaltseinbußen rechtfertigen könnte.
Die ReNos sind auch keine echte Hilfe. Ich schreibe Rechnungen und Mahnungen selbst, lege manchmal selbst Akten an, vereinbare Termine mit Mandanten, überprüfe Zahlungseingänge, mache Kleinkram wie Übersendungen an Mandanten und Gericht usw. Das einzige, was ich tatsächlich nicht mache, sind Post und das Einsortieren loser Blätter (das machen die Azubis). Die älteren ReNos haben meine Verfügungen nie oder nur extrem motzig entgegengenommen. Meist hatten sie keine Zeit für mich oder wollten keine für mich freimachen. Statt mich jedes Mal mit denen zu streiten, mach ich es seitdem einfach selbst. Vielleicht nehmen sie mich nicht so ernst, weil ich nicht ihr Arbeitgeber bin, sondern nur eine Kollegin, die eben mal Unterstützung haben möchte. Aber sei's drum.
Meine Kollegen sind auch nicht immer hilfreich. Selten haben sie wirklich Zeit für mich. Sie sind auch keine Spezialisten, eher Generalisten. Da wird von Verkehrsrecht über Versicherungsrecht, Architektenrecht, Baurecht und Familienrecht auch easy Strafrecht und Asylrecht gemacht. Ich behaupte, dass jeder Kollegen von der Gegenseite, sei es Behörde oder Anwalt, und vor allem der Richter, solange er nur etwas Erfahrung in dem Rechtsgebiet hat, deutlich besser qualifiziert ist als meine Kollegen. Die Schriftsätze, die ich manchmal von denen zu lesen bekomme, sind oft haarsträubend.
Häufig lese ich auch in Verfügungen und Mails, die ich bekomme, eine Herabsetzung von mir heraus. Da wird dann behauptet, ich hätte dem Chef nichts weitergeleitet, "wie immer". Oder dass ich "mal wieder, obwohl die Chefsekretärin es mir 100x gesagt hätte", die Übersendung an den Mandanten vergessen hätte. Nichts davon hat gestimmt, anfangs hab ich das richtig gestellt, mittlerweile ist es mir egal.
Ich muss aber auch sagen, dass die Kollegen durchaus nett und verständnisvoll sind. Möchte ich Urlaub bzw. frei, bekomme ich das in der Regel (und wenn ich dann notfalls noch einen Termin mitnehmen muss, dann ist es halt so).
IV. Arbeitsumfang
Schwankt stark. Vor und nach dem Urlaub ist es tatsächlich viel, aber davon abgesehen ist es hier ziemlich gemütlich. Ich arbeite von meinen Kollegen vollständig autonom; wenn ich gerade keine Fristen am Laufen und alle Akten bearbeitet habe, lerne ich für den Verbesserungsversuch oder verbringe meine Arbeitszeit anderweitig sinnlos. Anfangs habe ich den Kollegen meine Unterbelastung angezeigt, ab und zu habe ich auch dann Arbeit übertragen bekommen, oft aber auch nicht. Das führt dann halt dazu, dass ich von 9 Arbeitsstunden effektiv eigentlich nur so maximal 3 Stunden netto arbeite. Frustrierend und ineffektiv, aber nicht wirklich mein Problem. Mehr als Mitteilung machen kann ich auch nicht.
Gerichtstermine nehme ich mit meinem PKW auf eigene Kosten wahr. Leider sind die manchmal in Hinterdipfelbach am Loch, was echt ins Geld geht. Theoretisch bekomme ich das erstattet, praktisch aber wie die Gehaltserhöhung eben nicht. Häufig muss ich auch für eine andere Kanzlei Termine in Untervollmacht wahrnehmen. Da bekommt die Kanzlei dann 100 Euro dafür, dass sie mich durchs halbe Bundesland jagt. Theoretisch müsste ich mir eigentlich auch die oft 300 seitige Akte mal durchlesen, aber dann wird das für die Kanzlei zum Minusgeschäft. Also gehe ich halt hin, lass den Richter seinen Vortrag halten und schreibe es mit. Dem Mandanten erzähle ich, dass ich top vorbereitet bin, der Richter aber "wahrscheinlich" ohnehin noch kein Urteil fällen möchte. In Wahrheit kenne ich aber nur den Klageantrag.
