06.02.2025, 16:30
(06.02.2025, 15:44)JuraHassLiebe schrieb:(06.02.2025, 15:10)Patenter Gast schrieb: Zeigt ihr euch jetzt ernsthaft überrascht darüber, dass der Staat seine eigene Schadensersatzpflicht eher niedrig ansetzt?
Du hast Recht, dass es sehr naheliegend ist.
Aber ich finde in Bezug auf zu Unrecht Inhaftierte ist es schlichtweg aus Menschlichkeitsüberlegungen Fehl am Platz (Fehlerkultur). Insbesondere wenn man berücksichtigt, wie selten dies in Deutschland passiert und eine höhere Entschädigung in Relation zum Staatshaushalt stellt, ist es einfach kaum nachvollziehbar.
Im deutschen Recht sind Schadensersatzzahlungen generell eher unterkompensatorisch. Auch den Schadensersatz bei ärztlichen Behandlungsfehlern, Unfällen oder nach Straftaten empfinde ich als überschaubar. Da gibt es ein paar zehntausend Euro dafür, dass du monatelang im Krankenhaus bist und danach eine Minderung der Erwerbsfähigkeit hast - oder dein Leben lang durch Narben entstellt bist. Wir sind sozusagen das gegenteilige Ende der US-amerikanischen Schmerzensgeldkultur.
06.02.2025, 16:49
(06.02.2025, 16:30)Patenter Gast schrieb:(06.02.2025, 15:44)JuraHassLiebe schrieb:(06.02.2025, 15:10)Patenter Gast schrieb: Zeigt ihr euch jetzt ernsthaft überrascht darüber, dass der Staat seine eigene Schadensersatzpflicht eher niedrig ansetzt?
Du hast Recht, dass es sehr naheliegend ist.
Aber ich finde in Bezug auf zu Unrecht Inhaftierte ist es schlichtweg aus Menschlichkeitsüberlegungen Fehl am Platz (Fehlerkultur). Insbesondere wenn man berücksichtigt, wie selten dies in Deutschland passiert und eine höhere Entschädigung in Relation zum Staatshaushalt stellt, ist es einfach kaum nachvollziehbar.
Im deutschen Recht sind Schadensersatzzahlungen generell eher unterkompensatorisch. Auch den Schadensersatz bei ärztlichen Behandlungsfehlern, Unfällen oder nach Straftaten empfinde ich als überschaubar. Da gibt es ein paar zehntausend Euro dafür, dass du monatelang im Krankenhaus bist und danach eine Minderung der Erwerbsfähigkeit hast - oder dein Leben lang durch Narben entstellt bist. Wir sind sozusagen das gegenteilige Ende der US-amerikanischen Schmerzensgeldkultur.
Das dt. Schadensrecht kennt eben in erster Linie den Ausgleich von materiellen und ggf. immateriellen Vermögensschäden. Vor der Schuldrechtsreform und § 253 BGB war der Ersatz für Nichtvermögensschäden noch begrenzter.
Der dt. Schadensersatzumfang entspricht den "general damages" oder "compensatory damages" des US-Rechtes. Ausnahmsweise kann im US-amerikanischen Recht im Fall von Böswilligkeit, Vorsatz oder Schädigungsabsicht auch "punitive damages", sog. Strafschadensersatz eben in Betracht kommen, der dann deutlich höher ist. Zu bedenken ist auch, wenngleich es in diesem Fall nicht eingreift, dass das US-Recht eben auch (fast) nur Sekundäransprüche kennt. Die Klage auf Erfüllung / Primärleistung wie sie das deutsche Recht kennt ist dort nur ausnahmsweise unter engen Voraussetzungen möglich. Im Regelfall ist der andere auf Schadensersatzansprüche beschränkt. Zudem funktioniert die Prozessführung auch im Zivilprozess erheblich anders und die Schadensersatzhöhe ist je nach Staat nicht Entscheidung des Richters, sondern der jury - wobei es oftmals kodifizierte Beschränkungen gibt, die nachträglich, die von den Geschworenen beschlossene Höhe limitieren.
