18.05.2025, 19:33
Hi, sind hier Leute, die in der Justiz (vorzugsweise Richteramt) angefangen haben und relativ schnell gemerkt haben, dass es nicht das Richtige ist? Könntet ihr eure Erfahrungen teilen? Wie sieht es aus mit einem möglichen Wiedereinstieg irgendwann später? Ich bin jetzt 6,5 Monate dabei und kann nicht mehr…ich arbeite seit Beginn regelmäßig 12h am Tag, 10h sind eigentlich absolute Regel. Mir macht die Arbeit nicht wirklich Spaß und die Verhandlungen regelrecht Panik. Ich bin im Dauerstress, auch am Wochenende verfolgt es mich und mir geht es wirklich schlecht. Kann kaum noch Essen, wache jede Nacht mit Panik auf, zittere oft unkontrolliert am ganzen Körper. Und langsam habe ich das Gefühl, es raubt mir völlig die Lebensfreude…Ich weiß nicht, wie ich die nächsten Wochen schaffen soll. Habe dennoch Angst vor dem Ausstieg, frage mich wie es dann weitergeht und ob ich mir meinen Lebenslauf versaue…wäre super dankbar um jede Erfahrung..
Wer Richter auf Probe bzw. Staatsanwalt werden möchte, sollte sich mit dem Karriere-Dossier über die Einstellungschancen und Bewerbungsvoraussetzungen informieren. Das Karriere-Dossier ist als Print-Buch sowie als E-Book für alle 16 Bundesländer erhältlich:
https://www.juristenkoffer.de/richter/karriere-dossier-richter-staatsanwalt-werden.php
Und zur Vorbereitung auf das alles entscheidende Vorstellungsgespräch sollte man auf die vielen hunderten Erfahrungsberichte anderer Juristen zugreifen, die bereits das Bewerbungsverfahren erfolgreich absolviert haben.
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Und zur Vorbereitung auf das alles entscheidende Vorstellungsgespräch sollte man auf die vielen hunderten Erfahrungsberichte anderer Juristen zugreifen, die bereits das Bewerbungsverfahren erfolgreich absolviert haben.
18.05.2025, 21:17
Hallo Luise,
ich arbeite auch in RLP als Richter. Ich habe zwar keinen Rat zum Ausstieg, kann aber aus persönlicher Erfahrung berichten, dass es mir in den ersten 6 Monaten ähnlich ging wie dir. Dass du jetzt etwas ändern möchtest, ist wohl der allerwichtigste Schritt, da du unbedingt auf deine Gesundheit achten musst!
Ob der Ausstieg zwingend ist, kann ich nicht beurteilen. Bei mir hat letztendlich ein Wechsel des Rechtsgebiets geholfen. Das war aber auch eher Zufall und hätte es nicht funktioniert, wäre ich letztendlich auch ausgestiegen oder hätte vorher einen Burnout bekommen.
Ich denke, das meiste spielt sich im Kopf ab und es sieht manchmal schlimmer aus, als es tatsächlich ist oder als man es in der Rückschau bewerten würde.
Ich wünsche dir viel Kraft Glück und Erfolg für die Zukunft, egal wo.
ich arbeite auch in RLP als Richter. Ich habe zwar keinen Rat zum Ausstieg, kann aber aus persönlicher Erfahrung berichten, dass es mir in den ersten 6 Monaten ähnlich ging wie dir. Dass du jetzt etwas ändern möchtest, ist wohl der allerwichtigste Schritt, da du unbedingt auf deine Gesundheit achten musst!
Ob der Ausstieg zwingend ist, kann ich nicht beurteilen. Bei mir hat letztendlich ein Wechsel des Rechtsgebiets geholfen. Das war aber auch eher Zufall und hätte es nicht funktioniert, wäre ich letztendlich auch ausgestiegen oder hätte vorher einen Burnout bekommen.
Ich denke, das meiste spielt sich im Kopf ab und es sieht manchmal schlimmer aus, als es tatsächlich ist oder als man es in der Rückschau bewerten würde.
Ich wünsche dir viel Kraft Glück und Erfolg für die Zukunft, egal wo.
18.05.2025, 22:10
Das klingt sehr schlecht. Weiter so kann es nicht geben.
