08.08.2025, 14:00
Moin,
ich wollte mal fragen, ob es andere Anwälte gibt, die von Panikattacken betroffen sind, besonders im Zusammenhang mit Gerichtsverhandlungen. Besonders auf dem Hinweg ins Gericht oder kurz vor der Videoschalte beschleicht mich immer ein mulmiges Gefühl bis hin zu regelrechten Panikattacken, wobei ich dann in der Verhandlung selbst relativ entspannt bin. Ich bin seit 5 Monaten Anwalt und hatte noch nicht sooo viele Termine. Ging's euch auch so am Anfang, hat sich das mit der Erfahrung gelegt oder habt ihr komplett hingeschmissen? Ich nehme schon Antidepressiva und bin in psychotherapeutischer Behandlung und es betrifft auch nicht jede Verhandlung, aber das belastet mich schon sehr. Mit meinem Chef habe ich schon darüber gesprochen, der ist sehr verständnisvoll, aber natürlich muss man als Anwalt auch verlässlich sein und ich habe einfach krasse Versagensängste. Ich beneide die alten Hasen, die scheinbar völlig unbekümmert in den Saal schlendern, sich hinsetzen, das Programm abziehen und direkt wieder abzischen als wäre nie was gewesen.
Für hilfreiche Erfahrungsberichte und womöglich auch Tipps wäre ich sehr dankbar.
MFG
ich wollte mal fragen, ob es andere Anwälte gibt, die von Panikattacken betroffen sind, besonders im Zusammenhang mit Gerichtsverhandlungen. Besonders auf dem Hinweg ins Gericht oder kurz vor der Videoschalte beschleicht mich immer ein mulmiges Gefühl bis hin zu regelrechten Panikattacken, wobei ich dann in der Verhandlung selbst relativ entspannt bin. Ich bin seit 5 Monaten Anwalt und hatte noch nicht sooo viele Termine. Ging's euch auch so am Anfang, hat sich das mit der Erfahrung gelegt oder habt ihr komplett hingeschmissen? Ich nehme schon Antidepressiva und bin in psychotherapeutischer Behandlung und es betrifft auch nicht jede Verhandlung, aber das belastet mich schon sehr. Mit meinem Chef habe ich schon darüber gesprochen, der ist sehr verständnisvoll, aber natürlich muss man als Anwalt auch verlässlich sein und ich habe einfach krasse Versagensängste. Ich beneide die alten Hasen, die scheinbar völlig unbekümmert in den Saal schlendern, sich hinsetzen, das Programm abziehen und direkt wieder abzischen als wäre nie was gewesen.
Für hilfreiche Erfahrungsberichte und womöglich auch Tipps wäre ich sehr dankbar.
MFG
08.08.2025, 16:54
Ich kann aus meiner Erfahrung berichten, dass ich am Anfang meiner Anwaltstätigkeit auch unter Dauerstrom stand, weil die Verantwortung sehr groß war und ich (aufgrund einer entsprechenden Erwartungshaltung mir selbst gegenüber) Angst hatte, Fehler zu begehen. Dies äußerte sich bei mir v.a. in unruhigem Schlaf, Magensäure und Verspannungen. Es klingt abgedroschen, aber mit der Zeit wurde der Gang in den Saal immer normaler für mich. Viele Fehler lassen sich prozessual auch gerade bügeln. Auch die Dynamik der Verhandlung („Alles kann passieren“, „Kontrollverlust“ etc.) legen sich, weil sich langsam ein Umgang damit herausbildet und man eine gewisse „Inkompetenz-Kompensations-Kompetenz“ entwickelt :) Das hat bei mir so 1/1,5 Jahre gedauert. Ich bin mittlerweile Richter und habe keine Aufregung mehr. Die Tortur als Berufsanfänger im Anwaltsgeschäft hat mich insoweit gut „vorbereitet“. Hab‘ Vertrauen in Dich und mach’ Dir Deine Ansprüche und Erwartungen an Dich bewusst. Woher resultieren sie? Wen willst Du nicht enttäuschen? Wieso gestehst Du Dir nicht zu, auch mal Fehler zu machen? Wünsche Dir alles Gute!
08.08.2025, 18:23
Hallo Marodna, etwas offtopic, aber du hast den Vergleich: gefällt dir die Anwaltschaft oder die Justiz besser? Und bist du in der ordentlichen oder Fachgerichtsbarkeit? Wäre schön, wenn du deine Erfahrungen mal teilen magst.
