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Hallo zusammen,
 
die Frage richtet sich an alle, die schon promoviert haben. Ich arbeite nun schon etwas an meiner Promotion und versuche die verbleibende Promotionszeit sinnvoll zu planen. So viel Freiheit werde ich wahrscheinlich erstmal nicht mehr haben! Was würdet ihr retrospektiv empfehlen? Zur Info: Für mich kommt ein Verbleib in der Wissenschaft nicht in Betracht, weshalb der Besuch von Konferenzen und viele Veröffentlichungen für mich nicht lohend erscheinen.
Momentan habe ich mir grob folgendes überlegt:
·      eine Arbeitsgemeinschaft zu leiten, um Lehrerfahrung zu sammeln
·      Auslandsaufenthalte zu absolvieren, um Zeit zum konzentrierten Schreiben zu gewinnen und Input von einem anderen Professor zu erhalten
·      Kompetenzseminare zu besuchen, z.B. Speed-reading, Rhetorik, Schreibstil verbessern
Gerne würde ich mich in den Bereichen VWL und PoWi weiterbilden, da ich daran interessiert bin. Was würdet ihr aus eurer Erfahrung heraus empfehlen?
Vielleicht schreibst du einfach an Deiner Diss? Nur so eine Idee…

Würde mir nicht zu viel vornehmen.
(24.03.2024, 12:37)Gast_Doktorand schrieb: [ -> ]Hallo zusammen,
 
die Frage richtet sich an alle, die schon promoviert haben. Ich arbeite nun schon etwas an meiner Promotion und versuche die verbleibende Promotionszeit sinnvoll zu planen. So viel Freiheit werde ich wahrscheinlich erstmal nicht mehr haben! Was würdet ihr retrospektiv empfehlen? Zur Info: Für mich kommt ein Verbleib in der Wissenschaft nicht in Betracht, weshalb der Besuch von Konferenzen und viele Veröffentlichungen für mich nicht lohend erscheinen.
Momentan habe ich mir grob folgendes überlegt:
·      eine Arbeitsgemeinschaft zu leiten, um Lehrerfahrung zu sammeln
·      Auslandsaufenthalte zu absolvieren, um Zeit zum konzentrierten Schreiben zu gewinnen und Input von einem anderen Professor zu erhalten
·      Kompetenzseminare zu besuchen, z.B. Speed-reading, Rhetorik, Schreibstil verbessern
Gerne würde ich mich in den Bereichen VWL und PoWi weiterbilden, da ich daran interessiert bin. Was würdet ihr aus eurer Erfahrung heraus empfehlen?

AGs leiten: Sehr gute Idee
Auslandsaufenthalt: Möglich, aber je nach Gebiet zumindest nicht zwingend
Kompetenzseminare: Eher so schmückendes Beiwerk

I.Ü. ist die Analyse sehr richtig: So viel Freiheit gibt es später nie mehr. Daher ruhig auch ohne Ambitionen in der Wissenschaft ein etwas dickeres Brett bohren und vielleicht doch über den ein oder anderen Aufsatz etc. nachdenken. Auch das kann später nützlich sein.
Ich kann dir sagen, dass rechtsgebietrelevante Veröffentlichungen auch in der Praxis (zumindest GKs) sehr gerne gesehen und respektiert werden. Nur weil du nicht in der Wissenschaft bleiben möchtest, heißt es also nicht, dass Veröffentlichungen wertlos wären.
Kommt auch drauf an, an welchem Punkt Du genau bist, also ob bspw. noch das Ref ansteht. 

Generell hätte ich gerne vorher gewusst, dass doch noch etwas Leerlauf eintreten kann, wenn man bspw. auf Gutachten oder sonstige Rückmeldungen wartet. 
Lektorat und Fußnoten kontrollieren erfordert einiges an Zeit. 

Rückblickend hätte ich vielleicht doch einen Aufsatz o.ä. noch zusätzlich verfasst. So viel Zeit hat man dafür nicht mehr und man ist eh in der Arbeitsweise drin bzw. dauernd mit Quellen umgeben und jede Diss bietet genug Nebenkriegsschauplätze, über die man schreiben kann. Aber das ist trotzdem sehr typabhängig. 
Rückblickend hätte ich mir auch einfach eine Pause gönnen sollen. War eine sehr stressige Zeit und ein treten auf die Bremse hätte sich da angeboten.
Danke erstmal für euer Antworten! Ich bin schon relativ weit, d.h. Referendariat und LLM liegen schon hinter mir. Es geht deshalb vor allem darum, die Zeit abseits der Doktorarbeit lehrreich zu gestalten. Dabei stehen weniger Einstiegsoptionen im Vordergrund. Da mein Thema nun eher verfassungsrechtlich angehaucht ist, gäbe es wohl Möglichkeiten für Artikel, aber Relevanz für die Praxis werden sie in den wenigsten Fällen entwickeln.
(24.03.2024, 12:37)Gast_Doktorand schrieb: [ -> ]Hallo zusammen,
 
die Frage richtet sich an alle, die schon promoviert haben. Ich arbeite nun schon etwas an meiner Promotion und versuche die verbleibende Promotionszeit sinnvoll zu planen. So viel Freiheit werde ich wahrscheinlich erstmal nicht mehr haben! Was würdet ihr retrospektiv empfehlen? Zur Info: Für mich kommt ein Verbleib in der Wissenschaft nicht in Betracht, weshalb der Besuch von Konferenzen und viele Veröffentlichungen für mich nicht lohend erscheinen.
Momentan habe ich mir grob folgendes überlegt:
·      eine Arbeitsgemeinschaft zu leiten, um Lehrerfahrung zu sammeln
·      Auslandsaufenthalte zu absolvieren, um Zeit zum konzentrierten Schreiben zu gewinnen und Input von einem anderen Professor zu erhalten
·      Kompetenzseminare zu besuchen, z.B. Speed-reading, Rhetorik, Schreibstil verbessern
Gerne würde ich mich in den Bereichen VWL und PoWi weiterbilden, da ich daran interessiert bin. Was würdet ihr aus eurer Erfahrung heraus empfehlen?