Im Grunde sehe ich nur drei Varianten:
In Deinem Dezernat liegt irgendeine Besonderheit vor - ein Berg Altverfahren oder eine ungerechte Geschäftsverteilung. Dann ist vielleicht Besserung absehbar, Du musst aber dennoch einen Gang zurückschalten aus Selbstschutz. Schwierig.
Oder Du machst etwas an Deiner Arbeitsweise grundlegend falsch. Gibt es jemanden, der Dir Rückmeldung geben kann? Ggf. kannst Du dann etwas ändern.
Oder es passt für Dich einfach persönlich gar nicht. Dann stellst Du Entlassungsantrag oder, falls Du in die Verwaltung willst, Abordnung mit dem Ziel der Versetzung.
Kannst Du irgendwie herausfinden, welche der Varianten es bei Dir ist? Kannst Du mit jemandem darüber sprechen? Normale Einarbeitungsschwierigkeiten, die irgendwann von selbst weggehen, sind das definitiv nicht.
Im Grunde sehe ich nur drei Varianten:
In Deinem Dezernat liegt irgendeine Besonderheit vor - ein Berg Altverfahren oder eine ungerechte Geschäftsverteilung. Dann ist vielleicht Besserung absehbar, Du musst aber dennoch einen Gang zurückschalten aus Selbstschutz. Schwierig.
Oder Du machst etwas an Deiner Arbeitsweise grundlegend falsch. Gibt es jemanden, der Dir Rückmeldung geben kann? Ggf. kannst Du dann etwas ändern.
Oder es passt für Dich einfach persönlich gar nicht. Dann stellst Du Entlassungsantrag oder, falls Du in die Verwaltung willst, Abordnung mit dem Ziel der Versetzung.
Kannst Du irgendwie herausfinden, welche der Varianten es bei Dir ist? Kannst Du mit jemandem darüber sprechen? Normale Einarbeitungsschwierigkeiten, die irgendwann von selbst weggehen, sind das definitiv nicht.
18.05.2025, 22:40
(18.05.2025, 19:33)LuiseRLP schrieb: Hi, sind hier Leute, die in der Justiz (vorzugsweise Richteramt) angefangen haben und relativ schnell gemerkt haben, dass es nicht das Richtige ist? Könntet ihr eure Erfahrungen teilen? Wie sieht es aus mit einem möglichen Wiedereinstieg irgendwann später? Ich bin jetzt 6,5 Monate dabei und kann nicht mehr…ich arbeite seit Beginn regelmäßig 12h am Tag, 10h sind eigentlich absolute Regel. Mir macht die Arbeit nicht wirklich Spaß und die Verhandlungen regelrecht Panik. Ich bin im Dauerstress, auch am Wochenende verfolgt es mich und mir geht es wirklich schlecht. Kann kaum noch Essen, wache jede Nacht mit Panik auf, zittere oft unkontrolliert am ganzen Körper. Und langsam habe ich das Gefühl, es raubt mir völlig die Lebensfreude…Ich weiß nicht, wie ich die nächsten Wochen schaffen soll. Habe dennoch Angst vor dem Ausstieg, frage mich wie es dann weitergeht und ob ich mir meinen Lebenslauf versaue…wäre super dankbar um jede Erfahrung..Es wäre sicherlich klüger, erstmal die richterliche Unabhängigkeit zu nutzen und den für dich offenbar ungeeigneten Terminplan aufzubrechen. Es entspricht in der ordentlichen Gerichtsbarkeit ja leider der Üblichkeit, ein dezernat zu übernehmen, in dem der Vorgänger (ggfs Proberichter) einfach blind 5 Verhandlungen pro Terminstag/Woche jeder Art und Güte am LG über die nächsten 7 Monate terminiert hat. Du musst dich daran nicht gebunden sehen. Bevor du dich kaputt machst und gar aussteigst: brich das auf.
Es wäre ggfs hilfreich, wenn du uns sagst, was du machst (Amtsgericht, Landgericht, zivilrecht?)