08.08.2025, 20:46
(08.08.2025, 14:00)blabla1337 schrieb: Moin,
ich wollte mal fragen, ob es andere Anwälte gibt, die von Panikattacken betroffen sind, besonders im Zusammenhang mit Gerichtsverhandlungen. Besonders auf dem Hinweg ins Gericht oder kurz vor der Videoschalte beschleicht mich immer ein mulmiges Gefühl bis hin zu regelrechten Panikattacken, wobei ich dann in der Verhandlung selbst relativ entspannt bin. Ich bin seit 5 Monaten Anwalt und hatte noch nicht sooo viele Termine. Ging's euch auch so am Anfang, hat sich das mit der Erfahrung gelegt oder habt ihr komplett hingeschmissen? Ich nehme schon Antidepressiva und bin in psychotherapeutischer Behandlung und es betrifft auch nicht jede Verhandlung, aber das belastet mich schon sehr. Mit meinem Chef habe ich schon darüber gesprochen, der ist sehr verständnisvoll, aber natürlich muss man als Anwalt auch verlässlich sein und ich habe einfach krasse Versagensängste. Ich beneide die alten Hasen, die scheinbar völlig unbekümmert in den Saal schlendern, sich hinsetzen, das Programm abziehen und direkt wieder abzischen als wäre nie was gewesen.
Für hilfreiche Erfahrungsberichte und womöglich auch Tipps wäre ich sehr dankbar.
MFG
Ich bin mir sicher, das geht vielen Juristen ebenso und wir alle haben unsere Erfahrungen damit gemacht.
Wenn du bereits in Behandlung bist, wirst du über die Jahre Tools finden, um aus solchen Situationen rauszukommen bzw. bereits im Vorfeld damit umzugehen.
Es wird dann weniger (intensiv) und auch die plötzlich aus dem Nichts auftauchenden Attacken verschwinden fast vollständig.
Versuche bereits im Vorfeld einen gesunden Ausgleich zu finden und lerne abzuschalten. Das ist m.E. effektiver als Notfallmedikamente und alles andere.
08.08.2025, 21:00
Es kommt ganz auf die individuelle Lebenssituation und die eigene Persönlichkeit an.
Ich habe den Anwaltsberuf mit großer Leidenschaft ausgeübt, mich an einem bestimmten Punkt jedoch sehr beansprucht gefühlt - als Mensch/als Anwalt/als Beistand/als Unternehmer. Das ist mir erst mit der Geburt unseres Kindes bewusst geworden, weil ich dann achtsamer mit meiner Energie und Zeit umgehen wollte/musste, um meine Frau zu unterstützen und präsent zu sein.
Vielleicht überschlägig ein paar Pros/Cons
Anwaltsberuf:
Es gibt nicht „den“ Anwalt / „die“ Anwältin. Man hat eine große Bandbreite an Möglichkeiten - nicht nur was das Rechtsgebiet/Teilrechtsgebiet/Nische anbelangt, sondern auch, ob man selbständig oder angestellt ist. Da ist es sehr wichtig, einfach für sich zu schauen, was für ein Typ man ist. Mir war beispielsweise klar, dass ich keinen Chef haben wollte, weswegen eine Anstellung für mich ausschied. Natürlich hat man so ein sehr großes Maß an Freiheit und natürlich kann man so theoretisch sehr viel Geld verdienen und sich seine Mandate selbst aussuchen. Aber gleichzeitig muss einem auch bewusst sein, dass man dort erst hinkommen muss. Man ist eben Unternehmer und aufgrund der damit einhergehenden Verantwortung selbst seines Glückes Schmied ist. Dein Erfolg hängt sehr stark von Deinem Einsatz ab. Hinzu kommt, dass Du, auch wenn Du Dich etabliert hast, am Ball bleiben musst, um das Niveau zu halten. Ich habe den Einsatz sehr gerne gebracht und deswegen auch oft am Wochenende und teilweise im Urlaub gearbeitet. Wie erwähnt änderte sich das mit der Familienplanung. Mir war es wichtig, ein präsenter Vater zu sein und nicht nur viel Geld nach Hause zu bringen.
