02.04.2025, 21:08
Wobei der Streit von 15 und 8,8 um die eine Stelle etwas konstruiert ist: meistens stellt ein Bundesland mehr als eine Person ein... Zurück zum Anfang: ob 8,8 oder 9 ist egal, wenn es keine starre Notengrenze gibt. So oder so eine sehr respektable Leistung, und der Leistungsunterschied wird im Alltag nicht messbar sein.
02.04.2025, 21:30
(02.04.2025, 13:06)Jellinek schrieb:(02.04.2025, 12:55)marls schrieb: Ich hoffe sehr, dass die Kommission Richter nicht anhand persönlicher Sympathien einstellt. Das wären nun wirklich sachwidrige Erwägungen, wie sie im (Lehr)Buche stehen. Ein "Nerd" zu sein ist kein Negativkriterium charakterlicher Eignung, ebenso wenig wie die Liebe zur Bundesliga ein Kriterium sein darf.
Dann irrst Du aber gewaltig. Ich habe beruflich selbst mal in einer Personalabteilung im öffentlichen Dienst gearbeitet. Natürlich ist es ein Negativkriterium charakterlicher Eignung, wenn jemand keine ausreichenden Soft Skills hat oder insgesamt "nerdig" und damit sonderbar wirkt. Aus diesem Grunde, dass wir sie nicht für teamfähig oder anderweitig menschlich ungeeignet befunden haben, haben wir auch immer wieder Leute abgelehnt. Es ist Kernanforderung an einen Richter, menschlich verträglich zu sein, sowohl als Kollege als auch im Kontakt mit dem Bürger - er soll schließlich Streitigkeiten entscheiden, und im besten Fall zur Zufriedenheit aller Parteien. Das hat dann nichts mit "Sympathien" zu tun, sondern mit zwischenmenschlichen Fähigkeiten. Wenn nur die Note entscheiden würde, bräuchte man schließlich auch kein Assessment Center oder Einstellungsinterviews, dann kann man einfach ne Reihung nach eingereichten Noten machen und gut ist.
Um da mal das OLG Celle zu zitieren hinsichtlich der Anforderungen:
"Mindestvoraussetzung für die Einladung zu einem Einstellungsinterview sind grundsätzlich 8,00 Punkte in der zweiten juristischen Staatsprüfung.
[...]
Das Einstellungsinterview enthält keine fachliche Prüfung. Gegenstand des Interviews sind vielmehr folgende Eigenschaften und Fähigkeiten:
- Leistungsbereitschaft und Belastbarkeit
- Identifikation mit dem Auftrag der Justiz
- Fähigkeit zum Verhandeln und Ausgleich
- Konflikt- und Entschlussfähigkeit
- Kooperationsfähigkeit
- Soziales Verständnis
- Gerechtigkeitssinn
- Verantwortungsbewusste Machtausübung"
Das sind alles Soft Skills.
P.S.: Kleine Ergänzung noch: Das ist laut § 9 Nr. 4 DRiG sogar ein K.O.-Kriterium:
"In das Richterverhältnis darf nur berufen werden, wer
[...]
4. über die erforderliche soziale Kompetenz verfügt."
Alles nicht falsch, aber das Problem dieser "Soft Skills" ist, dass ihr Vorhandensein in einem Interview oder in der Labor-Situation eines AC kaum zuverlässig geprüft werden kann. Schon gar nicht, wenn es sich um Quatsch-Kriterien handelt wie den "Gerechtigkeitssinn". Daher liegt man sicherlich nicht ganz falsch, wenn man vermutet, dass die Personalauswahl mittels solcher Skill-Kataloge unter der Hand dann doch nach Sympathie oder dem (gut erforschten) psychologischen Ähnlichkeitsprinzip erfolgt. Das Nachsehen haben diejenigen, die sich weniger gut verkaufen können. Ob das die schlechteren Richter usw. sind, sei dahingestellt.
Wer sich genauer informieren möchte, wie (bei gleicher formaler Qualifikation!) vorwiegend solche Berufsträger Karriere machen, die die einschlägigen "Codes" besser beherrschen, mag z. B. nach den Arbeiten des Soziologen Michael Hartmann googeln.
03.04.2025, 07:22
(02.04.2025, 21:08)Praktiker schrieb: Wobei der Streit von 15 und 8,8 um die eine Stelle etwas konstruiert ist: meistens stellt ein Bundesland mehr als eine Person ein... Zurück zum Anfang: ob 8,8 oder 9 ist egal, wenn es keine starre Notengrenze gibt. So oder so eine sehr respektable Leistung, und der Leistungsunterschied wird im Alltag nicht messbar sein.
Sofern 9,0 gegenüber 8,8 überhaupt einen faktischen Leistungsunterschied bezeugen kann.
