02.05.2025, 15:54
Hallo!
Ich bin seit einiger Zeit Proberichter, derzeit am LG in einer Zivilkammer. Mich beschleicht seit gewisser Zeit das Gefühl der intellektuellen Unterforderung bei zahlenmäßiger Überforderung. Die Verfahren sind (nicht alle) meist so, dass das Ergebnis rechtlich nicht besonders schwierig ist, aber eben einer ausführlichen Begründung bedarf, wenn sich die Parteien nicht vergleichen; was ja völlig in Ordnung ist. Dies unterfordert mich intellektuell. Gleichzeitig werde ich aber der schieren Verfahrensmasse nicht Herr und komme kaum hinterher, was sehr frustrierend ist. Kennt jemand aus der Justiz dieses Gefühl? Wie geht ihr damit um oder habt ihr Tipps für eine Abhilfe?
Ich bin seit einiger Zeit Proberichter, derzeit am LG in einer Zivilkammer. Mich beschleicht seit gewisser Zeit das Gefühl der intellektuellen Unterforderung bei zahlenmäßiger Überforderung. Die Verfahren sind (nicht alle) meist so, dass das Ergebnis rechtlich nicht besonders schwierig ist, aber eben einer ausführlichen Begründung bedarf, wenn sich die Parteien nicht vergleichen; was ja völlig in Ordnung ist. Dies unterfordert mich intellektuell. Gleichzeitig werde ich aber der schieren Verfahrensmasse nicht Herr und komme kaum hinterher, was sehr frustrierend ist. Kennt jemand aus der Justiz dieses Gefühl? Wie geht ihr damit um oder habt ihr Tipps für eine Abhilfe?
02.05.2025, 16:56
Nein, eigentlich nicht, außer bei Diesel und ähnlichen Massenverfahren. In individuellen Fällen fand ich meist schon das Ordnen des oft wirren Vortrags intellektuell anspruchsvoll und auch rechtlich gibt es meistens viel mehr Probleme als auf den ersten Blick gedacht.
02.05.2025, 22:03
(02.05.2025, 15:54)WennDann1 schrieb: Hallo!
Ich bin seit einiger Zeit Proberichter, derzeit am LG in einer Zivilkammer. Mich beschleicht seit gewisser Zeit das Gefühl der intellektuellen Unterforderung bei zahlenmäßiger Überforderung. Die Verfahren sind (nicht alle) meist so, dass das Ergebnis rechtlich nicht besonders schwierig ist, aber eben einer ausführlichen Begründung bedarf, wenn sich die Parteien nicht vergleichen; was ja völlig in Ordnung ist. Dies unterfordert mich intellektuell. Gleichzeitig werde ich aber der schieren Verfahrensmasse nicht Herr und komme kaum hinterher, was sehr frustrierend ist. Kennt jemand aus der Justiz dieses Gefühl? Wie geht ihr damit um oder habt ihr Tipps für eine Abhilfe?
Mit zunehmender Erfahrung fällt mir eigentlich eher auf, dass ich früher rechtliche Schwierigkeiten und Probleme auch schlicht übersehen habe :D mach vielleicht auch mal einen Schritt zurück und überprüfe selbst, ob du dich hinreichend tief in die Fälle einliest. Ich habe keine Ahnung an was für einem LG du bist, aber als ich als ProRi auch am LG war, waren da genug rechtlich anspruchsvolle Fälle dabei und nicht nur Gewährleistungsfälle bei Gebrauchtwagen (allerdings Großstadt, vielleicht ist an ländlichen LGs alles ein wenig schlichter).
Ansonsten ist "Verfahrensmasse" auch ein relativer Begriff. Geht es um die hohe Zahl an Eingängen oder den Bestand? Oder beides?
04.05.2025, 08:06
Danke für eure Antworten. Die Fälle haben durchaus rechtliche Probleme, ja. Aber meistens scheitert es schon an anderer Stelle, sodass man zu diesen dicken Bretten gar nicht kommt. Wäre eventuell ein Wechsel in die Fachgerichtsbarkeit (VG) sinnvoll? Oder große Strafkammer?
04.05.2025, 09:35
(04.05.2025, 08:06)WennDann1 schrieb: Danke für eure Antworten. Die Fälle haben durchaus rechtliche Probleme, ja. Aber meistens scheitert es schon an anderer Stelle, sodass man zu diesen dicken Bretten gar nicht kommt. Wäre eventuell ein Wechsel in die Fachgerichtsbarkeit (VG) sinnvoll? Oder große Strafkammer?
Wenn dich die Zivilkammer bereits rechtlich so unterfordert, dann ist eine große Strafkammer erst recht nichts für dich, weil da die Probleme eher tatsächlicher und weniger rechtlicher Art sind. Für das VG kann ich nicht sprechen.
04.05.2025, 10:32
Am VG turnt man natürlich auch nicht jeden Tag am juristischen Hochreck. Dafür sorgen alleine schon die immer noch massenhaften Asylverfahren. Die Kunst besteht auch hier darin, die Masse von kleineren Sachen schnell wegzuerledigen, um genügend Zeit für die grösseren Brocken zu haben, die es natürlich auch gibt. Da hilft dann eine mit der Zeit wachsende Sammlung mit Vorstücken, um nicht jedes Mal das Rad neu erfinden zu müssen.
Irgendwann können einen die schiere Masse an unproblematischen Fällen und das Gefühl, dass sich so vieles wiederholt, aber auch ermüden. Dann sollte man - je nach Leidensdruck - die Kammer wechseln oder eine andere Verwendung (zB durch eine Abordnung) anstreben.
Irgendwann können einen die schiere Masse an unproblematischen Fällen und das Gefühl, dass sich so vieles wiederholt, aber auch ermüden. Dann sollte man - je nach Leidensdruck - die Kammer wechseln oder eine andere Verwendung (zB durch eine Abordnung) anstreben.
04.05.2025, 14:40
Selbst der BGH hat mit massenhaft Nichtzulassungsbeschwerden nicht nur großes Jura. Ich fürchte, da musst Du dich mit abfinden. Oder das Präsidium überreden, Dir eine knifflige Spezialmaterie zuzuweisen, in der es weniger, aber dafür nur ganz schwierige Fälle gibt...
05.05.2025, 06:39
Mir geht es genauso. Die allermeisten Fälle finde ich trivial/langweilig, dafür gibt es einfach sehr viele davon. Daraus (und aus weiterem) habe ich jetzt für mich die Konsequenz gezogen, nach anderen Jobs zu suchen, nachdem ich ein paar Jahre Richter war..
06.05.2025, 08:08
Ich denke in den nächsten 1-2 Jahren werden viele Gerichts KI/LLM-Tools einführen. Je nach Budget und Einsatz wird es da bestimmt zwischen den Ländern und Bezirken unterschiede geben; insgesamt bin ich allerdings relativ zuversichtlich, dass in Justiz und Verwaltung diesbezüglich einiges passieren wird. Ich kann mir also gut vorstellen, dass aus rechtlicher und tatsächlicher Sicht zukünftig viele Akten schneller und effizienter bearbeitet werden, sodass der Richter noch intensiver den Fokus auf die "Brocken" legen können wird.
Wie sich das auf die Einstellungssituation für den Richterberuf auswirken wird, ist dann natürlich eine andere Frage.
Wie sich das auf die Einstellungssituation für den Richterberuf auswirken wird, ist dann natürlich eine andere Frage.