18.04.2024, 09:11
Hallo zusammen!
Ich bin fast seit 2 Jahren angestellter Rechtsanwalt in einer mittelständischen internationalen Wirtschaftskanzlei. Schwerpunktmäßig bin ich im Bank- und Kapitalmarktrecht tätig.
Bei Berufseinstieg dachte ich: "Oh Gott, total kompliziertes Themengebiet, da blicke ich nie durch." Tatsächlich muss ich nach knapp 2 Jahren die ernüchterne Bilanz ziehen, dass ich in meinem 40 Stunden Vollzeitjob maximal 8 Stunden die Woche wirklich arbeite und den Rest der Zeit so tue als ob. Dazu kommt, dass ich ständig nur das gleiche tue und mich so null weiterentwickle. Es gibt tatsächlich Wochen - diese ist wieder so eine - in der ich überhaupt nichts zu tun habe. Das schlägt sich natürlich auch in der Zeiterfassung nieder.
Für mich auch völlig unverständlich: Anstatt, dass mir die Partner oder zumindest der Partner, für den ich arbeite, Akten auf den Tisch legen, ist es wohl gewollt (?), dass man jede Woche an den Büros klopft und quasi um Arbeit "bettelt". Das erscheint mir äußerst merkwürdig. Ist das in Kanzleien so üblich? Ich bin immer davon ausgegangen, dass ein Arbeitgeber einem Arbeitnehmer Arbeit zuweist. Meistens hört man ja immer nur, dass die Kollegen so gestresst und überbelastet sind. Tatsächlich habe ich ab und zu an die Büros der Partner geklopft, wurde dann aber mit der Begründung weggeschickt, es gäbe momentan nichts oder Delegieren sei in dieser Sache zeitintensiver als es einfach selbst zu machen. Das fand ich schon ne krasse Ansage!
Ich weiß manchmal nicht so richtig, wie ich mich verhalten soll. Soll ich tatsächlich um Arbeit betteln? Von Kollegen habe ich sowas noch nie gehört. Grds. ist deren Bürtotisch immer mit Aktenstapeln überladen, und das ohne, dass sie darum bitten mussten. Ich ärgere mich darüber sehr, da ich tatsächlich sehr motiviert ins BErufsleben gestartet bin, aber einfach nichts lerne und mich nicht weiterentwickle. Den Fachanwalt hätte ich gerne gemacht. Da wir aber kaum FÄlle in diesem Gebiet haben, kann ich das gleich vergessen... Ich frage mich oft, wieso ich überhaupt eingestellt wurde. Ein anderer Kollege in der Kanzlei, der bereits seit 10 Jahren dabei ist, hat auch eher selten was zu tun (das sieht man in der Zeiterfassung). Den scheint es aber nicht zu stören.
Ich bin bereits seit einigen Monaten auf Jobsuche und möchte so schnell wie möglich da weg. Das Nichtstun macht mich wahnsinnig. Und ständig muss man ja dann auch noch faken, dass man iwas tut....
Ich hoffe, es ist in anderen Kanzleien anders.
Wie ist eure Erfahrung als Berufseinsteiger so? Bin ich wirklich der Einzige, der so stark unterfordert ist?
Viele Grüße!
Ich bin fast seit 2 Jahren angestellter Rechtsanwalt in einer mittelständischen internationalen Wirtschaftskanzlei. Schwerpunktmäßig bin ich im Bank- und Kapitalmarktrecht tätig.
Bei Berufseinstieg dachte ich: "Oh Gott, total kompliziertes Themengebiet, da blicke ich nie durch." Tatsächlich muss ich nach knapp 2 Jahren die ernüchterne Bilanz ziehen, dass ich in meinem 40 Stunden Vollzeitjob maximal 8 Stunden die Woche wirklich arbeite und den Rest der Zeit so tue als ob. Dazu kommt, dass ich ständig nur das gleiche tue und mich so null weiterentwickle. Es gibt tatsächlich Wochen - diese ist wieder so eine - in der ich überhaupt nichts zu tun habe. Das schlägt sich natürlich auch in der Zeiterfassung nieder.