V. Fazit:
Ich denke, es verwundert nicht, dass ich hier den Ausstieg suche. Die Zeit als FWW-Anwältin hat bei mir dazu geführt, dass ich andere Juristen, vor allem Anwälte, mittlerweile verachte. Meinem Umfeld rate ich, ohne Rechtsschutz (und ohne Selbstbeteiligung) nur dann zu einem Anwalt zu gehen, wenn es dafür einen spezialisierten Kollegen einer zumindest mittelständischen Kanzlei gibt und dann eben mit diesem eine Gebührenvereinbarung zu treffen. Einige nehmen ja pauschal zB bei Schadensersatzsachen 1/3 der gewonnenen Summe, was ich fair finde. Was Anwälte so treiben, die nach RVG abrechnen (müssen), ist kaum vorstellbar. Davon nehme ich mich nicht aus. Ich hab ein meinem Nischengebiet (siehe oben) durchaus Kompetenz, leider darf ich aber nicht nur da arbeiten, sondern muss auch vielen Kram machen, wovon ich keine Ahnung habe. So will ich nicht mein ganzes Leben lang arbeiten. Entweder der Verbesserungsversuch glückt oder ich lege Jura beiseite. Aber als FWW-Anwältin arbeite ich nur noch so lange wie ich muss. Je schneller ich was besseres finde, desto glücklicher bin ich.
Wollt ihr noch etwas wissen?
das ist jetzt gar kein "hate", aber wieso hat man insbesondere im 1. Examen so eine schlechte Note, wenn sogar der Schwerpunkt mit einfließt?
Ich kannte persönlich niemanden unter 8,5 Punkten im 1. Examen und bin immer wieder verwundert, dass das nicht die Regel ist, weil der Schwerpunktbereich halt massiv die Leute hochzieht, wenn sie im Staatsteil nicht abliefern.
Ist halt nicht überall so, ich hatte zb im Schwerpunkt 4 und da sind auch regelmäßig Leute durchgefallen, obwohl ich schriftlich im Staatsteil in einem schwierigen Durchgang bei 7 Punkten war.
14.09.2020, 22:41
Könnt ihr bitte aufhören den Ausgangspost zu zitieren, das sprengt ja jeden Bildschirm
14.09.2020, 22:45
(14.09.2020, 22:38)Gast schrieb:Das kann man wirklich nicht pauschalisieren mit den Schwerpunkten, da gebe ich dir Recht!(14.09.2020, 22:25)Gast schrieb:(14.09.2020, 13:54)FWW-Anwältin schrieb: Halllo zusammen,
ich möchte hier mal einen Erfahrungsbericht meiner täglichen Arbeit nach rund 1 Jahr Berufserfahrung zusammenfassen, und zwar in einem eigenen Thread. Einerseits weil ich auch Berichte anderer FWW'ler hören möchte, andererseits weil mich da Arbeit massiv nervt und ich schon den Ausstieg aus Jura vorbereite und andere vorwarnen möchte. Natürlich ist nicht alles negativ und ich will auch keinen beunruhigen oder gar entmutigen, aber trotzdem will ich einfach mal sagen, wie es so bei mir abläuft. Wird ein langer Text, daher bitte ich nur diejenigen ihn zu lesen, die sich auch dafür interessieren. Die Mehrheit der Juristen ist nunmal als FWW-Anwalt tätig, daher wird es auch hier einige geben, die diesen Job machen (müssen). Ich würde dafür auch die oft gehässigen und herablassenden Forenmitglieder einmal bitten zu schweigen. Ja, wir wissen, dass ich das Examen mit 2x8 gerockt habt und die Geilsten seid und alle anderen nur der Bodensatz. Sonnt euch in eurem Status und macht den anderen das Leben nicht noch schwerer.
