01.12.2025, 21:17
Hallo,
da ich leider keine Bekannte aus dem Referendariat habe, die sich für die Anwaltschaft entschieden haben, konnte ich mich über dieses Thema bisher leider wenig austauschen und hoffe hier ein paar hilfreiche Antworten zu bekommen.
Ich arbeite nun seit etwas über einem halben Jahr als angestellte Anwältin.
Zunächst in einer spezialisierten Kanzlei, bei der aber recht schnell klar wurde, dass die Stelle nicht für Berufseinsteiger geeignet ist. Nach ein paar Monaten bin ich deswegen zu einem Anwalt gewechselt, der sich auf Vertragsrecht spezialisiert hat und der auch bei der Einstellung betont hat, dass er eine gute Einarbeitung leisten kann. Bei Verhandlungen wäre ich zunächst nur bei ihm dabei, Schriftsätze usw würde ich nur als Entwürfe schreiben und er diese korrigieren und rausschicken usw. Obwohl mich eigentlich andere Rechtsgebiete mehr interessieren, habe ich mich aufgrund dieser Aussagen für die Kanzlei entschieden, da ich mich auf ein paar Stützräder am Anfang gefreut habe.
Jetzt bin ich knapp zwei Monate in der Kanzlei. Ich war bei einer einzigen Verhandlung dabei, bevor ich dann direkt mehrere alleine übernehmen sollte. Es wurde schon kritisiert, dass ich immer noch Klagen als Entwürfe schreibe, ich solle diese einfach direkt rausschicken. Ebenfalls wurde mir schon mitgeteilt, dass ich nicht so viele Fragen (hauptsächlich zur Taktik) stellen und die Sachen einfach selbst einschätzen soll. Ihn wäre es lieber, ich mache Sachen ungenau und Fehler, als immer wieder Fragen zu stellen. Mich überfordert das ehrlich gesagt ziemlich. Natürlich werde ich ihn nicht mit Fragen bombardieren, aber ich dachte doch, dass, wenn ich über den Tag zwei, drei Fragen sammle und diese am Abend kurz stelle, dies ok ist und ich so einfach sinnvoll lerne, aber dennoch selbständig arbeite, oder dass es möglich sein sollte, Klageentwürfe kurz noch zu überfliegen und mir möglicherweise Tipps zu gehen. Natürlich verstehe ich, dass dies Zeit kostet, aber damit wird man wohl rechnen, wenn man sich eine Berufsanfängerin holt?
Nun bin ich mir einfach unsicher. Reagier ich etwas über, ist das einfach ein komplett normaler Start in den Anwaltsberuf und vielleicht nur etwas ungünstig formuliert gewesen, dass er eine gute Einarbeitung leisten kann und wäre es eigentlich in jeder Kanzlei das gleiche oder können andere Kanzleien durchaus mehr Einarbeitung leisten und würde es sich vielleicht doch lohnen, sich noch einmal umzuschauen?
Ich bin allgemein nicht so glücklich in der Kanzlei, aber wenn ich bei anderen Kanzleien auch keine bessere Einarbeitung erwarten kann, werde ich vermutlich noch ein Jahr warten, bevor ich mir etwas anderes suche, um dann schon ein bisschen Berufserfahrung vorweisen zu können.
Schreibt mir gerne auch, wenn das absolut normal ist und ich mich einfach etwas zusammenreißen muss. Vielleicht habt ihr dann Tipps für mich, wie ich mich selbständig etwas besser in die Anwaltspraxis einarbeiten kann?
Vielen Dank schon einmal an alle, die sich durch diesen Roman gequält haben :D
da ich leider keine Bekannte aus dem Referendariat habe, die sich für die Anwaltschaft entschieden haben, konnte ich mich über dieses Thema bisher leider wenig austauschen und hoffe hier ein paar hilfreiche Antworten zu bekommen.
Ich arbeite nun seit etwas über einem halben Jahr als angestellte Anwältin.
