03.09.2024, 21:07
Ist es nur ein Gefühl, oder gibt es gerade bei "durchschnittlichen" Job-Angeboten eine deutlich höhere Nachfrage und deshalb viele Absagen ohne überhaupt zum Vorstellungsgespräch eingeladen worden zu sein, insbesondere im groß-städtischen Bereich in Süddeutschland?
Eigentlich würde man ja denken, dass Fachkräftemangel und weniger Absolventen weiterhin einen Arbeitnehmermarkt darstellen, auch mit "durchschnittlichen" Noten.
Eigentlich würde man ja denken, dass Fachkräftemangel und weniger Absolventen weiterhin einen Arbeitnehmermarkt darstellen, auch mit "durchschnittlichen" Noten.
04.09.2024, 08:23
Fachkräftemängel auf der einen und Wirtschaftsabschwung + Automatisierung von Arbeitsabläufen auf der anderen Seite sind gegenläufige Entwicklungen (die sich ja auch ausgleichen können...).
04.09.2024, 08:45
Was sind denn "durchschnittliche Jobangebote"? In Richtung Unternehmen: Vielen Industriesektoren geht es seit ein paar Jahren nicht besonders gut und viele bauen gerade Stellen ab bzw. planen das in Zukunft zu tun. Zusätzlich ist man sich auch über den demografischen Wandel/Fachkräftemangel klar und überlegt natürlich, wie man gewisse Prozesse automatisieren oder ins Ausland verlegen kann. In Richtung Kanzleien: geht es den Mandanten nicht gut, sparen sie natürlich auch an externer juristischer Beratung, so weit es geht. Gerade aber Bereiche wie Restrukturierung, Corporate und M&A sind in wirtschaftlichen Krisen trotzdem noch häufig gut ausgelastet. Zu Beidem: Einigermaßen spezialisierte Juristen werden immer noch gut gesucht.
04.09.2024, 09:22
Sehe ich auch so. Viele Unternehmen stellen wohl zurückhaltender ein. Dafür suchen die Kanzleien und auch die öffentliche Dienst und die immer weiter sinkende Zahl von Absolventen bei gleichzeitig hoher Zahl von ausscheidenden Kollegen führt zu einem richtigen Bewerbermarkt.
04.09.2024, 09:59
ich kann jetzt nur aus Sicht eines Unternehmens (Versicherung) sprechen. Wir suchen weiterhin Juristen, aber wir stellen fest, dass sich der Bewerbermarkt verändert. Das meine ich jetzt nicht unbedingt quantitativ, sondern eher in die Richtung, was nachgefragt wird. Unser "Brot und Bittergeschäft" Schadensachbearbeitung ist inzwischen recht schwer zu besetzen. Da hatten wir vor 5 Jahren noch eine völlig andere Situation und haben recht einfach rekrutiert. Es handelt sich dort um Stellen im Tarifbereich und Schadenregulierung ist in der Masse eher eintönig (zumindest meine Einschätzung). Dort bekommen wir nun Schwierigkeiten. Es bewerben sich weiterhin genug Juristen, aber die streben eher Richtung Konzernrechtsabteilung, Compliancen, Datenschutz, Geldwäsche, Arbeitsrecht..... Da zahlen wir tendenziell mehr, ggf. auch außertariflich und die Jobs sind sicher auch abwechslungsreicher. Da können wir tatsächlich weiterhin sehr gut auswählen. Wir sehen dort auch verstärkt Bewerber mit sehr hohen Durchschnitten, die sich bewusst gegen GK entscheiden. Aus dem Segment kommen auch mehr Kandidaten mit Berufserfahrung als früher. Das ist eher ein neuer Trend. Ich kann es noch nicht ganz in KPIs festmachen, aber bei diesen interessanteren Stelen ist auch spürbar, dass Kandidaten eher zu Abstrichen bei der Vergütung bereit sind. Treiber scheint also nicht unbedingt der höhere Verdienst zu sein, sondern der abwechslungsreiche Job.
Das macht für einzelne Stellen den Markt enger. Vielleicht kommt daher die Wahrnehmung, dass der Markt enger wird.
