Foerster
26.06.2019, 09:57
Liebe Forumsgemeinde,
da ich selbst nach meinen beiden Examina noch sehr viel Interesse an den Inhalten des Staatsexamens habe und hier im Forum wie im realen Leben auf oftmals verunsicherte und planlose Kandidaten treffe, würde ich gerne meine Erfahrungen teilen. Diese richten sich insbesondere an die kommenden Absolventen, die sich ihrer Lernmethode und Herangehensweise noch unsicher sind. Nach meinen Beobachtungen sind es genau diese Kandidaten, die z.B. im aktuellen Thread zum Examen Juni 2019 von einer Berufungsklausur oder "Ausnahmeklausuren" überrascht werden und mit diesen nicht umgehen können.
Vorweg: Ich bin kein Fan von kommerziellen Repititorien und habe diese fürs 1. Examen nicht besucht und lediglich fürs 2. zur Ergänzung einzelne Kaiser-Kurse und einen Hemmer und Jura Intensiv Kurs besucht.
Folgende Vorbereitung empfehle ich für das 2. Examen (inklusive Literatur):
Grundregeln:
1. Mit den Stationen "mitlernen"- das heißt: ZPO wird zum ersten mal komplett in der Ziviltation erarbeitet, StPO in der Strafstation usw. Viele Referendare machen sich nach meinen Beobachtungen gerade am Anfang ein entspanntes Leben, obwohl man nie wieder so viel Zeit wie in den ersten Stationen haben wird.
2. Sollte es keine Benotung o.ä geben keine AG vorbereiten/nachbereiten, da es darum geht nach 2 Jahren auf Examensniveau zu sein. Dabei muss man sein eigenes Tempo nehmen und es bringt nichts, wenn man früh "Spitzenkenntnisse" in manchen Teilbereichen erwirbt, aber keinen Blick aufs Ganze gewinnt.
3. Von Anfang an JEDE mögliche Klausur mitschreiben, die von dem Gericht angeboten wird. Wir durften z.B. beim Probeexamen anderer AGs mitschreiben, sodass ich insgesamt 3 Probeexamen mitgeschrieben habe. Am Anfang geht es bei den Klausuren nur darum eine grobe Idee von der Gliederung von Urteilen und den Standardinhalten zu bekommen. Dabei kann man sich auch ein "Musterurteil" daneben legen, wenn es zB. um die Einleitung eines Urteils nach Einspruch gegen ein VU geht. Wichtig ist nur: Zu der Besprechung gehen und zuhören und dabei aus seinen eigenen (groben) Fehlern lernen. Die Klausuren kann man auch gerne einfach nur 3-4 Stunden schreiben. Es geht nicht um die Endnote, sondern die Auseinandersetzung mit den Sachverhalten.
4. Direkt am Anfang (alte) Kommentare kaufen und diese IMMER beim Lernen und Klausurschreiben dabei haben und auch nutzen. Ein Blick auf die Threads zu den aktuellen Klausuren reicht aus, um zu sehen, dass wieder einmal vieles im Kommentar stand, aber die Hemmschwelle diesen auch zu nutzen, immer noch viel zu hoch liegt. Dabei hiflt es auch, die Kommentare schon zu kennen. Wenn man Rechtsprobleme, die man behalten sollte sofort nachschlägt, kann man sich die Speicherung im Gehirn sparen und weiß gleichzeitig wo man das Problem im Kommentar findet.
5. Tu für die Stationsarbeit so wenig wie möglich, aber so viel wie nötig. Höchstens 2-3 Tage sollten auf die Arbeit an Urteilen oder Anklagen verwendet werden. Den Rest der Zeit sollte man für das Eigenstudium nutzen.
6. Gründet eine heterogene Lerngruppe- z.B. 2 Leute, die zum kommerziellen Rep gehen, und 2 ohne Rep o.ä. Sorgt dafür, dass die Gruppe auch vond er Stärke unterschiedlich ist, traut euch mit "besseren" Leuten zusammenzuarbeiten.
7. Nicht auf irgendwelche Experten hören, die "wissen" was dran kommt, was man nicht lernen muss o.ä. Der Schlüssel zu einer guten Punktzahl ist provokant formuliert: ALLES lernen!
Literatur/Materialien:
Ich habe meine materielle Vorbereitung komplett mit meinen selbsterstellten Skripten vom 1. Examen absolviert. Dabei habe ich für jedes Rechtsgebiet ein Lehrbuch zusammengefasst und diese Zusammenfassungen zigfach wiederholt- vor dem 2. Examen jede Zusammenfassung (30-120 Seiten) bestimmt mindestens 30x.