Das ist NICHT normal oder sollte es nicht sein. Wichtig ist die Analyse, woran das jetzt genau liegt. Leider scheinen da in einigen Bundesländern trotz Bewerbermangel systemische Mängel in der Art und Weise der Organisation des Probedienstes vorzuliegen. Andererseits kommt es auch drauf an, wie du die Verfahren bearbeitest. Wie du die Termine vorbereitest usw.
18.05.2025, 23:02
Wenn es dir wirklich keinen Spaß macht, dann mach etwas anderes. Du hast nur ein Leben.
Du solltest dir aber sicher sein, dass die psychischen Probleme wirklich von der Arbeit kommen und es nicht andersrum ist. Wenn nämlich die psychischen Probleme schon da waren und jetzt nur auf die Arbeit durchschlagen, dann wird das auch bei der nächsten Stelle so sein.
Du solltest dir aber sicher sein, dass die psychischen Probleme wirklich von der Arbeit kommen und es nicht andersrum ist. Wenn nämlich die psychischen Probleme schon da waren und jetzt nur auf die Arbeit durchschlagen, dann wird das auch bei der nächsten Stelle so sein.
Vor 8 Stunden
Schließe mich meinen Vorrednern im Wesentlichen an
Ein Input wäre noch: Versuchst du dich an Perfektionismus? Eine sorgfältige Bearbeitung der Akte erfordert keinen Perfektionismus.
Oft kommt ein Stress von Überforderung, wenn man "alles richtig" machen will. Betonung auf "alles" und "richtig".
Lass ruhig auch mal die Anwälte ihren Job machen. Gute Anwälte bereiten schon viel vor. Klar schießen die auch Nebelkerzen, aber wenn du ein abgesoffenes Dezernat hast und dich ein Schriftsatz eines Anwalts überzeugt, dann prüf das kurz nach und fertig. Gerade am Amtsgericht ist es Kampf an der vordersten Front. Da muss nicht alles perfekt sein. Bist nicht der BGH, der die Leitsätze für die BRD schreibt. Hauptsache du triffst eine vertretbare / begründete Entscheidung.
Tracke mal für dich, wie lange du an jeder Akte gearbeitet hast. Wie viel Zeit der 10h-12h verwendest du wofür? Hab ne Eieruhr o.ä. und tracke alle 15 Minuten was du gerade machst für ne Woche oder zwei. Dann siehst du, wo deine Zeit hinfließt und du kannst beurteilen, ob du effektiv arbeitest.
Wenn der Stress nicht aus Perfektionismus oder ineffizienten Arbeiten stammt, sondern du Angst vor Verhandlungen hast: Erforsche deine Angst.
- Was wenn ich vor denen schlecht dastehe, weil ich xyz gemacht oder nicht gemacht habe / deren Erwartung an das Gericht nicht erfüllen kann? Ganz entspannt. Man ist Berufsanfänger. Du hast die Verhandlung gut vorbereitet. Es gilt in der ZPO der Beibringungsgrundsatz, d.h. die Anwälte und Parteien reden miteinander. Man ist nur Moderator. Gibt es eine Zeugenbefragung, dann hast du dir Fragen vorbereitet usw. Eine gute Vorbereitung gibt Sicherheit. Betonung auf "gut" genug - nicht perfekt!
- Was wenn mir jemand dumm kommt? - Ich persönlich glaube nicht, dass man Angst vor Zeugen oder Anwälten haben muss. Lies dir einmal das entsprechende Kapitel zur Sitzungspolizei durch, probe ein zwei mal vorm Spiegel, wenn dir einer dumm kommt und weiß schlicht einfach, was du tust, wenn "das Gericht" nicht respektiert wirst. Erstmal verwarnen, dann auch mal was androhen und dann auch was durchsetzen.
Daher zusammenfassend: Analysiere, wo das Problem liegt. Ansonsten eilt es dich womöglich im nächsten juristischen Job wieder ein. Als Anwalt trägt man ebenfalls Verantwortung, muss jede Woche / jeden Tag mehrere Fristen einhalten / erledigen. Jeder Fall kann theoretisch zum Haftungsfall werden. Beamte wiederum werden hoheitlich tätig. Die Ausübung von Staatsgewalt als Exekutive ist genauso bedeutend wie die Judikative. Möglicherweise erlässt du einen rechtswidrigen Verwaltungsakt #Staatshaftung, regelmäßige dienstliche Beurteilungen
-> Was ich sagen will: In (fast) jedem juristischen Job musst du mit Stress und Verantwortung umgehen können. Lerne es #Mindset, anstatt den vermeintlichen einfachen Ausweg zu wählen, um dann wieder vor dem gleichen Problem in grün zu stehen.