Das macht für einzelne Stellen den Markt enger. Vielleicht kommt daher die Wahrnehmung, dass der Markt enger wird.
04.09.2024, 10:07
Es ist im Übrigen auch zu bedenken, dass auch wenn der Markt grundsätzlich Bedarf an einer bestimmten Fachkraft hat, ggf. auch in erhöhtem Maße, dann verteilt sich das nicht automatisch homogen über ganz Deutschland. Vielmehr sind die meisten Stellen auf bestimmte Standorte konzentriert (insb. FFM, Muc, Dus für Kanzleien / ggf. einzelne andere Standorte für Unternehmen wie Essen etc).
Für den öffentlichen Dienst dann eben vorwiegend Berlin, Bonn, die Landeshauptstädte und ggf. Standorte größerer Bundesoberbehörden/BW (Koblenz, Köln). Keinesfalls kann man aber davon ausgehen, dass nur weil bestimmte Arbeitgeber einen erhöhten Einstellungsbedarf haben, man entsprechend überall eine Stelle findet. Zeichen eines guten Bewerbermarktes ist es vielmehr, dass man auch mit nicht überdurchschnittlicher Qualifikation zu angemessenen Konditionen (zeitnah) eingestellt werden kann. Die dazu notwendige örtliche Mobilität widerspricht dem grundsätzlich nicht. In den 00er-Jahren war es ggf. auch trotz überdurchschnittlicher Qualifikation nicht selbstverständlich (zeitnah) eine Einstellung zu erhalten.
Freilich ist der Markt nicht derart heiß wie '21 mit dem post-Pandemie-boom. Das heißt aber nicht, dass er jetzt prinzipiell schlecht ist, sondern vielmehr war '21 bzw. prä-Ukraine eine außergewöhnliche Situation durch das Wiederanlaufen der weltweiten Wirtschaft nach in Teilen vollständigem Stillstand in '20.
Für den öffentlichen Dienst dann eben vorwiegend Berlin, Bonn, die Landeshauptstädte und ggf. Standorte größerer Bundesoberbehörden/BW (Koblenz, Köln). Keinesfalls kann man aber davon ausgehen, dass nur weil bestimmte Arbeitgeber einen erhöhten Einstellungsbedarf haben, man entsprechend überall eine Stelle findet. Zeichen eines guten Bewerbermarktes ist es vielmehr, dass man auch mit nicht überdurchschnittlicher Qualifikation zu angemessenen Konditionen (zeitnah) eingestellt werden kann. Die dazu notwendige örtliche Mobilität widerspricht dem grundsätzlich nicht. In den 00er-Jahren war es ggf. auch trotz überdurchschnittlicher Qualifikation nicht selbstverständlich (zeitnah) eine Einstellung zu erhalten.
Freilich ist der Markt nicht derart heiß wie '21 mit dem post-Pandemie-boom. Das heißt aber nicht, dass er jetzt prinzipiell schlecht ist, sondern vielmehr war '21 bzw. prä-Ukraine eine außergewöhnliche Situation durch das Wiederanlaufen der weltweiten Wirtschaft nach in Teilen vollständigem Stillstand in '20.
04.09.2024, 10:15
(04.09.2024, 08:45)Ex-GK schrieb: Was sind denn "durchschnittliche Jobangebote"? In Richtung Unternehmen: Vielen Industriesektoren geht es seit ein paar Jahren nicht besonders gut und viele bauen gerade Stellen ab bzw. planen das in Zukunft zu tun. Zusätzlich ist man sich auch über den demografischen Wandel/Fachkräftemangel klar und überlegt natürlich, wie man gewisse Prozesse automatisieren oder ins Ausland verlegen kann. In Richtung Kanzleien: geht es den Mandanten nicht gut, sparen sie natürlich auch an externer juristischer Beratung, so weit es geht. Gerade aber Bereiche wie Restrukturierung, Corporate und M&A sind in wirtschaftlichen Krisen trotzdem noch häufig gut ausgelastet. Zu Beidem: Einigermaßen spezialisierte Juristen werden immer noch gut gesucht.
