08.10.2025, 13:32
Ich bin in der Zivilstation am Amtsgericht und bisher wurde hier noch nie ein Beweis erhoben, also insbesondere Zeugen vernommen oÄ. Bei einigen Fällen dachte ich mir aber "hier wäre es doch interessant, was der angebotene Zeuge zu sagen hätte, der beim angeblichen Vertragsschluss dabei gewesen ist" oder sowas.
Meine eigentlich ganz simple Frage daher: Kann mir jemand erklären, wann überhaupt Beweis erhoben wird?
Meine eigentlich ganz simple Frage daher: Kann mir jemand erklären, wann überhaupt Beweis erhoben wird?
08.10.2025, 13:36
Meiner Erfahrung nach fast nie. Das mag Zufall sein oder am Fach liegen, aber ich mache jetzt seit ca. 2-3 Jahren Prozesse in verschiedenen Themenfeldern und unterschiedlichen Standorten und hatte noch NIE eine Beweiserhebung. Im Zweifel wird nur die Partei persönlich geladen und angehört.
08.10.2025, 17:14
Maßstab ist eben das jeweilige Prozessrecht (und nicht in erster Linie das Interesse). Beweiserhebung kostet Zeit und Geld, die macht man nicht einfach so.
Im Zivilverfahren immer dann, wenn Entscheidungserhebliches bestritten ist, im Strafverfahren im Grundsatz alles und im Verwaltungsprozess schreibt man lieber pro fehlendem Beweis 10 S., warum man den jetzt nicht brauchte. Von einer mir bekannten Beurteilerin am ArbG ist bekannt, dass sie doch etwas verwundert war, dass manche KollegInnen für die letzte Beueteilungsrunde (4 Jahre!) nicht eine Beweisaufnahme vorweisen konnten.
Praktisch kann ich nur vom VG berichten: Da hängt es etwas vom Sachgebiet ab. In Bausachen fährt man auch gerne mal für einen Augenschein raus, im Gefahrenabwehrrecht hört man auch mal einen Zeugen, aber ansonsten meidet der Verwaltungsrichter die Beweisaufnahme wie der Teufel das Weihwasser. Über die Behördenakte wird doch in der Regel genug Papier da sein, damit man sich auch so eine Überzeugung bilden kann.
Im Zivilverfahren immer dann, wenn Entscheidungserhebliches bestritten ist, im Strafverfahren im Grundsatz alles und im Verwaltungsprozess schreibt man lieber pro fehlendem Beweis 10 S., warum man den jetzt nicht brauchte. Von einer mir bekannten Beurteilerin am ArbG ist bekannt, dass sie doch etwas verwundert war, dass manche KollegInnen für die letzte Beueteilungsrunde (4 Jahre!) nicht eine Beweisaufnahme vorweisen konnten.
Praktisch kann ich nur vom VG berichten: Da hängt es etwas vom Sachgebiet ab. In Bausachen fährt man auch gerne mal für einen Augenschein raus, im Gefahrenabwehrrecht hört man auch mal einen Zeugen, aber ansonsten meidet der Verwaltungsrichter die Beweisaufnahme wie der Teufel das Weihwasser. Über die Behördenakte wird doch in der Regel genug Papier da sein, damit man sich auch so eine Überzeugung bilden kann.
08.10.2025, 18:36
Dir geht es ja offenbar um den Zivilprozess. Da erhebt man Beweis, wenn eine behauptete Tatsache erheblich ist und streitig und nicht gerichts- oder allgemein bekannt.
Aus den Entscheidungsgründen sollte auch hervorgehen, warum kein Beweis erhoben wurde: vielleicht war der Vertragsschluss gar nicht relevant für den geltend gemachten Anspruch. Oder er war nicht bestritten.
Ein bisschen Wertungsspielraum gibt es dadurch, dass unter Umständen substantiiert bestritten werden muss - also auf sehr genauen Vortrag zum Vertragsschluss hin einfach nur pauschal bestritten wird ohne Erklärung, was denn sonst gewesen sein soll. Aber an sich kann man es sich nicht raussuchen, ob man Beweis erhebt oder nicht, sondern das folgt zwingend aus dem Zusammenspiel von Parteivortrag und Rechtsnorm.