Richteramt:
Das Richteramt (ord. Gerichtsbarkeit) bot mir ein ähnliches Maß an Selbstbestimmtheit wie die Anwaltstätigkeit. Ich wollte selbst bestimmen, wann ich was/wie mache. Dir musst bewusst sein, dass Du im Staatsdienst nicht reich wirst, aber auch nicht am Hungertuch nagst. Ich verdiene derzeit knapp 5000 Netto. Wenn der Partner auch arbeitet, kann man damit ein gutes Leben führen. Urlaub ist Urlaub und Wochenende ist Wochenende - bei mir zumindest. Ich denke, dass man gerade am Amtsgericht eine große Entscheidungsfreude und eine gehörige Portion Pragmatismus besitzen sollte, da man mit der hohen Schlagzahl an Fällen sonst nicht fertig wird und sich täglich vor dem Zutrag fürchtet. Die Arbeit ist meines Erachtens auch deutlich „technischer“ als die des Anwalts, da man am Ende derjenige/diejenige ist, der den Stoff relationsmäßig zu ordnen und materiell-rechtlich zu bewerten hat. Auch die Möglichkeiten einer gütlichen Einigung muss man immer bedenken und die Parteien - wo möglich - dort hinführen. Gerade Letzteres erfordert viel Einfühlungsvermögen, Kommunikation und Vertrauen.
Ich habe den Anwaltsberuf mit großer Leidenschaft ausgeübt, mich an einem bestimmten Punkt jedoch sehr beansprucht gefühlt - als Mensch/als Anwalt/als Beistand/als Unternehmer. Das ist mir erst mit der Geburt unseres Kindes bewusst geworden, weil ich dann achtsamer mit meiner Energie und Zeit umgehen wollte/musste, um meine Frau zu unterstützen und präsent zu sein.
Vielleicht überschlägig ein paar Pros/Cons
Anwaltsberuf:
Es gibt nicht „den“ Anwalt / „die“ Anwältin. Man hat eine große Bandbreite an Möglichkeiten - nicht nur was das Rechtsgebiet/Teilrechtsgebiet/Nische anbelangt, sondern auch, ob man selbständig oder angestellt ist. Da ist es sehr wichtig, einfach für sich zu schauen, was für ein Typ man ist. Mir war beispielsweise klar, dass ich keinen Chef haben wollte, weswegen eine Anstellung für mich ausschied. Natürlich hat man so ein sehr großes Maß an Freiheit und natürlich kann man so theoretisch sehr viel Geld verdienen und sich seine Mandate selbst aussuchen. Aber gleichzeitig muss einem auch bewusst sein, dass man dort erst hinkommen muss. Man ist eben Unternehmer und aufgrund der damit einhergehenden Verantwortung selbst seines Glückes Schmied ist. Dein Erfolg hängt sehr stark von Deinem Einsatz ab. Hinzu kommt, dass Du, auch wenn Du Dich etabliert hast, am Ball bleiben musst, um das Niveau zu halten. Ich habe den Einsatz sehr gerne gebracht und deswegen auch oft am Wochenende und teilweise im Urlaub gearbeitet. Wie erwähnt änderte sich das mit der Familienplanung. Mir war es wichtig, ein präsenter Vater zu sein und nicht nur viel Geld nach Hause zu bringen.
Richteramt:
Das Richteramt (ord. Gerichtsbarkeit) bot mir ein ähnliches Maß an Selbstbestimmtheit wie die Anwaltstätigkeit. Ich wollte selbst bestimmen, wann ich was/wie mache. Dir musst bewusst sein, dass Du im Staatsdienst nicht reich wirst, aber auch nicht am Hungertuch nagst. Ich verdiene derzeit knapp 5000 Netto. Wenn der Partner auch arbeitet, kann man damit ein gutes Leben führen. Urlaub ist Urlaub und Wochenende ist Wochenende - bei mir zumindest. Ich denke, dass man gerade am Amtsgericht eine große Entscheidungsfreude und eine gehörige Portion Pragmatismus besitzen sollte, da man mit der hohen Schlagzahl an Fällen sonst nicht fertig wird und sich täglich vor dem Zutrag fürchtet. Die Arbeit ist meines Erachtens auch deutlich „technischer“ als die des Anwalts, da man am Ende derjenige/diejenige ist, der den Stoff relationsmäßig zu ordnen und materiell-rechtlich zu bewerten hat. Auch die Möglichkeiten einer gütlichen Einigung muss man immer bedenken und die Parteien - wo möglich - dort hinführen. Gerade Letzteres erfordert viel Einfühlungsvermögen, Kommunikation und Vertrauen.
08.08.2025, 21:01
Dankeschön für die Rückmeldung, das gibt mir etwas Mut und Hoffnung, dass es besser wird. 👍
08.08.2025, 21:06
Ich kenne das auch, wenn auch etwas anders.
Vor den Verhandlungen war ich durchaus auch aufgeregt, das dürfte aber komplett normal sein und hat sich auch schnell gelegt (nach den ersten 10 Verhandlungen oder so).