Zunächst in einer spezialisierten Kanzlei, bei der aber recht schnell klar wurde, dass die Stelle nicht für Berufseinsteiger geeignet ist. Nach ein paar Monaten bin ich deswegen zu einem Anwalt gewechselt, der sich auf Vertragsrecht spezialisiert hat und der auch bei der Einstellung betont hat, dass er eine gute Einarbeitung leisten kann. Bei Verhandlungen wäre ich zunächst nur bei ihm dabei, Schriftsätze usw würde ich nur als Entwürfe schreiben und er diese korrigieren und rausschicken usw. Obwohl mich eigentlich andere Rechtsgebiete mehr interessieren, habe ich mich aufgrund dieser Aussagen für die Kanzlei entschieden, da ich mich auf ein paar Stützräder am Anfang gefreut habe.
Jetzt bin ich knapp zwei Monate in der Kanzlei. Ich war bei einer einzigen Verhandlung dabei, bevor ich dann direkt mehrere alleine übernehmen sollte. Es wurde schon kritisiert, dass ich immer noch Klagen als Entwürfe schreibe, ich solle diese einfach direkt rausschicken. Ebenfalls wurde mir schon mitgeteilt, dass ich nicht so viele Fragen (hauptsächlich zur Taktik) stellen und die Sachen einfach selbst einschätzen soll. Ihn wäre es lieber, ich mache Sachen ungenau und Fehler, als immer wieder Fragen zu stellen. Mich überfordert das ehrlich gesagt ziemlich. Natürlich werde ich ihn nicht mit Fragen bombardieren, aber ich dachte doch, dass, wenn ich über den Tag zwei, drei Fragen sammle und diese am Abend kurz stelle, dies ok ist und ich so einfach sinnvoll lerne, aber dennoch selbständig arbeite, oder dass es möglich sein sollte, Klageentwürfe kurz noch zu überfliegen und mir möglicherweise Tipps zu gehen. Natürlich verstehe ich, dass dies Zeit kostet, aber damit wird man wohl rechnen, wenn man sich eine Berufsanfängerin holt?
Nun bin ich mir einfach unsicher. Reagier ich etwas über, ist das einfach ein komplett normaler Start in den Anwaltsberuf und vielleicht nur etwas ungünstig formuliert gewesen, dass er eine gute Einarbeitung leisten kann und wäre es eigentlich in jeder Kanzlei das gleiche oder können andere Kanzleien durchaus mehr Einarbeitung leisten und würde es sich vielleicht doch lohnen, sich noch einmal umzuschauen?
Ich bin allgemein nicht so glücklich in der Kanzlei, aber wenn ich bei anderen Kanzleien auch keine bessere Einarbeitung erwarten kann, werde ich vermutlich noch ein Jahr warten, bevor ich mir etwas anderes suche, um dann schon ein bisschen Berufserfahrung vorweisen zu können.
Schreibt mir gerne auch, wenn das absolut normal ist und ich mich einfach etwas zusammenreißen muss. Vielleicht habt ihr dann Tipps für mich, wie ich mich selbständig etwas besser in die Anwaltspraxis einarbeiten kann?
Vielen Dank schon einmal an alle, die sich durch diesen Roman gequält haben :D
02.12.2025, 00:09
"Ihn wäre es lieber, ich mache Sachen ungenau und Fehler, als immer wieder Fragen zu stellen."
Ernsthaft? Schickst du die Schriftsätze mit deiner eigenen Signatur raus oder über ihn? Bei letzterem wäre das ja richtig wahnsinnig. Wobei es nicht das erste mal wäre, dass ein Anwalt am Ende den Aktenstand seiner eigenen Mandate nicht kennt.
Ernsthaft? Schickst du die Schriftsätze mit deiner eigenen Signatur raus oder über ihn? Bei letzterem wäre das ja richtig wahnsinnig. Wobei es nicht das erste mal wäre, dass ein Anwalt am Ende den Aktenstand seiner eigenen Mandate nicht kennt.
02.12.2025, 03:27
Wenn du dich durch das Forum liest, scheint das unterschiedlich zu sein, siehe auch der Thread des Kollegen zu den Musterverträgen, wobei man tendenziell sagen kann, dass in der GK nahezu alles reviewed wird, während in der KK die Zügel eher locker gehalten werden und man auf Eigenverantwortung setzt.