Aus den Entscheidungsgründen sollte auch hervorgehen, warum kein Beweis erhoben wurde: vielleicht war der Vertragsschluss gar nicht relevant für den geltend gemachten Anspruch. Oder er war nicht bestritten.
Ein bisschen Wertungsspielraum gibt es dadurch, dass unter Umständen substantiiert bestritten werden muss - also auf sehr genauen Vortrag zum Vertragsschluss hin einfach nur pauschal bestritten wird ohne Erklärung, was denn sonst gewesen sein soll. Aber an sich kann man es sich nicht raussuchen, ob man Beweis erhebt oder nicht, sondern das folgt zwingend aus dem Zusammenspiel von Parteivortrag und Rechtsnorm.
10.10.2025, 10:52
Und ergänzend: Was ich da teilweise schon gelesen habe, womit Beweiserhebungen umgangen worden sind...Bestrittener Vortrag, über 70 Seiten Schriftsatz, am Ende kommt es auf eine klar abgrenzbare Tatsache an.... "Nicht substantiiert". Übrigens auch ohne Hinweis. Geht ja aber eh alles in die zweite Instanz, nech
10.10.2025, 10:56
Super, danke euch! Das heißt im Endeffekt: Wenn es streitigen Vortrag gibt und beide Parteien substantiiert darlegen, dann muss zur Klärung Beweis erhoben werden, sofern er denn angeboten wird.
In der Praxis wird vieles aber über die unsubstantiiertheit "abgebügelt", sodass man häufiger gar nicht bis dahin kommt, richtig?
In der Praxis wird vieles aber über die unsubstantiiertheit "abgebügelt", sodass man häufiger gar nicht bis dahin kommt, richtig?
10.10.2025, 11:29
(10.10.2025, 10:56)KR-Asc schrieb: Super, danke euch! Das heißt im Endeffekt: Wenn es streitigen Vortrag gibt und beide Parteien substantiiert darlegen, dann muss zur Klärung Beweis erhoben werden, sofern er denn angeboten wird.
In der Praxis wird vieles aber über die unsubstantiiertheit "abgebügelt", sodass man häufiger gar nicht bis dahin kommt, richtig?
Wichtig ist auch immer die Darlegungs- und Beweislast zu berücksichtigen.
Im Übrigen:
Es gibt da auch einige Entscheidungen des BGH zu, dass Substantiierungsanforderungen nicht überspannt werden dürfen. Im Grunde erkennst du fehlende Substantiierung daran, dass der Vortrag nicht ausreicht für eine Subsumtion unter die jeweilige Norm.
Beispiele: Widerspruch gegen eine Kündigung im Mietrecht ohne Begründung. Wie soll man so subsumieren können, ob die von 574 bgb vorausgesetzte nicht zu rechtfertigende Härte vorliegt?
Das gleiche Problem kann auch bei außerordentlichen Kündigungen aus wichtigen Grund passieren, wenn unzureichend dazu vorgetragen wird, warum ein wichtiger Grund vorläge bzw. Sachverhalt der diesen Begriff ausfüllt.
10.10.2025, 14:54
(10.10.2025, 10:56)KR-Asc schrieb: Super, danke euch! Das heißt im Endeffekt: Wenn es streitigen Vortrag gibt und beide Parteien substantiiert darlegen, dann muss zur Klärung Beweis erhoben werden, sofern er denn angeboten wird.
Sofern die Behauptung auch relevant ist! In einem Verfahren werden oft unzählige Tatsachen bestritten und darüber Beweis angeboten, auf die es aus Rechtsgründen aber nicht ankommt.
Genau deshalb übt man im Ref. Relationstechnik und das Schreiben von Tatbeständen - das Ordnen des Sach- und Streitstands im Hinblick auf die Rechtslage ist die zentrale Herausforderung des Zivilprozesses. Lernt man das nicht mehr?
Erst mal muss die Klage schlüssig sein.
Dann der Beklagtenvortrag erheblich.
Und dann muss die beweisbelastete Partei Beweis anbieten.