Wer zuvor mit Skripten gelernt hat und sich dabei wohlfühlte, sollte genau die gleichen Materialien verwenden um Wiederholungseffekte zu haben. Mögliche Gesetzes- (Rechtsprechungsänderungen) sollten natürlich beachtet werden. Dazu gibt es genug Aufsätze und z.B. den BGH Newsletter.
Zu den einzelnen Rechtsgebieten:
Ich kann nur empfehlen, nach Ende der 3. Station alle Inhalte gleichmäßig und wöchentlich zu lernen und nichts zu verschieben. Im Examen müssen auch alle Inhalte innerhalb von 2 Wochen "gleichzeitig"abgerufen werden. Deshalb sah mein Lernplan so aus, dass ich ca. 2 Tage pro Woche Zivilrecht, 1 Strafrecht und einen Ö-Recht gemacht habe, was sich natürlich erst beim Tauchen zu 100% durchziehen lässt. In diesem Zusammenhang sollte man auch überlegen, Urlaube "geballt" zu nehmen um lange Lernphasen zu haben.
Ich habe im Ergebnis JEDE Woche die Zusammenfassungen+ das Kaiser Skript durchgearbeitet- jede Woche also den gleichen Inhalt wiederholt. Dabei geht es darum die entsprechenden Seiten aufzuschlagen und zu gucken welche Stichwörter dort stehen und im Kopf zu prüfen, ob die entsprechenden Inhalte abgespeichert sind und diese sich dann vorzusprechen bzw. anhand des Gesetzes und Kommentars immer wieder neu zu überprüfen. Dabei ist es wichtig, Inhalte mit den Normane zu verbinden, um in der Klausursituation einen Anhalts- bzw. Verknüpfungspunkt zu haben.
Zusammenfassung:
Durch die Bearbeitung der Lehrbücher werdet ihr keine Lücken haben und euch auch keine Klausuren komisch vorkommen, da ihr keine willkürrlichen Schwerpunkte gesetzt haben werdet. Nutzt die Zeit, die ihr habt und lasst euch nicht einreden, dass keine Zeit bleibt. Ich habe z.B. jede Woche am Samstag morgens eine Klausur geschrieben. Nicht schön- aber effektiv.
Ich würde mich freuen, hier im Forum mit Interessierten ins Gespräch zu kommen. Da ich komplett in der Bibliothek gelernt habe (8-16(17) Uhr) kenne ich mich im Bücherwald ganz gut aus und kann entsprechende Tipps für Fallsammlungen usw. gerne geben. Ich bin auch für Kritik an meinen Tipps offen. Ich kann nur sagen, dass diese Arbeitsweise in beiden Examen erfolgreich war und Personen, die ich von der Arbeitsweise überzeugt habe, im 2. Examen wesentlich erfolgreicher waren als im 1. Examen. Dabei spielt es vor allem eine Rolle, dass man Jura als Herausforderung begreift, die auch Spaß machen kann. Das ist dann der Fall, wenn man sich die Inhalte selbst erarbeitet und sich kritisch mit den Inhalten auseinandersetzt. Meine kurze Antwort, wenn mal wieder die klassischen Repgänger (Übersicht 51 zu § 263 StGB usw.) sich fragten was sie besser machen können: Denken!! Sobald man aufhört Klausuren nur als Produktion von vorgefertigten Lösungshorizonten zu begreifen, macht es auch mehr Spaß. Löst die Klausur mit vertretbaren Argumenten hinter denen ihr auch wirklich steht. Dabei steigt die Argumentationsqualität automatisch.
da ich selbst nach meinen beiden Examina noch sehr viel Interesse an den Inhalten des Staatsexamens habe und hier im Forum wie im realen Leben auf oftmals verunsicherte und planlose Kandidaten treffe, würde ich gerne meine Erfahrungen teilen. Diese richten sich insbesondere an die kommenden Absolventen, die sich ihrer Lernmethode und Herangehensweise noch unsicher sind. Nach meinen Beobachtungen sind es genau diese Kandidaten, die z.B. im aktuellen Thread zum Examen Juni 2019 von einer Berufungsklausur oder "Ausnahmeklausuren" überrascht werden und mit diesen nicht umgehen können.
Vorweg: Ich bin kein Fan von kommerziellen Repititorien und habe diese fürs 1. Examen nicht besucht und lediglich fürs 2. zur Ergänzung einzelne Kaiser-Kurse und einen Hemmer und Jura Intensiv Kurs besucht.
Folgende Vorbereitung empfehle ich für das 2. Examen (inklusive Literatur):
Grundregeln:
1. Mit den Stationen "mitlernen"- das heißt: ZPO wird zum ersten mal komplett in der Ziviltation erarbeitet, StPO in der Strafstation usw. Viele Referendare machen sich nach meinen Beobachtungen gerade am Anfang ein entspanntes Leben, obwohl man nie wieder so viel Zeit wie in den ersten Stationen haben wird.