Für mich auch völlig unverständlich: Anstatt, dass mir die Partner oder zumindest der Partner, für den ich arbeite, Akten auf den Tisch legen, ist es wohl gewollt (?), dass man jede Woche an den Büros klopft und quasi um Arbeit "bettelt". Das erscheint mir äußerst merkwürdig. Ist das in Kanzleien so üblich? Ich bin immer davon ausgegangen, dass ein Arbeitgeber einem Arbeitnehmer Arbeit zuweist. Meistens hört man ja immer nur, dass die Kollegen so gestresst und überbelastet sind. Tatsächlich habe ich ab und zu an die Büros der Partner geklopft, wurde dann aber mit der Begründung weggeschickt, es gäbe momentan nichts oder Delegieren sei in dieser Sache zeitintensiver als es einfach selbst zu machen. Das fand ich schon ne krasse Ansage!
Ich weiß manchmal nicht so richtig, wie ich mich verhalten soll. Soll ich tatsächlich um Arbeit betteln? Von Kollegen habe ich sowas noch nie gehört. Grds. ist deren Bürtotisch immer mit Aktenstapeln überladen, und das ohne, dass sie darum bitten mussten. Ich ärgere mich darüber sehr, da ich tatsächlich sehr motiviert ins BErufsleben gestartet bin, aber einfach nichts lerne und mich nicht weiterentwickle. Den Fachanwalt hätte ich gerne gemacht. Da wir aber kaum FÄlle in diesem Gebiet haben, kann ich das gleich vergessen... Ich frage mich oft, wieso ich überhaupt eingestellt wurde. Ein anderer Kollege in der Kanzlei, der bereits seit 10 Jahren dabei ist, hat auch eher selten was zu tun (das sieht man in der Zeiterfassung). Den scheint es aber nicht zu stören.
Ich bin bereits seit einigen Monaten auf Jobsuche und möchte so schnell wie möglich da weg. Das Nichtstun macht mich wahnsinnig. Und ständig muss man ja dann auch noch faken, dass man iwas tut....

Wie ist eure Erfahrung als Berufseinsteiger so? Bin ich wirklich der Einzige, der so stark unterfordert ist?
Viele Grüße!
18.04.2024, 09:22
Wieso musst du faken? Das bringt doch gar nichts. Umsatz und Billables sind sichtbar für die Partner.
18.04.2024, 09:42
Im Referendariat hatte ich sowas auch in der Großkanzlei. Absolut nichts zu tun und wenn man alle 2-3 Tage die Runde machte, ob jemand eine Aufgabe hat, kam man in der Mehrzahl der Fälle mit leeren Händen zurück. Mein eigentlich zugewiesener Ausbilder hatte (aus durchaus nachvollziehbaren Gründen) keine Zeit, der Rest keine Lust.
Ich hab mich dann mit meinem fürstlichen Gehalt getröstet, das Internet rauf und runter gelesen, Jus und andere Zeitschriften durchgeblättert und ab und an aus Langeweile anderen hoch belasteten Referendaren bei ihren Aufgaben geholfen. Abends bin ich so früh weg, wie irgendwie vertretbar und habe am Ende der Zeit allen Urlaub genommen. Heute würde ich versuchen, noch Homeoffice rauszuschlagen, um nicht so viel sinnlos da rumzusitzen. Das Gute war, dass ein Ende absehbar war, denn auf Dauer hätte ich das auch nicht ausgehalten, so dass ich total verstehe, dass Du Dich woanders bewirbst und nach 2 Jahren guckt auch niemand blöd, dass Du die Stelle wechselst.