I. Vorbemerkungen
Ich habe in beiden Examen insgesamt 11,5 Punkte erzielt und dürfte damit einigermaßen im Gesamtdurchschnitt liegen, vielleicht auch etwas darunter. Mit etwas mehr Glück hätte ich auch 13 Punkte haben können - oder eben mit Pech auch <8. Daher gehen die Ergebnisse für mich schon so in Ordnung. Ich habe gelernt, was ich konnte, habe alles gegeben, mehr ging halt nicht. Ich kann durchaus anerkennen, dass es viele Juristen gibt, die mehr drauf haben als ich.
Glücklicherweise habe ich zeitnah einen Job in einer FWW-Kanzlei gefunden. Gehalt und zu bearbeitende Rechtsgebiete wurden früh besprochen, aber letztlich wurde sich nicht daran gehalten.
II. Rechtsgebiete
Vorwiegend bearbeite ich ein Nischenrechtsgebiet, das nicht sonderlich einträglich ist oder jedenfalls nur als Massengeschäft. Die Kanzlei möchte es aber betreuen. In der Ausbildung spielt es keine Rolle. Die materiellrechtlichen Normen füllen mehrere Gesetzbücher, auch das Prozessrecht ist eigens gefasst. Ich hatte am Anfang 0.0 Plan davon. Ich habe auch keine große Hilfe bekommen, abseits von irgendwelchen mehr oder weniger professionellen Broschüren. Mittlerweile komme ich damit aber ganz gut zu Recht. Es macht sogar ab und zu Spaß, vielleicht in 50% der Fälle, je nachdem, worum es inhaltlich geht. Leider muss ich oft Beratungshilfe beantragen und den Mandanten ewig hinterherrennen. Die sind juristisch oft völlig grün, was die Arbeit nicht leichter macht. Glücklicherweise gilt hier der Amtsermittlungsgrundsatz, sodass letztlich der Richter mir hinterherlaufen muss, wenn er meint, dass er noch was braucht. Tut mir leid, das mache ich nicht absichtlich, ist aber als Anfänger natürlich angenehm.
Zudem bearbeite ich noch allgemeines Zivilrecht (da trete ich aber kürzer). Das ist selten schwierig. Ich habe einen größeren Fall, bei dem die Rechtslage von 1850 eine Rolle spielt und der viel Arbeit macht, alles andere schüttele ich auch als Unterdurchschnittsjuristin mithilfe von Juris und Beck-Online halbwegs aus dem Ärmel. Ich bemühe mich auch, anders als mein Chef, die Schriftsätze so aufzubauen, wie man es in der Ausbildung gelernt hat. Leider halten sich nicht alle Kollegen daran. Manche schreiben in einer einfachen Angelegenheit 10 Seiten ohne Absätze und fehlerhafter Interpunktion. Tatsachen und Rechtsansichten muss man mühsam voneinander trennen, teilweise liest man Beweisangebote für Rechtsmeinungen.
Die Kompetenz der Kollegen ist selbst verglichen zu meiner eigenen fragwürdig. Eine Kollegin warf mir vor, einen Betrug zu begehen, weil sie die falsche Partei verklagt hatte und ich dies nicht ausreichend gerügt hatte (tatsächlich rügte das der Mandant von sich aus mehrmals telefonisch). Andere Kollegen sind permanent unsachlich und pinkeln mir ständig persönlich ans Bein, nur weil ich teilweise möglicherweise abwegige Rechtsansichten vertreten muss. Gerade in Nachbarschaftssachen sind die Mandanten völlig irrational und man muss entweder "kreativ" werden, um noch irgendwas retten zu können (verteidigt mal einen Zaun von 4m Höhe eures Mandanten, genau auf der Grundstücksgrenze), oder man legt das Mandat nieder, was weder wirtschaftlich ist noch guten Eindruck bei dem Mandanten und seinen Bekannten hervorrruft. Man ist oft gezwungen, Unsinn zu schreiben, um den Mandanten zu verteidigen, während man ihm eindringlich rät, seinen Quatsch einzustellen (was er nicht tun wird im Nachbarschaftsstreit).