2. Sollte es keine Benotung o.ä geben keine AG vorbereiten/nachbereiten, da es darum geht nach 2 Jahren auf Examensniveau zu sein. Dabei muss man sein eigenes Tempo nehmen und es bringt nichts, wenn man früh "Spitzenkenntnisse" in manchen Teilbereichen erwirbt, aber keinen Blick aufs Ganze gewinnt.
3. Von Anfang an JEDE mögliche Klausur mitschreiben, die von dem Gericht angeboten wird. Wir durften z.B. beim Probeexamen anderer AGs mitschreiben, sodass ich insgesamt 3 Probeexamen mitgeschrieben habe. Am Anfang geht es bei den Klausuren nur darum eine grobe Idee von der Gliederung von Urteilen und den Standardinhalten zu bekommen. Dabei kann man sich auch ein "Musterurteil" daneben legen, wenn es zB. um die Einleitung eines Urteils nach Einspruch gegen ein VU geht. Wichtig ist nur: Zu der Besprechung gehen und zuhören und dabei aus seinen eigenen (groben) Fehlern lernen. Die Klausuren kann man auch gerne einfach nur 3-4 Stunden schreiben. Es geht nicht um die Endnote, sondern die Auseinandersetzung mit den Sachverhalten.
4. Direkt am Anfang (alte) Kommentare kaufen und diese IMMER beim Lernen und Klausurschreiben dabei haben und auch nutzen. Ein Blick auf die Threads zu den aktuellen Klausuren reicht aus, um zu sehen, dass wieder einmal vieles im Kommentar stand, aber die Hemmschwelle diesen auch zu nutzen, immer noch viel zu hoch liegt. Dabei hiflt es auch, die Kommentare schon zu kennen. Wenn man Rechtsprobleme, die man behalten sollte sofort nachschlägt, kann man sich die Speicherung im Gehirn sparen und weiß gleichzeitig wo man das Problem im Kommentar findet.
5. Tu für die Stationsarbeit so wenig wie möglich, aber so viel wie nötig. Höchstens 2-3 Tage sollten auf die Arbeit an Urteilen oder Anklagen verwendet werden. Den Rest der Zeit sollte man für das Eigenstudium nutzen.
6. Gründet eine heterogene Lerngruppe- z.B. 2 Leute, die zum kommerziellen Rep gehen, und 2 ohne Rep o.ä. Sorgt dafür, dass die Gruppe auch vond er Stärke unterschiedlich ist, traut euch mit "besseren" Leuten zusammenzuarbeiten.
7. Nicht auf irgendwelche Experten hören, die "wissen" was dran kommt, was man nicht lernen muss o.ä. Der Schlüssel zu einer guten Punktzahl ist provokant formuliert: ALLES lernen!
Literatur/Materialien:
Ich habe meine materielle Vorbereitung komplett mit meinen selbsterstellten Skripten vom 1. Examen absolviert. Dabei habe ich für jedes Rechtsgebiet ein Lehrbuch zusammengefasst und diese Zusammenfassungen zigfach wiederholt- vor dem 2. Examen jede Zusammenfassung (30-120 Seiten) bestimmt mindestens 30x.
Wer zuvor mit Skripten gelernt hat und sich dabei wohlfühlte, sollte genau die gleichen Materialien verwenden um Wiederholungseffekte zu haben. Mögliche Gesetzes- (Rechtsprechungsänderungen) sollten natürlich beachtet werden. Dazu gibt es genug Aufsätze und z.B. den BGH Newsletter.
Zu den einzelnen Rechtsgebieten:
- Für ZPO empfehle ich den Oberheim. Dabei geht es nicht darum, dieses Buch einmal zu lesen. Es sollte von Seite 1 bis zum Ende selbst zusammengefasst werden und dabei kein Kapitel (z.B. Berufung o.ä) weggelassen werden. Der Oberheim bietet die Grundstruktur für das Verständnis der ZPO. Auf diesem aufbauend kann man dann das Kaiser Skript Die Zivilgerichtsklausur durcharbeiten und als Anleitung für die einzelne Klausursituation nutzen. Wie auch für die anderen Rechtsgebiete gilt hier: Die Zusammenfassung von Oberheim und das ZPO Skript sollte man zigfach durchgehen um durch Verständnis und Wiederholung faktisch "mit Hirn auswendig zu lernen". Meine Vorbereitung lief 6 Monate vorm Examen so, dass ich ALLE Rechtsgebiete in jeder Woche wiederholt habe, das heißt die Zusammenfassungen+ das entsprechende Kaiser Skript durchgegangen bin. Dazu kam noch die Anwaltsklausur von Kaiser.