Alles machen. Insbesondere der Auslandsaufenthalt war für mich eine unfassbar gute Zeit. Ich konnte Gasthören, musste aber keine Prüfungen schreiben und hatte ein Stipendium für Gebühren und Lebenshaltungskosten. Während meiner Zeit in den USA konnte ich dann auch fachübergreifend Kurse belegen, was deinem dritten Punkt entgegenkommt.
Du wirkst vielfältig interessiert, das ist super, behalte dir das bei! Die Promotion ermöglicht dir eine Zeit, in der du diesen vielfältigen Interessen nachgehen kannst.
Rückblickend aus meiner Zeit würde ich zu allen der genannten Ideen nachdrücklich raten. Auch wenn du bei kleineren Veröffentlichungen (derzeit) keine großen Mehrwert siehst, würde ich das nicht vorschnell abschreiben. Es geht dir ja auch ersichtlich nicht darum, tolle Einträge auf deinem CV zu sammeln, sondern die Zeit lehrreich zu gestalten. Und das ist das Veröffentlichen von Aufsätzen allemal. Du lernst im Kleinen, wie du eine Idee von vorne bis hinten durchdenkst, dich dabei auf das Relevante fokussierst (Zeichenbeschränkungen schaffen gute Texte!) und das Ganze sprachlich ansprechend verpackst. Das schult auch den Umgang mit Redaktionen, Schriftleitungen, Verlagen etc. Man lernt dadurch unausgesprochene wissenschaftliche Gepflogenheiten kennen. Das ist auch für die Diss hilfreich, gerade im Hinblick auf die Abgabe, das Einarbeiten von Korrekturvorschlägen und die endgültige Veröffentlichung (und eventuell anschließende "Vermarktung"). Ich habe während der Diss immer mal wieder etwas nebenbei geschrieben (teilweise passend zum Diss-Thema, teilweise aber auch ganz weit davon entfernt) und merke, wie ich über kurz oder lang auf nahezu jeden einzelnen Aufsatz wieder zurückkomme, weil ich ihn für ein anderes Projekt zweitverwerte, indem ich nochmal das Thema, eine bestimmte Herangehensweise oder eine beiläufig fallengelassene Idee aufgreife. Praxisrelevant ist davon übrigens nahezu gar nix, darum ging es mir aber auch nie.
Ich hatte auch mehrere Forschungsaufenthalte und fand den Perspektivenwechsel immer bereichernd. Das betrifft den lebenspraktischen Aspekt des "auch mal was anderes sehen", aber natürlich auch die Möglichkeit, mit anderen über das eigene Projekt zu sprechen, die nochmal einen ganz anderen Blick haben als man selbst oder die Betreuerin. In aller Regel darf man auch mal im Gast-Institut vortragen. Schon die Vorbereitung darauf hilft ungemein, weil man sich fragen muss, was eigentlich von den hundert geschriebenen Seiten für andere so interessant und relevant ist, dass einem freiwillig zwanzig Minuten oder länger zuhören, ohne einzuschlafen. Das erspart dann womöglich sogar auch Arbeit bei der Vorbereitung der mündlichen Verteidigung.
Dementsprechend rate ich nachdrücklich dazu, die Diss nicht im stillen Kämmerlein/der heimischen Bibliothek zu verfassen, sondern rauszugehen und sich externes Feedback einzuholen, insbesondere am Anfang, wenn man eigentlich meint, dass man noch nicht genug vorzuweisen hat. Wenn die Arbeit dagegen fertig ist, ist es zu spät, um noch strukturell etwas zu ändern. Dabei fliegt man vielleicht mal böse auf die Nase, aber gerade so ein "Schuss vor den Bug" kann einem im Rückblick die entscheidende Weichenstellung gegeben haben. Dafür gibt es Arbeitskreise, Works-in-Progress-Workshops, (Nachwuchs-)Tagungen etc. Insbesondere im Verfassungsrecht dürfte die Junge Tagung Öffentliches Recht mit ihren Arbeitskreisen und die Veranstaltungen vom JuWissBlog naheliegen. Wenn es etwas internationaler/rechtsvergleichender ist, vielleicht auch die Veranstaltungen von ICON-S Deutschland. Wenn es eher theoretisch/philosophisch oder in anderer Weise interdisziplinär ist, kann sich auch das Junge Forum Rechtsphilosophie anbieten. Man muss auch nicht zwingend in der Wissenschaft bleiben wollen, um dorthin zu gehen. So ein Netzwerk über das heimische Institut hinaus kann auch in anderer Hinsicht nützlich oder schlicht und ergreifend bereichernd sein. Man lernt lauter andere intelligente, interessierte und engagierte Leute kennen. Daraus können auch Freundschaften entstehen, die über bloße LinkedIn-Kontakte hinausgehen.