Manches davon halte ich für vertretbar, anderes nicht. Beim Bericht des Kollegen, der als Berufseinsteiger Musterverträge prüfen oder erstellen soll, frage ich mich, wie seine Vorgesetzten sich das vorstellen und ob sie das Ergebnis wirklich ohne Prüfung an die Mandanten weiterreichen. Allerdings hat der Kollege in dem Thread noch nicht beantwortet, ob das wirklich so ist.
In deinem Fall kann man zumindest sagen, dass die Aussagen aus dem Vorstellungsgespräch nicht stimmen, denn wenn die "gute Einarbeitung" im Vorstellungsgespräch besonders hervorgehoben wurde, kann man eigentlich davon ausgehen, dass sie mehr als nur ein paar Wochen dauert. Beim Rest kommt es für mich drauf an, was für Fälle du bearbeitest und ob sie sich ähneln. Ich nehme an, im Vertragsrecht wirst du vor allem schulrechtliche Fragen prüfen, ist das richtig? Schuldrecht und die einzelnen Vertragstypen werden im Studium ja intensiv behandelt. Deswegen kann ich schon nachvollziehen, wenn dein Chef etwas genervt reagiert, solltest du ihn beim 10. Rücktritt immer noch fragen, ob die Voraussetzungen des Rücktritts vorliegen. Gleichwohl finde ich, dass man als Kanzleipartner trotzdem die Verantwortung hat, den eigenen Mitarbeitern zu helfen, wenn diese alleine nicht weiterkommen. Immerhin haftet er dafür, das du deine Arbeit richtig machst (solange du nicht als Scheinsozius auftrittst).
Warum war denn die andere Stelle nicht für Berufseinsteiger geeignet und was sind die Rechtsgebiete, die dich mehr interessieren? Grundsätzlich kann man einen Berufseinsteiger auf jeder Stelle unterbringen, wenn man gewillt ist, ihm das nötige Rüstzeug mit an die Hand zu geben. Ich selbst wurde damals in einer KK ebenfalls ungenügend eingearbeitet und sehe das im Nachhinein sehr kritisch. Neben vielen Standardverfahren gab es 2-3 sehr komplizierte Verfahren, die nicht mit Grüneberg und Zöller zu lösen und daher für einen Berufseinsteiger ohne weitere Unterstützung oder Fachliteratur nicht geeignet waren. Ich hatte Glück, dass die Verfahren sich anderweitig erledigt haben und mein Schleudern daher ohne Konsequenzen blieb. Außer hin und wieder Praktikanten und Studenten betreue ich keine Berufseinsteiger, aber bei mir würde es aus dieser Erfahrung heraus mehr Unterstützung geben. Ein gewisses Potenzial sollte jedoch erkennbar sein, um die Probezeit zu überstehen, deswegen schau nochmal bei dir, dass es einen Lerneffekt gibt und du nicht 10mal die gleiche Frage stellst.
Manches davon halte ich für vertretbar, anderes nicht. Beim Bericht des Kollegen, der als Berufseinsteiger Musterverträge prüfen oder erstellen soll, frage ich mich, wie seine Vorgesetzten sich das vorstellen und ob sie das Ergebnis wirklich ohne Prüfung an die Mandanten weiterreichen. Allerdings hat der Kollege in dem Thread noch nicht beantwortet, ob das wirklich so ist.