Naja, ich habe gerade eine Absage einer deutschen Kanzlei (mittelgroß bis GK) für den Bereich Corporate / M&A / PE in FFM bekommen mit 2x hohen Befriegend (beides deutlich über 8) plus LLM.
Das mag jetzt noch nicht repräsentativ sein, aber gewundert hat mich die Absage per E-Mail schon. Klar, wenn keine Stelle zurzeit da ist, ist keine da. Aber aus meiner Sicht sind auch eher wenig Stellen ausgeschrieben in diesem Bereich. Also der Freifahrtschein ist das Rechtsgebiet (wohl) nicht mehr.
04.09.2024, 11:55
Ich kann das nicht belegen, aber ich habe das Gefühl, dass es auch schon früher normal war, viele Bewerbungen zu schreiben. Dass derzeit soviel vom Bewerbermarkt gesprochen wird, lässt da vielleicht teils überhöhte Vorstellungen entstehen.
Gerade wenn man nicht herausragende Qualifikation hat, ist es aus meiner Sicht durchaus normal zig Bewerbungen zu schreiben. Andere machen das ja genauso und am Ende klappt es irgendwo.
Ist aber wie gesagt nur mein Bauchgefühl, hard facts kann ich nicht beisteuern.
Gerade wenn man nicht herausragende Qualifikation hat, ist es aus meiner Sicht durchaus normal zig Bewerbungen zu schreiben. Andere machen das ja genauso und am Ende klappt es irgendwo.
Ist aber wie gesagt nur mein Bauchgefühl, hard facts kann ich nicht beisteuern.
04.09.2024, 12:14
(04.09.2024, 12:08)nachdenklich schrieb:Es gibt wirklich kein einziges Unternehmen, was zum aktuellen Zeitpunkt sagt "Nein, wir stellen jetzt keinen Juristen ein, das macht die KI."(04.09.2024, 11:55)Paul Klee schrieb: Ich kann das nicht belegen, aber ich habe das Gefühl, dass es auch schon früher normal war, viele Bewerbungen zu schreiben. Dass derzeit soviel vom Bewerbermarkt gesprochen wird, lässt da vielleicht teils überhöhte Vorstellungen entstehen.
Gerade wenn man nicht herausragende Qualifikation hat, ist es aus meiner Sicht durchaus normal zig Bewerbungen zu schreiben. Andere machen das ja genauso und am Ende klappt es irgendwo.
Ist aber wie gesagt nur mein Bauchgefühl, hard facts kann ich nicht beisteuern.
Das ist richtig. Nur stellen über 8000 Absolventen jedes Jahr einen Überschuss für den Arbeitsmarkt dar, der bisher nur durch eigene Kanzleigründung oder fehlende DIgitalisierung halbwegs absorbiert werden konnte (ferner viel Teilzeit bei Frauen).
Viele Unternehmen starten allerdings gerade im KI-Bereich durch. Das Potential Kosten zu reduzieren ist durch Automatisierung/KI gerade im Legal-Bereich besonders hoch.
Man darf auch nicht vergessen, dass viele Rechtsanwälte gerne noch weiter über 65 Jahren aktiv weiter arbeiten und auch pensionierte Beamte/Richter/StA noch in den Anwaltsberuf wechseln.
Des Weiteren: nur weil dort "2x befr oder min 13 Pkt" bedeutet dies nicht, dass sich auch nur ausschließlich Kandidaten in diesen Notenbereichen dort bewerben.
Es wird gespart ohne Ende und im Zweifelsfall entscheiden sich Unternehmen aktuell eher dafür, dass sie den Druck auf bestehende Mitarbeiter erhöhen anstatt zusätzliches Personal einzustellen. Das hat aber nichts mit KI zu tun.
04.09.2024, 12:35
Den Eindruck habe ich ehrlich gesagt auch; habe trotz zwei zweistelliger Examen schon einige Absagen kassiert, nicht mal die Chance auf ein Vorstellungsgespräch bekommen, und das bei Kanzleien, denen man im Forum nachsagte schon Leute ab 7+ zu nehmen