Ich finde das ehrlich gesagt zum Kotzen. Man bezeichnet sich als "Kollegen", während man permanent darauf schielt, den Anwalt der Gegenseite vor dessen Mandanten und dem Gericht möglichst minderbegabt erscheinen zu lassen und ihm potentielle Kundschaft abzujagen. Aus diesem Grund bin ich auch nicht im Anwaltsverein.
Ich betreute gezwungenermaßen zuweilen auch noch andere Rechtsgebiete, von denen ich absolut keinen Plan habe, die aber für die Mandanten enorm wichtig sind. Natürlich lernt man mit der Zeit einige Floskeln, um sowohl Mandanten als auch Haftpflichtversicherung glücklich zu machen ("Ihr Fall ist enorm komplex und schwierig, da kann ich so spontan absolut nix sagen, auch die Rechtsprechung ist sich hier uneinig. Das muss ich erstmal in Ruhe prüfen. Ich melde mich dann in 2 Wochen wieder". Wenn ich ehrlich bin: Jemanden in diesem Rechtsgebiet zu finden, der weniger Ahnung hat von dem was er macht als ich, das ist schon echt schwer. Ich mach schon ziemlich beschissene Arbeit. Weiß auch nicht so recht, wie ich das ändern soll. Das Rechtsgebiet interessiert mich null und ich mache es nur, weil ich es muss. Niemals würde ich mich da privat fortbilden.
III. Kanzleiintern
Ich bin Berufsanfängerin, daher war mein Gehalt anfangs ziemlich niedrig (<3k pro Monat). Das bekomme ich auch nach wie vor, da eine entsprechende schriftliche Aufstockungszusage unbenannter Höhe fürs Frühjahr bislang nicht erfolgt ist und wohl auch nicht erfolgen wird, jedenfalls nicht in einer Höhe, die die vorangegangenen Gehaltseinbußen rechtfertigen könnte.
Die ReNos sind auch keine echte Hilfe. Ich schreibe Rechnungen und Mahnungen selbst, lege manchmal selbst Akten an, vereinbare Termine mit Mandanten, überprüfe Zahlungseingänge, mache Kleinkram wie Übersendungen an Mandanten und Gericht usw. Das einzige, was ich tatsächlich nicht mache, sind Post und das Einsortieren loser Blätter (das machen die Azubis). Die älteren ReNos haben meine Verfügungen nie oder nur extrem motzig entgegengenommen. Meist hatten sie keine Zeit für mich oder wollten keine für mich freimachen. Statt mich jedes Mal mit denen zu streiten, mach ich es seitdem einfach selbst. Vielleicht nehmen sie mich nicht so ernst, weil ich nicht ihr Arbeitgeber bin, sondern nur eine Kollegin, die eben mal Unterstützung haben möchte. Aber sei's drum.
Meine Kollegen sind auch nicht immer hilfreich. Selten haben sie wirklich Zeit für mich. Sie sind auch keine Spezialisten, eher Generalisten. Da wird von Verkehrsrecht über Versicherungsrecht, Architektenrecht, Baurecht und Familienrecht auch easy Strafrecht und Asylrecht gemacht. Ich behaupte, dass jeder Kollegen von der Gegenseite, sei es Behörde oder Anwalt, und vor allem der Richter, solange er nur etwas Erfahrung in dem Rechtsgebiet hat, deutlich besser qualifiziert ist als meine Kollegen. Die Schriftsätze, die ich manchmal von denen zu lesen bekomme, sind oft haarsträubend.