In deinem Fall kann man zumindest sagen, dass die Aussagen aus dem Vorstellungsgespräch nicht stimmen, denn wenn die "gute Einarbeitung" im Vorstellungsgespräch besonders hervorgehoben wurde, kann man eigentlich davon ausgehen, dass sie mehr als nur ein paar Wochen dauert. Beim Rest kommt es für mich drauf an, was für Fälle du bearbeitest und ob sie sich ähneln. Ich nehme an, im Vertragsrecht wirst du vor allem schulrechtliche Fragen prüfen, ist das richtig? Schuldrecht und die einzelnen Vertragstypen werden im Studium ja intensiv behandelt. Deswegen kann ich schon nachvollziehen, wenn dein Chef etwas genervt reagiert, solltest du ihn beim 10. Rücktritt immer noch fragen, ob die Voraussetzungen des Rücktritts vorliegen. Gleichwohl finde ich, dass man als Kanzleipartner trotzdem die Verantwortung hat, den eigenen Mitarbeitern zu helfen, wenn diese alleine nicht weiterkommen. Immerhin haftet er dafür, das du deine Arbeit richtig machst (solange du nicht als Scheinsozius auftrittst).
Warum war denn die andere Stelle nicht für Berufseinsteiger geeignet und was sind die Rechtsgebiete, die dich mehr interessieren? Grundsätzlich kann man einen Berufseinsteiger auf jeder Stelle unterbringen, wenn man gewillt ist, ihm das nötige Rüstzeug mit an die Hand zu geben. Ich selbst wurde damals in einer KK ebenfalls ungenügend eingearbeitet und sehe das im Nachhinein sehr kritisch. Neben vielen Standardverfahren gab es 2-3 sehr komplizierte Verfahren, die nicht mit Grüneberg und Zöller zu lösen und daher für einen Berufseinsteiger ohne weitere Unterstützung oder Fachliteratur nicht geeignet waren. Ich hatte Glück, dass die Verfahren sich anderweitig erledigt haben und mein Schleudern daher ohne Konsequenzen blieb. Außer hin und wieder Praktikanten und Studenten betreue ich keine Berufseinsteiger, aber bei mir würde es aus dieser Erfahrung heraus mehr Unterstützung geben. Ein gewisses Potenzial sollte jedoch erkennbar sein, um die Probezeit zu überstehen, deswegen schau nochmal bei dir, dass es einen Lerneffekt gibt und du nicht 10mal die gleiche Frage stellst.
02.12.2025, 08:04
(02.12.2025, 00:09)BetterLearnAll25 schrieb: "Ihn wäre es lieber, ich mache Sachen ungenau und Fehler, als immer wieder Fragen zu stellen."
Ernsthaft? Schickst du die Schriftsätze mit deiner eigenen Signatur raus oder über ihn? Bei letzterem wäre das ja richtig wahnsinnig. Wobei es nicht das erste mal wäre, dass ein Anwalt am Ende den Aktenstand seiner eigenen Mandate nicht kennt.
Derzeit schick ich die Sachen noch über ihn raus. Ich fand das auch komplett absurd, aber wusste nicht, ob das vielleicht doch normal ist?
Aber er meint immer, dass nichts kaputt gehen kann, er hatte in seiner ganzen Karriere erst einen Haftungsfall und dann muss er ja nur die Selbstbeteiligung zahlen und die hat er in ein paar Stunden Arbeit wieder drin, deswegen besser Fehler machen als nachfragen...
02.12.2025, 08:21
(02.12.2025, 03:27)Egal_ schrieb: Wenn du dich durch das Forum liest, scheint das unterschiedlich zu sein, siehe auch der Thread des Kollegen zu den Musterverträgen, wobei man tendenziell sagen kann, dass in der GK nahezu alles reviewed wird, während in der KK die Zügel eher locker gehalten werden und man auf Eigenverantwortung setzt.
Manches davon halte ich für vertretbar, anderes nicht. Beim Bericht des Kollegen, der als Berufseinsteiger Musterverträge prüfen oder erstellen soll, frage ich mich, wie seine Vorgesetzten sich das vorstellen und ob sie das Ergebnis wirklich ohne Prüfung an die Mandanten weiterreichen. Allerdings hat der Kollege in dem Thread noch nicht beantwortet, ob das wirklich so ist.