- Für StPO empfehle ich Halle/Conzen zusammenzufassen. Dieses Buch ist zwar nicht vollkommen klausurorientiert, aber man bekommt den Überblick über die gesamte StPO mit allen Verfahrensarten usw. Dazu ist das Kaiser Skript für die Staatsanwaltsklausr zu empfehlen und das Seminar/Skript von Russack zum Strafurteil. Auch wenn viele dieses Seminar mangels materieler/prozessualer Inhalte kritisieren, zeigt er eindrucksvoll wie man den Kommentar in der Klausur einsetzen kann. Im Revisionsrecht nimmt man einfach den Russack. Der Haller/Conzen liefert zu allen Klausurarten die grundsätzlichen Infos.
- Wer das materielle Stafrecht wiederholen möchte, sollte einfachd die beiden Bücher von Jäger (Examens-Repititorium) durcharbeiten. Um es zu verkürzen, kann man auch einfach nur die Fälle bearbeiten. Dabei sollte jeder Fall solange durchdacht werden, bis man diese verstanden hat- verstehen heißt nicht: Auswendig gelernt. Es geht darum die Systematiken der Strafnormen zu verstehen. Mit Hilfe von Kommentaren oder Aufsätzen ist dies jederzeit möglich, wenn man sich traut;).
- Für das Verwaltungsrecht empfehle ich den Kintz und die Wochenendkurse von Jura-Intensiv.
- Im Zwangsvollstreckungsrecht empfele ich zumindest den Lachmann zusammenzufassen und erst danach das Kaiser-Skript zu nutzen. Wer zu viel Zeit hat, kann auch den Brox-Walker (ca. 800 Seiten) bearbeiten;).
- Für alle Rechtsgebiete gibt es Din A 4 Klausurenbücher von Hemmer, die sich sehr gut zum Einüben der Grundstrukturen eignen.
Ich kann nur empfehlen, nach Ende der 3. Station alle Inhalte gleichmäßig und wöchentlich zu lernen und nichts zu verschieben. Im Examen müssen auch alle Inhalte innerhalb von 2 Wochen "gleichzeitig"abgerufen werden. Deshalb sah mein Lernplan so aus, dass ich ca. 2 Tage pro Woche Zivilrecht, 1 Strafrecht und einen Ö-Recht gemacht habe, was sich natürlich erst beim Tauchen zu 100% durchziehen lässt. In diesem Zusammenhang sollte man auch überlegen, Urlaube "geballt" zu nehmen um lange Lernphasen zu haben.
Ich habe im Ergebnis JEDE Woche die Zusammenfassungen+ das Kaiser Skript durchgearbeitet- jede Woche also den gleichen Inhalt wiederholt. Dabei geht es darum die entsprechenden Seiten aufzuschlagen und zu gucken welche Stichwörter dort stehen und im Kopf zu prüfen, ob die entsprechenden Inhalte abgespeichert sind und diese sich dann vorzusprechen bzw. anhand des Gesetzes und Kommentars immer wieder neu zu überprüfen. Dabei ist es wichtig, Inhalte mit den Normane zu verbinden, um in der Klausursituation einen Anhalts- bzw. Verknüpfungspunkt zu haben.
Zusammenfassung:
Durch die Bearbeitung der Lehrbücher werdet ihr keine Lücken haben und euch auch keine Klausuren komisch vorkommen, da ihr keine willkürrlichen Schwerpunkte gesetzt haben werdet. Nutzt die Zeit, die ihr habt und lasst euch nicht einreden, dass keine Zeit bleibt. Ich habe z.B. jede Woche am Samstag morgens eine Klausur geschrieben. Nicht schön- aber effektiv.
Ich würde mich freuen, hier im Forum mit Interessierten ins Gespräch zu kommen. Da ich komplett in der Bibliothek gelernt habe (8-16(17) Uhr) kenne ich mich im Bücherwald ganz gut aus und kann entsprechende Tipps für Fallsammlungen usw. gerne geben. Ich bin auch für Kritik an meinen Tipps offen. Ich kann nur sagen, dass diese Arbeitsweise in beiden Examen erfolgreich war und Personen, die ich von der Arbeitsweise überzeugt habe, im 2. Examen wesentlich erfolgreicher waren als im 1. Examen. Dabei spielt es vor allem eine Rolle, dass man Jura als Herausforderung begreift, die auch Spaß machen kann. Das ist dann der Fall, wenn man sich die Inhalte selbst erarbeitet und sich kritisch mit den Inhalten auseinandersetzt. Meine kurze Antwort, wenn mal wieder die klassischen Repgänger (Übersicht 51 zu § 263 StGB usw.) sich fragten was sie besser machen können: Denken!! Sobald man aufhört Klausuren nur als Produktion von vorgefertigten Lösungshorizonten zu begreifen, macht es auch mehr Spaß. Löst die Klausur mit vertretbaren Argumenten hinter denen ihr auch wirklich steht. Dabei steigt die Argumentationsqualität automatisch.