Häufig lese ich auch in Verfügungen und Mails, die ich bekomme, eine Herabsetzung von mir heraus. Da wird dann behauptet, ich hätte dem Chef nichts weitergeleitet, "wie immer". Oder dass ich "mal wieder, obwohl die Chefsekretärin es mir 100x gesagt hätte", die Übersendung an den Mandanten vergessen hätte. Nichts davon hat gestimmt, anfangs hab ich das richtig gestellt, mittlerweile ist es mir egal.
Ich muss aber auch sagen, dass die Kollegen durchaus nett und verständnisvoll sind. Möchte ich Urlaub bzw. frei, bekomme ich das in der Regel (und wenn ich dann notfalls noch einen Termin mitnehmen muss, dann ist es halt so).
IV. Arbeitsumfang
Schwankt stark. Vor und nach dem Urlaub ist es tatsächlich viel, aber davon abgesehen ist es hier ziemlich gemütlich. Ich arbeite von meinen Kollegen vollständig autonom; wenn ich gerade keine Fristen am Laufen und alle Akten bearbeitet habe, lerne ich für den Verbesserungsversuch oder verbringe meine Arbeitszeit anderweitig sinnlos. Anfangs habe ich den Kollegen meine Unterbelastung angezeigt, ab und zu habe ich auch dann Arbeit übertragen bekommen, oft aber auch nicht. Das führt dann halt dazu, dass ich von 9 Arbeitsstunden effektiv eigentlich nur so maximal 3 Stunden netto arbeite. Frustrierend und ineffektiv, aber nicht wirklich mein Problem. Mehr als Mitteilung machen kann ich auch nicht.
Gerichtstermine nehme ich mit meinem PKW auf eigene Kosten wahr. Leider sind die manchmal in Hinterdipfelbach am Loch, was echt ins Geld geht. Theoretisch bekomme ich das erstattet, praktisch aber wie die Gehaltserhöhung eben nicht. Häufig muss ich auch für eine andere Kanzlei Termine in Untervollmacht wahrnehmen. Da bekommt die Kanzlei dann 100 Euro dafür, dass sie mich durchs halbe Bundesland jagt. Theoretisch müsste ich mir eigentlich auch die oft 300 seitige Akte mal durchlesen, aber dann wird das für die Kanzlei zum Minusgeschäft. Also gehe ich halt hin, lass den Richter seinen Vortrag halten und schreibe es mit. Dem Mandanten erzähle ich, dass ich top vorbereitet bin, der Richter aber "wahrscheinlich" ohnehin noch kein Urteil fällen möchte. In Wahrheit kenne ich aber nur den Klageantrag.
V. Fazit:
Ich denke, es verwundert nicht, dass ich hier den Ausstieg suche. Die Zeit als FWW-Anwältin hat bei mir dazu geführt, dass ich andere Juristen, vor allem Anwälte, mittlerweile verachte. Meinem Umfeld rate ich, ohne Rechtsschutz (und ohne Selbstbeteiligung) nur dann zu einem Anwalt zu gehen, wenn es dafür einen spezialisierten Kollegen einer zumindest mittelständischen Kanzlei gibt und dann eben mit diesem eine Gebührenvereinbarung zu treffen. Einige nehmen ja pauschal zB bei Schadensersatzsachen 1/3 der gewonnenen Summe, was ich fair finde. Was Anwälte so treiben, die nach RVG abrechnen (müssen), ist kaum vorstellbar. Davon nehme ich mich nicht aus. Ich hab ein meinem Nischengebiet (siehe oben) durchaus Kompetenz, leider darf ich aber nicht nur da arbeiten, sondern muss auch vielen Kram machen, wovon ich keine Ahnung habe. So will ich nicht mein ganzes Leben lang arbeiten. Entweder der Verbesserungsversuch glückt oder ich lege Jura beiseite. Aber als FWW-Anwältin arbeite ich nur noch so lange wie ich muss. Je schneller ich was besseres finde, desto glücklicher bin ich.