03.04.2025, 16:45
(03.04.2025, 07:22)JuraHassLiebe schrieb:(02.04.2025, 21:08)Praktiker schrieb: Wobei der Streit von 15 und 8,8 um die eine Stelle etwas konstruiert ist: meistens stellt ein Bundesland mehr als eine Person ein... Zurück zum Anfang: ob 8,8 oder 9 ist egal, wenn es keine starre Notengrenze gibt. So oder so eine sehr respektable Leistung, und der Leistungsunterschied wird im Alltag nicht messbar sein.
Sofern 9,0 gegenüber 8,8 überhaupt einen faktischen Leistungsunterschied bezeugen kann.
Aber klar doch. Der ist in der Praxis nur schwerer erkennbar als in der Prüfungssituation

03.04.2025, 20:44
(02.04.2025, 21:30)Lucille schrieb: Alles nicht falsch, aber das Problem dieser "Soft Skills" ist, dass ihr Vorhandensein in einem Interview oder in der Labor-Situation eines AC kaum zuverlässig geprüft werden kann. Schon gar nicht, wenn es sich um Quatsch-Kriterien handelt wie den "Gerechtigkeitssinn". Daher liegt man sicherlich nicht ganz falsch, wenn man vermutet, dass die Personalauswahl mittels solcher Skill-Kataloge unter der Hand dann doch nach Sympathie oder dem (gut erforschten) psychologischen Ähnlichkeitsprinzip erfolgt. Das Nachsehen haben diejenigen, die sich weniger gut verkaufen können. Ob das die schlechteren Richter usw. sind, sei dahingestellt.
Wer sich genauer informieren möchte, wie (bei gleicher formaler Qualifikation!) vorwiegend solche Berufsträger Karriere machen, die die einschlägigen "Codes" besser beherrschen, mag z. B. nach den Arbeiten des Soziologen Michael Hartmann googeln.
Gebe ich unumwunden zu, dass natürlich ein solches Bewerbungsverfahren niemals wirklich objektiv messbar fair ist. Aber solange es keine perfekte KI gibt, die das löst (und selbst KIs erweisen sich ja offenbar als bias-behaftet), ist das offenbar ein leider hinzunehmender Mangelzustand...
09.04.2025, 22:32
In diesem Kontext erinnere ich mich gerne an meinen Richter in der Zivilstation, welcher Mitglied des Richterwahlausschusses des Landes war. Dieser sagte mir auf meine Frage, ob er in meinem Zeugnis (Note war dafür ausreichend gut) schreiben wird, dass ich sozial geeignet für die Justiz bin folgendes: Richter wird wer die besten Noten hat, nicht bei dem so ein Quatsch im Zeugnis steht… kannste dir vorstellen wie die ticken. Und in dem Beispiel oben würden die den Kandidaten mit 15p nehmen. Garantiert. Alleine wegen Art.33 GG und weil Sie es geil finden…
10.04.2025, 17:41
(09.04.2025, 22:32)ForumBenutzer schrieb: In diesem Kontext erinnere ich mich gerne an meinen Richter in der Zivilstation, welcher Mitglied des Richterwahlausschusses des Landes war. Dieser sagte mir auf meine Frage, ob er in meinem Zeugnis (Note war dafür ausreichend gut) schreiben wird, dass ich sozial geeignet für die Justiz bin folgendes: Richter wird wer die besten Noten hat, nicht bei dem so ein Quatsch im Zeugnis steht… kannste dir vorstellen wie die ticken. Und in dem Beispiel oben würden die den Kandidaten mit 15p nehmen. Garantiert. Alleine wegen Art.33 GG und weil Sie es geil finden…
Ich würde das nicht so pauschalisieren, zumal es auch nicht in allen Ländern Richterwahlausschüsse gibt, die ja nun wirklich Tür und Tor für Willkür öffnen. Und wenn diejenigen Art. 33 II GG richtig lesen (würden), dann steht da ja sogar die Eignung (der Mensch) vor der Befähigung (die Note)... (fachliche Leistung kann ein Berufsanfänger noch nicht mal nachweisen)
Aber ich verstehe, worauf Du hinaus willst.
10.04.2025, 21:30
(10.04.2025, 17:41)Jellinek schrieb:(09.04.2025, 22:32)ForumBenutzer schrieb: In diesem Kontext erinnere ich mich gerne an meinen Richter in der Zivilstation, welcher Mitglied des Richterwahlausschusses des Landes war. Dieser sagte mir auf meine Frage, ob er in meinem Zeugnis (Note war dafür ausreichend gut) schreiben wird, dass ich sozial geeignet für die Justiz bin folgendes: Richter wird wer die besten Noten hat, nicht bei dem so ein Quatsch im Zeugnis steht… kannste dir vorstellen wie die ticken. Und in dem Beispiel oben würden die den Kandidaten mit 15p nehmen. Garantiert. Alleine wegen Art.33 GG und weil Sie es geil finden…
Ich würde das nicht so pauschalisieren, zumal es auch nicht in allen Ländern Richterwahlausschüsse gibt, die ja nun wirklich Tür und Tor für Willkür öffnen. Und wenn diejenigen Art. 33 II GG richtig lesen (würden), dann steht da ja sogar die Eignung (der Mensch) vor der Befähigung (die Note)... (fachliche Leistung kann ein Berufsanfänger noch nicht mal nachweisen)
Aber ich verstehe, worauf Du hinaus willst.