In deinem Fall kann man zumindest sagen, dass die Aussagen aus dem Vorstellungsgespräch nicht stimmen, denn wenn die "gute Einarbeitung" im Vorstellungsgespräch besonders hervorgehoben wurde, kann man eigentlich davon ausgehen, dass sie mehr als nur ein paar Wochen dauert. Beim Rest kommt es für mich drauf an, was für Fälle du bearbeitest und ob sie sich ähneln. Ich nehme an, im Vertragsrecht wirst du vor allem schulrechtliche Fragen prüfen, ist das richtig? Schuldrecht und die einzelnen Vertragstypen werden im Studium ja intensiv behandelt. Deswegen kann ich schon nachvollziehen, wenn dein Chef etwas genervt reagiert, solltest du ihn beim 10. Rücktritt immer noch fragen, ob die Voraussetzungen des Rücktritts vorliegen. Gleichwohl finde ich, dass man als Kanzleipartner trotzdem die Verantwortung hat, den eigenen Mitarbeitern zu helfen, wenn diese alleine nicht weiterkommen. Immerhin haftet er dafür, das du deine Arbeit richtig machst (solange du nicht als Scheinsozius auftrittst).
Warum war denn die andere Stelle nicht für Berufseinsteiger geeignet und was sind die Rechtsgebiete, die dich mehr interessieren? Grundsätzlich kann man einen Berufseinsteiger auf jeder Stelle unterbringen, wenn man gewillt ist, ihm das nötige Rüstzeug mit an die Hand zu geben. Ich selbst wurde damals in einer KK ebenfalls ungenügend eingearbeitet und sehe das im Nachhinein sehr kritisch. Neben vielen Standardverfahren gab es 2-3 sehr komplizierte Verfahren, die nicht mit Grüneberg und Zöller zu lösen und daher für einen Berufseinsteiger ohne weitere Unterstützung oder Fachliteratur nicht geeignet waren. Ich hatte Glück, dass die Verfahren sich anderweitig erledigt haben und mein Schleudern daher ohne Konsequenzen blieb. Außer hin und wieder Praktikanten und Studenten betreue ich keine Berufseinsteiger, aber bei mir würde es aus dieser Erfahrung heraus mehr Unterstützung geben. Ein gewisses Potenzial sollte jedoch erkennbar sein, um die Probezeit zu überstehen, deswegen schau nochmal bei dir, dass es einen Lerneffekt gibt und du nicht 10mal die gleiche Frage stellst.
Klar, 10 mal die gleiche rechtliche Frage, das wär absolut verständlich, dass man dafür keine Zeit hat. Tatsächlich gehts sehr wenig um Rechtliches. Er schreibt Klagen ohne Rechtsausführungen, deswegen soll ich das auch machen, und auch andere Schreiben sind eher ein einfach mal drauf los schreiben und etwas fordern und mal schauen, was die Gegenseite dazu sagt.
Ich hatte dann bisher eher Nachfragen zu taktischen Sachen - zB wenn Mandanten eigentlich lieber Nacherfüllung hätten, die Rücktrittsvoraussetzungen aber schon vorliegen, ob ich dann erst noch einmal Nacherfüllung fordern kann oder er es lieber hätte, wenn ich direkt den Rücktritt erkläre. Oder zB ob es in Ordnung ist ein bestimmtes Schriftstück der Klage beizufügen, das uns einerseits hilft, andererseits aber auch schaden könnte. Mit dem Thema Bestreiten war ich mir auch noch nicht ganz sicher - in den Referendariatsklausuren war das immer recht einfach, aber hier hatte ich Angst, dass ich etwas nicht ausreichend bestritten habe. So in die Richtung gehen die Fragen. Meiner Meinung nach Sachen, die man einfach am Anfang lernen muss und ich hatte eben gehofft, von ihm, aber naja...