Ich hab mich dann mit meinem fürstlichen Gehalt getröstet, das Internet rauf und runter gelesen, Jus und andere Zeitschriften durchgeblättert und ab und an aus Langeweile anderen hoch belasteten Referendaren bei ihren Aufgaben geholfen. Abends bin ich so früh weg, wie irgendwie vertretbar und habe am Ende der Zeit allen Urlaub genommen. Heute würde ich versuchen, noch Homeoffice rauszuschlagen, um nicht so viel sinnlos da rumzusitzen. Das Gute war, dass ein Ende absehbar war, denn auf Dauer hätte ich das auch nicht ausgehalten, so dass ich total verstehe, dass Du Dich woanders bewirbst und nach 2 Jahren guckt auch niemand blöd, dass Du die Stelle wechselst.
18.04.2024, 15:48
Hast du die Kollegen mit den vollen Schreibtischen mal gefragt, ob du sie unterstützen kannst? Evtl. haben die den Partnern nicht mitgeteilt, dass sie überlastet sind, weil sie sich nicht trauen dies offen zuzugeben und wären für Unterstützung trotzdem dankbar.
Wenn sich nichts ändert, würde ich die Kanzlei wechseln. Nichts zu tun und trotzdem gut bezahlt klingt vermeintlich gut, ist es aber nicht. Ich hatte das in einer vorherigen Kanzlei selbst eine zeitlang. Langfristig leidet das Selbstbewusstsein, weil man durch das Billen jede Woche noch vor Augen geführt bekommt, wie wenig man zum Kanzleierfolg beiträgt. Ist ein mieses Gefühl und zerschlägt auch jedes Argument für eine Gehaltserhöhung. So toll es sich daher auch anhört, die Zeit mit anderen Dingen zu verbringen, würde ich davon absehen. Such dir eine Arbeit, die dich erfüllt. Davon hast du mehr, als von diesem Bullshitjob.
Wenn sich nichts ändert, würde ich die Kanzlei wechseln. Nichts zu tun und trotzdem gut bezahlt klingt vermeintlich gut, ist es aber nicht. Ich hatte das in einer vorherigen Kanzlei selbst eine zeitlang. Langfristig leidet das Selbstbewusstsein, weil man durch das Billen jede Woche noch vor Augen geführt bekommt, wie wenig man zum Kanzleierfolg beiträgt. Ist ein mieses Gefühl und zerschlägt auch jedes Argument für eine Gehaltserhöhung. So toll es sich daher auch anhört, die Zeit mit anderen Dingen zu verbringen, würde ich davon absehen. Such dir eine Arbeit, die dich erfüllt. Davon hast du mehr, als von diesem Bullshitjob.
19.04.2024, 13:24
(18.04.2024, 15:48)Egal schrieb: Hast du die Kollegen mit den vollen Schreibtischen mal gefragt, ob du sie unterstützen kannst? Evtl. haben die den Partnern nicht mitgeteilt, dass sie überlastet sind, weil sie sich nicht trauen dies offen zuzugeben und wären für Unterstützung trotzdem dankbar.
Wenn sich nichts ändert, würde ich die Kanzlei wechseln. Nichts zu tun und trotzdem gut bezahlt klingt vermeintlich gut, ist es aber nicht. Ich hatte das in einer vorherigen Kanzlei selbst eine zeitlang. Langfristig leidet das Selbstbewusstsein, weil man durch das Billen jede Woche noch vor Augen geführt bekommt, wie wenig man zum Kanzleierfolg beiträgt. Ist ein mieses Gefühl und zerschlägt auch jedes Argument für eine Gehaltserhöhung. So toll es sich daher auch anhört, die Zeit mit anderen Dingen zu verbringen, würde ich davon absehen. Such dir eine Arbeit, die dich erfüllt. Davon hast du mehr, als von diesem Bullshitjob.
Ganz genau aus diedem Grund wechsele ich auch die Kanzlei. Am Anfang war's ja echt nett, viel Geld für wenig Arbeit zu bekommen, aber dieses Nichtstun ist tatsächlich anstrengender als etwas zu tun.