Statt Quatsch-Jura zu schreiben vielleicht ma zB
BVerfG, Beschl. v. 26. 11. 2010 − 2 BvR 2435/10 lesen. Oder kannst du näher begründen, woher in Gesetzen eine Reihenfolge genannter Merkmale auch deren Rangfolge hergibt?
Was an einem RiWa gegenüber einem reinen exekutiven Auswahlgremium aus Ministeriums-Beamten willküranfälliger sein soll, erschließt sich auch nicht.
Im Übrigen werden in meinem BL definitiv auch Bewerber mit höheren Noten nach dem Auswahlgespräch mangels Eignung abgelehnt und stattdessen geeignetere und ebenfalls - wenn auch etwas weniger - befähigte Bewerber eingestellt.
PS: dass die Auswahlverfahren - ob nun Justiz, Beamtenstellen oder in der freien Wirtschaft weder transparent noch perfekt sind, bestreite ich damit nicht
11.04.2025, 14:44
(10.04.2025, 21:30)DRi1 schrieb: Statt Quatsch-Jura zu schreiben vielleicht ma zB
BVerfG, Beschl. v. 26. 11. 2010 − 2 BvR 2435/10 lesen. Oder kannst du näher begründen, woher in Gesetzen eine Reihenfolge genannter Merkmale auch deren Rangfolge hergibt?
Was an einem RiWa gegenüber einem reinen exekutiven Auswahlgremium aus Ministeriums-Beamten willküranfälliger sein soll, erschließt sich auch nicht.
Quatsch-Jura? Wie Du in der von Dir zitierten Entscheidung lesen kannst, gibt es sehr wohl eine unterschiedliche Gewichtung zwischen den drei Punkten abhängig vom jeweils zu besetzenden Amt, und im Übrigen ging es hier doch um den berichteten Fall, dass einem Mitglied des RWA der Befund zur charakterlichen Eignung egal gewesen sei. Und wer Art. 33 II GG nun mal liest, wird feststellen, dass an erster Stelle die Eignung kommt. Das ist keine behauptete pauschale Priorität, sondern der Hinweis darauf, dass ein Mitglied eines Richterwahlausschusses mit einem Verweis auf Art. 33 II GG als erstes die Eignung zu lesen bekommen sollte und daher die Begründung "Aber der hat ja so und so viele Punkte" schlicht fehlerhaft ist.
Und die Kritik zu Richterwahlausschüssen bzgl. der Gewaltenteilung soll ich hier bitte nicht wirklich noch groß und breit eruieren...? Die kann man ja sogar im Wikipedia-Artikel dazu nachlesen, mal abgesehen davon, dass man gerade im Osten angesichts der AfD sieht, dass sie eben nicht funktionieren, sondern politisch instrumentalisiert zu werden drohen. Da ist ja selbst ein rein exekutives Beamten-Auswahlgremium, das nun auch nicht überall so pauschal der Fall ist, besser...
(10.04.2025, 21:30)DRi1 schrieb: Im Übrigen werden in meinem BL definitiv auch Bewerber mit höheren Noten nach dem Auswahlgespräch mangels Eignung abgelehnt und stattdessen geeignetere und ebenfalls - wenn auch etwas weniger - befähigte Bewerber eingestellt.
PS: dass die Auswahlverfahren - ob nun Justiz, Beamtenstellen oder in der freien Wirtschaft weder transparent noch perfekt sind, bestreite ich damit nicht
Dann sind wir uns doch einig?
11.04.2025, 16:50
Dann habe ich dich ggfs. missverstanden, es wirkte auf mich als ob du es in eine Rangfolge setzen wolltest. Ob es fehlerhaft ist, bei einer (aus der Sicht der Person angesichts der Noten) bereits angesichts der Gewichtigung für das Amt fehlenden Befähigung die Eignung nicht mehr zu würdigen ist ja nochmal eine andere Frage. Es sind kumulative Merkmale, die aber je nach Amt im unterschiedlichen Maße vorliegen bzw. erreicht sein müssen. Wenn aber eines der Merkmale nicht erreicht wird, dann kann das auch nicht durch besondere Eignung ieS ausgeglichen werden.
;) ein AfD-Justizministerium wäre in manchen Bundesländern natürlich schon im Vorfeld etwas hinderlicher als ein RiWa.
;) ein AfD-Justizministerium wäre in manchen Bundesländern natürlich schon im Vorfeld etwas hinderlicher als ein RiWa.