Das andere war eine Wirtschaftskanzlei mit Arbeits- und Gesellschaftsrecht. Obwohl ich von Anfang an klar gemacht habe, dass ich meinen Schwerpunkt in keinem der Bereiche hatte, haben sie einfach sehr viel Wissen von mir erwartet, dass ich einfach noch nicht hatte. Es ging viel um Taktik im Arbeitsrecht, da vor allem Arbeitgeber vertreten wurden und was man in diesen Situationen den Arbeitgebern am Besten raten kann. Da hätte ich noch etwas Zeit gebraucht um reinzukommen. Im Gegensatz zu meiner jetzigen Kanzlei haben sie auch sehr genau gearbeitet, so dass eine E-Mail von mir dann auch mal 3, 4 mal zwischen mir und dem Chef hin und her ging, weil er noch nicht ganz zufrieden war (da ging es dann auch nicht um rechtliche Sachen, sondern dass er eine Formulierung nicht optimal fand usw - dies führt jetzt aber auch dazu, dass es mich noch mehr verunsichert, dass ich Sachen unkontrolliert rausschicken soll, weil anscheinend waren ja für die anderen nicht einmal meine E-Mails an Mandanten gut genug). Dafür hatten sie aber auch einfach verständlicherweise keine Zeit.
Mich interessieren vor allem Straf- und Familienrecht. Für beides gab es in meiner Stadt keine freien Stellen, deswegen dachte ich, ich sammel erst einmal allgemein Berufserfahrung, aber langsam bereue ich es ein bisschen.
02.12.2025, 12:53
Oha, so einer also. Mein erster Chef nach dem Ref aus der von mir beschriebenen Kanzlei war leider auch so. Viele Nebelkerzen, viel aus dem Bauch heraus ohne es zu wissen, viel Polemik und Gebrüll, wenig oder sogar gar nichts handfestes.
Nachdem, was du in dieser letzten Antwort geschrieben hast, rate ich dir zum Kanzleiwechsel. Schau dir bitte bloß nicht ab, wie er arbeitet. Das ist weder fachlich noch stilistisch gut. Er ist einfach ein schlechter Anwalt, der auf Kosten der Mandanten mit möglichst wenig Aufwand Geld generieren will. Lass mich raten, er klärt die Mandanten auch nicht über deren Kostenrisiko auf?
Puh, ich fühle mich gerade zurückversetzt in meine ersten 1 1/2 Berufsjahre. Ein wahrer Alptraum.
Wie gesagt, schau dir diese Arbeitsweise bitte nicht ab. So arbeitet man nicht, wenn man morgens noch in den Spiegel schauen will. Die Mandanten haben für ihr Geld eine vernünftige Beratung und ein vernünftiges Schreiben/Schriftsatz verdient und keinen Versuch ins Blaue hinein. Nicht wenn sie nicht darüber aufgeklärt wurde, dass sie im Zweifel dafür die Kosten tragen müssen und das Schreiben trotzdem haben wollen.
Damit ist auch klar, warum ihn das Bestreiten nicht interessiert. Muss ihn ja nicht, wenn er sich bisher immer irgendwie durchmogeln konnte.
Gewöhn dir das erst gar nicht an. Wir Juristen haben nicht umsonst im Studium gelernt, jeden Sachverhalt haarklein bis ins kleinste Detail aufzudröseln. Das macht die juristischen Arbeit aus. Alles andere ist oberflächliche Grütze zu Lasten der Mandanten.
Bei den Richtern kommt so etwas übrigens auch überhaupt nicht gut an. Viele halten sich zurück. Manchmal aber kann man aber auch im Urteil lesen, wie abwegig das Gericht gewisse vorgetragene Sachen hält.
Es tut mir leid, dass du gleich zwei schlechte Erfahrungen machen musstest, aber du solltest weitersuchen.
Ob Nacherfüllung verlangen oder Rücktritt erklären, hängt übrigens vom Mandantenwillen ab. Wenn die Nacherfüllung 3mal gescheitert ist und sich alles in die Länge zieht, haben Mandanten in der Regel kein Interesse mehr daran, es nochmal zu versuchen. Das müsstest du daher mit dem Mandanten besprechen. Deinem Chef sollte es egal sein. Es ist nicht sein Rechtsstreit und nicht seine Vorstellung, die er durchsetzen soll. Das nur noch am Rande.
Die Sache mit den E-Mails kann ich nicht einschätzen. Es gibt Vorgesetzte, die alles kontrollieren wollen und Micro Management betreiben. Ob das hier so war, kann man aber von außen schlecht beurteilen.