Wo ich allerdings bis heute (2 Jahre BE) Probleme und Stress habe ist das ganze außergerichtliche. Fristen, Termine, Anfragen, ein Haufen Zeugs und ich habe ehrlich gesagt nicht den Überblick. Oft merke ich, dass mir Sachen untergegangen sind, mal mit leichten, mal mit schwerwiegenderen Konsequenzen. Das führt dazu, dass ich bei der täglichen Arbeit ständig das Gefühl habe irgendwas zu übersehen und das stresst und zermürbt.
Vor den Verhandlungen war ich durchaus auch aufgeregt, das dürfte aber komplett normal sein und hat sich auch schnell gelegt (nach den ersten 10 Verhandlungen oder so).
Wo ich allerdings bis heute (2 Jahre BE) Probleme und Stress habe ist das ganze außergerichtliche. Fristen, Termine, Anfragen, ein Haufen Zeugs und ich habe ehrlich gesagt nicht den Überblick. Oft merke ich, dass mir Sachen untergegangen sind, mal mit leichten, mal mit schwerwiegenderen Konsequenzen. Das führt dazu, dass ich bei der täglichen Arbeit ständig das Gefühl habe irgendwas zu übersehen und das stresst und zermürbt.
09.08.2025, 12:36
(08.08.2025, 21:06)anfänger schrieb: Ich kenne das auch, wenn auch etwas anders.Genau das und je mehr Verantwortung/Fälle man hat umso heftiger wird es. Das setzt mir auch zu. Ständig die Sorge etwas zu verpassen, dass der Mandant nicht zufrieden ist, weil man sich erst spät zurückmeldet und gleichzeitig die vielen harten Fristen mit Konsequenzen. Ich habe noch keine Frist verpasst, aber regelmäßig stresst es mich zu wissen, dass das passieren kann. Man hat ja zusätzlich noch viele private To-Dos. Im Kopf vermischt sich das irgendwie alles und das führt dann dazu, dass man denkt, endgültig die Kontrolle verloren zu haben. Vor allem in Zeiten mit heftigem täglichen Zutrag.
Vor den Verhandlungen war ich durchaus auch aufgeregt, das dürfte aber komplett normal sein und hat sich auch schnell gelegt (nach den ersten 10 Verhandlungen oder so).
Wo ich allerdings bis heute (2 Jahre BE) Probleme und Stress habe ist das ganze außergerichtliche. Fristen, Termine, Anfragen, ein Haufen Zeugs und ich habe ehrlich gesagt nicht den Überblick. Oft merke ich, dass mir Sachen untergegangen sind, mal mit leichten, mal mit schwerwiegenderen Konsequenzen. Das führt dazu, dass ich bei der täglichen Arbeit ständig das Gefühl habe irgendwas zu übersehen und das stresst und zermürbt.
Mit der Zeit lernt man aber, denke ich, das ganze einzuordnen und zu priorisieren und kann auch die unterschiedlichen „Typen“ von Mandanten einschätzen. Man sollte sich wohl bewusst sein, dass es letztlich „nur“ der Beruf ist und davon Abstand gewinnen, sich durch den Beruf treiben zu lassen, Stichwort Selbstführung.
09.08.2025, 17:16
Wenn man regelmäßig Sachen vergisst, hilft es, konsequent eine To-Do-Liste zu führen. Mit welcher App oder welchem Tool ist egal, Hauptsache man führt sie.
Für mich waren Apps wie Planer unpraktisch, da ich damit sonst nicht damit arbeite und daher gezielt reinschauen musste. Besser funktioniert Outlook für mich, da ich sehr viel damit arbeite. Ich habe ich mir angewöhnt, mir alle ToDos in eine Mail zu schreiben und selbst zu schicken. So bleibt sie immer oben in meinem Posteingang.
Die Unsicherheit bei den ersten Gerichtsterminen ist normal. Das legt sich mit der Zeit. Wenn nicht, ist das Problem tieferliegend und sollte mit einem Coaching oder ggf. Therapie angegangen werden.
Für mich waren Apps wie Planer unpraktisch, da ich damit sonst nicht damit arbeite und daher gezielt reinschauen musste. Besser funktioniert Outlook für mich, da ich sehr viel damit arbeite. Ich habe ich mir angewöhnt, mir alle ToDos in eine Mail zu schreiben und selbst zu schicken. So bleibt sie immer oben in meinem Posteingang.
Die Unsicherheit bei den ersten Gerichtsterminen ist normal. Das legt sich mit der Zeit. Wenn nicht, ist das Problem tieferliegend und sollte mit einem Coaching oder ggf. Therapie angegangen werden.