06.02.2025, 17:51
(06.02.2025, 12:21)Homer S. schrieb:(06.02.2025, 09:58)JuraHassLiebe schrieb:(05.02.2025, 19:18)RefNdsOL schrieb:(05.02.2025, 19:15)Homer S. schrieb:(05.02.2025, 18:36)JuraHassLiebe schrieb: Ich denke hin und wieder an die Entschädigung die ein zu Unrecht Inhaftierte gemäß § 7 III StrEG für Schäden die nicht Vermögensschäden sind, in Deutschland erhält.
Dies sind 75 Euro pro Tag. Und das finde ich derart wenig, dass es meinem Empfinden nach nicht rechtmäßig sein kann.
Konkret habe ich gerade den Badewannen-Mörder im Kopf. Dieser war zu Unrecht fast vierzehn Jahre im Gefängnis und hat ab seinem 49. bis zu seinem 62. Lebensjahr hinter Gittern verbracht. Wurde faktisch komplett aus dem Leben gerissen. Wurde eingesperrt zu einer Zeit in der es noch kein Instagram gab, gerade einmal 14 % (!!) der Deutschen überhaupt ein Smartphone nutzten. Verliert seinen Job, sein Umfeld hält ihn für einen Mörder, sieht sein ungeborenes Kind nicht aufwachsen und verliert schlichtweg fast dreizehn Jahre Lebenszeit. Wird nun endlich freigesprochen, kommt in eine für ihn teilweise fremde und vermutlich (und wohl zurecht) überfordernde Welt zurück.
Und für all das sollen 368.700 Euro vom Freistaat angemessen sein? Das finde ich echt erstaunlich.
Wie sollte der Wert einer Lebenszeit berechnet werden und wie kommt man bei einer solchen Berechnung auf 75 Euro pro Tag?
Konkret habe ich heute wieder darüber nachgedacht, da meine Zahnärztin mir erzählt hat, dass der Anspruch des Herrn Genditzkis gekürzt werden soll, unter andere um den Wert des Essens welches er im Rahmen seiner Haftstrafe verzehrt haben soll. Welcher Beamte kommt auf die Idee da eine Gegenrechnung anzustellen? Ich habe dazu leider nichts finden können, meine Zahnärztin habe es wohl im Radio gehört.
Ich würde mich über eure Gedanken zu dem Thema freuen, ob ich da vielleicht zu sensibel bin oder ob ihr das gleichermaßen Menschen unwürdig (/verachtend) empfindet den Wert der eigenen Freiheit auf 75 Euro pro Tag zu bemessen.
Ich finde 75 € auch viel zu wenig und insbesondere die Anrechnung von "Verpflegung" richtig dreist. Schließlich hat der Betroffene ja keine andere Wahl (außer zu verhungern), also er wird unrechtmäßig eingesperrt gezwungen irgendeinen Fraß zu futtern und soll dafür noch bezahlen... das sagt mE alles über die mangelnde Fehlerkultur in der Justiz, anstatt die Größe zu besitzen einen Fehler einzugestehen und den Menschen entsprechend zu entschädigen sucht man nach Wegen dem doch noch einen reimzudrücken...
Das ist letztlich immer noch eine Entscheidung des Gesetzgebers, der das StrEG anzupassen hat und ggf. der (Justiz-)Verwaltung, die Anrechnung von Unterkunft/Verpflegung durchführt. Die Justiz selbst kann die richtige Anwendung des Rechts nur überprüfen, die Verwaltung es nur anwenden. Der Gesetzgeber ist der, der zur Anpassung gehalten ist.
Grundsätzlich ja, aber auf die Idee aufrechnen zu wollen, kann ja nur der konkrete Anspruchsgegner kommen und das ist vermutlich schon die Justiz.
So ist es. Zumal man im Fall Genditzski ja auch mal über eine Entschädigung nach § 839 BGB nachdenken könnte, dann wäre die Deckelung auf 75 € wegen StrEG gar nicht erst einschlägig. Aber Amtspflichtverletzungen werden ja nichtmal diskutiert, geschweige denn angenommen.
839 II - dann muss man die Kollegen halt gleich strafverfolgen, weil sie vorsätzlich einen Unschuldigen verurteilt haben. Und das einfach Mal zu behaupten, weil die Tat verjährt ist, fällt auch nicht so leicht...