Nachdem, was du in dieser letzten Antwort geschrieben hast, rate ich dir zum Kanzleiwechsel. Schau dir bitte bloß nicht ab, wie er arbeitet. Das ist weder fachlich noch stilistisch gut. Er ist einfach ein schlechter Anwalt, der auf Kosten der Mandanten mit möglichst wenig Aufwand Geld generieren will. Lass mich raten, er klärt die Mandanten auch nicht über deren Kostenrisiko auf?
Puh, ich fühle mich gerade zurückversetzt in meine ersten 1 1/2 Berufsjahre. Ein wahrer Alptraum.
Wie gesagt, schau dir diese Arbeitsweise bitte nicht ab. So arbeitet man nicht, wenn man morgens noch in den Spiegel schauen will. Die Mandanten haben für ihr Geld eine vernünftige Beratung und ein vernünftiges Schreiben/Schriftsatz verdient und keinen Versuch ins Blaue hinein. Nicht wenn sie nicht darüber aufgeklärt wurde, dass sie im Zweifel dafür die Kosten tragen müssen und das Schreiben trotzdem haben wollen.
Damit ist auch klar, warum ihn das Bestreiten nicht interessiert. Muss ihn ja nicht, wenn er sich bisher immer irgendwie durchmogeln konnte.
Gewöhn dir das erst gar nicht an. Wir Juristen haben nicht umsonst im Studium gelernt, jeden Sachverhalt haarklein bis ins kleinste Detail aufzudröseln. Das macht die juristischen Arbeit aus. Alles andere ist oberflächliche Grütze zu Lasten der Mandanten.
Bei den Richtern kommt so etwas übrigens auch überhaupt nicht gut an. Viele halten sich zurück. Manchmal aber kann man aber auch im Urteil lesen, wie abwegig das Gericht gewisse vorgetragene Sachen hält.
Es tut mir leid, dass du gleich zwei schlechte Erfahrungen machen musstest, aber du solltest weitersuchen.
Ob Nacherfüllung verlangen oder Rücktritt erklären, hängt übrigens vom Mandantenwillen ab. Wenn die Nacherfüllung 3mal gescheitert ist und sich alles in die Länge zieht, haben Mandanten in der Regel kein Interesse mehr daran, es nochmal zu versuchen. Das müsstest du daher mit dem Mandanten besprechen. Deinem Chef sollte es egal sein. Es ist nicht sein Rechtsstreit und nicht seine Vorstellung, die er durchsetzen soll. Das nur noch am Rande.
Die Sache mit den E-Mails kann ich nicht einschätzen. Es gibt Vorgesetzte, die alles kontrollieren wollen und Micro Management betreiben. Ob das hier so war, kann man aber von außen schlecht beurteilen.
02.12.2025, 20:42
Vielen Dank für deine Antworten. Ich hatte ehrlich gesagt etwas Angst, dass ich hier die Antwort bekomme, dass das einfach ganz normal ist und mein restlichen Berufsleben so aussehen wird, womit ich einfach nicht klar gekommen wäre.
Es hat mich schon extrem verunsichert, als ich an meinem ersten Arbeitstag Gesetzessammlungen und Kommentare ausgepackt habe und er meinte, dass ich die wieder wegpacken könne, weil ich die hier nicht brauchen werde. Überhaupt war ich häufig verunsichert - unter anderem weil, wie von dir vermutet, ich auch nicht mitbekommen hätte, dass Mandanten über deren Kostenrisiko aufgeklärt wurden. Aber als Berufseinsteigerin - oder zumindest geht es mir so - denkt man sich dann doch schnell, dass man sich wohl einfach noch nicht genug auskennt und dass das das normale Vorgehen in der Praxis ist.
Ich werde mich dank deiner Nachricht direkt wieder auf Jobsuche begeben. Insbesondere, dass du mir geraten hast, mir seine Arbeitsweise nicht abzuschauen, zeigt mir, dass ich das besser früher als später machen sollte, da ich mich schon nach diesen paar Monaten in der Kanzlei ohne Rechtsausführungen usw vermutlich etwas schwer tun werde, wieder in das juristische Arbeiten reinzukommen.