Es ist übrigens auch nicht deine Aufgabe, die anderen x offenen Stellen an deinem Gericht zu kompensieren. Konzentriere dich darauf, die normalen Fallzahlen zu erreichen.
Ein Input wäre noch: Versuchst du dich an Perfektionismus? Eine sorgfältige Bearbeitung der Akte erfordert keinen Perfektionismus.
Oft kommt ein Stress von Überforderung, wenn man "alles richtig" machen will. Betonung auf "alles" und "richtig".
Lass ruhig auch mal die Anwälte ihren Job machen. Gute Anwälte bereiten schon viel vor. Klar schießen die auch Nebelkerzen, aber wenn du ein abgesoffenes Dezernat hast und dich ein Schriftsatz eines Anwalts überzeugt, dann prüf das kurz nach und fertig. Gerade am Amtsgericht ist es Kampf an der vordersten Front. Da muss nicht alles perfekt sein. Bist nicht der BGH, der die Leitsätze für die BRD schreibt. Hauptsache du triffst eine vertretbare / begründete Entscheidung.
Tracke mal für dich, wie lange du an jeder Akte gearbeitet hast. Wie viel Zeit der 10h-12h verwendest du wofür? Hab ne Eieruhr o.ä. und tracke alle 15 Minuten was du gerade machst für ne Woche oder zwei. Dann siehst du, wo deine Zeit hinfließt und du kannst beurteilen, ob du effektiv arbeitest.
Wenn der Stress nicht aus Perfektionismus oder ineffizienten Arbeiten stammt, sondern du Angst vor Verhandlungen hast: Erforsche deine Angst.
- Was wenn ich vor denen schlecht dastehe, weil ich xyz gemacht oder nicht gemacht habe / deren Erwartung an das Gericht nicht erfüllen kann? Ganz entspannt. Man ist Berufsanfänger. Du hast die Verhandlung gut vorbereitet. Es gilt in der ZPO der Beibringungsgrundsatz, d.h. die Anwälte und Parteien reden miteinander. Man ist nur Moderator. Gibt es eine Zeugenbefragung, dann hast du dir Fragen vorbereitet usw. Eine gute Vorbereitung gibt Sicherheit. Betonung auf "gut" genug - nicht perfekt!
- Was wenn mir jemand dumm kommt? - Ich persönlich glaube nicht, dass man Angst vor Zeugen oder Anwälten haben muss. Lies dir einmal das entsprechende Kapitel zur Sitzungspolizei durch, probe ein zwei mal vorm Spiegel, wenn dir einer dumm kommt und weiß schlicht einfach, was du tust, wenn "das Gericht" nicht respektiert wirst. Erstmal verwarnen, dann auch mal was androhen und dann auch was durchsetzen.
Daher zusammenfassend: Analysiere, wo das Problem liegt. Ansonsten eilt es dich womöglich im nächsten juristischen Job wieder ein. Als Anwalt trägt man ebenfalls Verantwortung, muss jede Woche / jeden Tag mehrere Fristen einhalten / erledigen. Jeder Fall kann theoretisch zum Haftungsfall werden. Beamte wiederum werden hoheitlich tätig. Die Ausübung von Staatsgewalt als Exekutive ist genauso bedeutend wie die Judikative. Möglicherweise erlässt du einen rechtswidrigen Verwaltungsakt #Staatshaftung, regelmäßige dienstliche Beurteilungen
-> Was ich sagen will: In (fast) jedem juristischen Job musst du mit Stress und Verantwortung umgehen können. Lerne es #Mindset, anstatt den vermeintlichen einfachen Ausweg zu wählen, um dann wieder vor dem gleichen Problem in grün zu stehen.
Es ist übrigens auch nicht deine Aufgabe, die anderen x offenen Stellen an deinem Gericht zu kompensieren. Konzentriere dich darauf, die normalen Fallzahlen zu erreichen.