Wollt ihr noch etwas wissen?
das ist jetzt gar kein "hate", aber wieso hat man insbesondere im 1. Examen so eine schlechte Note, wenn sogar der Schwerpunkt mit einfließt?
Ich kannte persönlich niemanden unter 8,5 Punkten im 1. Examen und bin immer wieder verwundert, dass das nicht die Regel ist, weil der Schwerpunktbereich halt massiv die Leute hochzieht, wenn sie im Staatsteil nicht abliefern.
Ist halt nicht überall so, ich hatte zb im Schwerpunkt 4 und da sind auch regelmäßig Leute durchgefallen, obwohl ich schriftlich im Staatsteil in einem schwierigen Durchgang bei 7 Punkten war.
14.09.2020, 22:48
Also ich hatte nur 7 P. im SP und Durchschnitt von dem SP war 7,5. Es hat nicht jeder 16 P. und Rechtsphilosophie im SP.
14.09.2020, 22:51
(14.09.2020, 22:48)Gast schrieb: Also ich hatte nur 7 P. im SP und Durchschnitt von dem SP war 7,5. Es hat nicht jeder 16 P. und Rechtsphilosophie im SP.
Kann da nur zustimmen. Das Hauptproblem an den Schwerpunktnoten ist die mangelnde Vergleichbarkeit (und nicht, dass diese pauschal zu gut ausfallen würden).
15.09.2020, 11:11
Deshalb interessiert der Schwerpunkt in der Praxis auch die Wenigsten. Man schreibt üblicherweise zumindest auch die Staatsnote dazu, wenn man seine Qualis darstellen will.
15.09.2020, 11:15
gefühlt hat jeder andere 15P im Schwerpunkt. Ich nur 7,5
15.09.2020, 12:20
Also der Cuseng von meinem Schwager sein Onkel hat 19 Punkte im Schwerpunkt.
Lieber zurück zum Thema:
FWW ist nunmal die einzige Option für viele Berufseinsteiger. Was man als FWW verdient, wissen wir ja.
Wie schaut es denn perspektivisch aus? Welche Summen kann ein erfahrenerer FWW im Durchschnitt realistisch erreichen?
Lieber zurück zum Thema:
FWW ist nunmal die einzige Option für viele Berufseinsteiger. Was man als FWW verdient, wissen wir ja.
Wie schaut es denn perspektivisch aus? Welche Summen kann ein erfahrenerer FWW im Durchschnitt realistisch erreichen?
15.09.2020, 12:30
(15.09.2020, 12:20)Gast schrieb: Also der Cuseng von meinem Schwager sein Onkel hat 19 Punkte im Schwerpunkt.
Lieber zurück zum Thema:
FWW ist nunmal die einzige Option für viele Berufseinsteiger. Was man als FWW verdient, wissen wir ja.
Wie schaut es denn perspektivisch aus? Welche Summen kann ein erfahrenerer FWW im Durchschnitt realistisch erreichen?
Hängt sehr (!) stark von Spezialisierung und dem persönlichen Geschick ab. Eine Kollegin hat es geschafft, dass sie Empfehlungsanwältin für einen großen Versicherer in ihrer Region geworden ist. Die geht mit 150k Gewinn pro Jahr nach hause aber normalen Arbeitszeiten.
Und viel ist eben davon abhängig, wie stark der eigene Geschäftssinn ist. Nochmal den Streitwert bei RVG etwas hochpushen, eine Einigung im Termin eingehen, auch wenn der Mandant das Verfahren wahrscheinlich gewonnen hätte (zusätzliche Einigungsgebühr) usw. Ich glaube, der Durchschnitt liegt irgendwo bei 50-60k Gewinn im Jahr aber aus den obigen Gründen wird man sich wahrscheinlich zwischen 40 und 80k bewegen bei vergleichbarem Arbeitsanfall, eben davon abhängig, wie "gerissen" man ist.