Hoffentlich habe ich beim 3. Mal mehr Glück.
Ja, das mit Nacherfüllungsverlangen oder Rücktritt hatte ich mir ursprünglich auch genau so gedacht, aber bei meinem Chef nachgefragt, weil ich das bei ihm ein paar Mal so mitbekommen habe (er wollte dann auch, dass ich direkt den Rücktritt erkläre). Ich hoffe, dass ich dann bald in einer Kanzlei arbeiten kann, in der ich auch wirklich die Interessen des Mandanten vertrete.
Es hat mich schon extrem verunsichert, als ich an meinem ersten Arbeitstag Gesetzessammlungen und Kommentare ausgepackt habe und er meinte, dass ich die wieder wegpacken könne, weil ich die hier nicht brauchen werde. Überhaupt war ich häufig verunsichert - unter anderem weil, wie von dir vermutet, ich auch nicht mitbekommen hätte, dass Mandanten über deren Kostenrisiko aufgeklärt wurden. Aber als Berufseinsteigerin - oder zumindest geht es mir so - denkt man sich dann doch schnell, dass man sich wohl einfach noch nicht genug auskennt und dass das das normale Vorgehen in der Praxis ist.
Ich werde mich dank deiner Nachricht direkt wieder auf Jobsuche begeben. Insbesondere, dass du mir geraten hast, mir seine Arbeitsweise nicht abzuschauen, zeigt mir, dass ich das besser früher als später machen sollte, da ich mich schon nach diesen paar Monaten in der Kanzlei ohne Rechtsausführungen usw vermutlich etwas schwer tun werde, wieder in das juristische Arbeiten reinzukommen.
Hoffentlich habe ich beim 3. Mal mehr Glück.
Ja, das mit Nacherfüllungsverlangen oder Rücktritt hatte ich mir ursprünglich auch genau so gedacht, aber bei meinem Chef nachgefragt, weil ich das bei ihm ein paar Mal so mitbekommen habe (er wollte dann auch, dass ich direkt den Rücktritt erkläre). Ich hoffe, dass ich dann bald in einer Kanzlei arbeiten kann, in der ich auch wirklich die Interessen des Mandanten vertrete.
02.12.2025, 22:11
Wie wäre es mit einem Sprung in die Selbständigkeit? Als angestellter Anwalt in einer KK verdient man wohl auch nicht mehr als eine bessere Rechtsanwaltsgehilfin. Würde mich als Berufsanfänger nicht zu sehr unterbewerten. Bürogemeinschaft, nur vertraute Rechtsgebiete betreuen. Letzten Endes wird man durch das Forum hier immer wieder bestätigt wie sehr alt eingesessene Anwälte schon die absoluten Basics nicht mehr beherrschen.
03.12.2025, 08:33
Direkt Selbstständigkeit ohne Berufserfahrung ist knackig, Organisationsaufwand ist hoch, und die KK dient im Idealfall als Ausbildungsort an dem man das „Handwerk“ lernt und Mandate gewinnt. Einfach Schild raushängen als Neuling wird schwierig heutzutage.
03.12.2025, 12:57
(03.12.2025, 08:33)Sesselpupser schrieb: Direkt Selbstständigkeit ohne Berufserfahrung ist knackig, Organisationsaufwand ist hoch, und die KK dient im Idealfall als Ausbildungsort an dem man das „Handwerk“ lernt und Mandate gewinnt. Einfach Schild raushängen als Neuling wird schwierig heutzutage.
Ich bin grundsätzlich bei dir. Gerade da die TE durch die beiden völlig unterschiedlichen Herangehensweisen komplett verunsichert ist, würde ich an ihrer Stelle derzeit keine Selbständigkeit anstreben.
Allerdings würde ich die Berufstätigkeit auch nicht bei dem jetzigen Anwalt fortsetzen. Er ist kein guter Lehrer, wenn es darum geht, wie gute Anwaltstätigkeit geht.



